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Frankreichs Präsident Macron wirkt mit sich zufrieden in seiner ersten TV-Stellungsnahme nach turbulenten Tagen im Parlament und auf der Straße.

© AFP/LUDOVIC MARIN

Krise wegen Rentenreform in Frankreich: Präsident Macron bleibt hart – aber wie will er weiterregieren?

Keine Reue, kein Zugehen auf die Gegenseite. Das ist die Botschaft eines Präsidenten, der mit sich zu sehr im Reinen ist.

Ein Kommentar von Andrea Nüsse

Entweder ist er ein Spieler, der gerne zockt, oder er ist wirklich mit sich im Reinen: Der französische Präsident Emmanuel Macron hat in den turbulenten Wochen der Debatte um die Rentenreform geschwiegen. Jetzt führt die Wut darauf, dass die schlecht kommunizierte Rentenreform ohne Abstimmung in der Nationalversammlung durchgeboxt wurde, auch zu gewaltsamen Aktionen auf den Straßen Frankreichs. Und Macron heizt die Stimmung zunächst nochmal an.

„Die Menge“ auf den Straßen habe „keine Legitimität gegenüber dem Volk, das sich souverän mithilfe seiner Repräsentanten ausdrückt“, hatte er am Dienstagabend beim Empfang der Abgeordneten der Regierungspartei erklärt. Am Tag zuvor hatte Regierungschefin Elisabeth Borne nur sehr knapp ein Mißtrauensvotum überlebt.

Da muss man schon schlucken angesichts der Hunderttausenden Demonstranten, die auch in der Provinz seit Wochen friedlich protestieren. Und wenn sein Interview am Mittwoch in den mittäglichen Fernsehnachrichten die Lage beruhigen sollte, war diese Vorlage kontraproduktiv.

Einige Wochen Pause verordnet er seinen Abgeordneten

Denn die Frage ist jetzt, wie Macron bis 2027 weiterregieren will – seine Partei hat keine Mehrheit im Parlament und keine verlässlichen Partner, er hat selbst die liberalen Gewerkschaften verprellt, Premierministerin Borne ist für viele Oppositionvertreter ein rotes Tuch.

Eine Regierungsumbildung, Neuwahlen oder ein Referendum über das Rentengesetz hat Macron gleich ausgeschlossen. Den eigenen Abgeordneten hat er eine Pause verordnet – sie sollten einige Wochen in ihren Wahlkreisen die Lage beruhigen.

Im Frnsehen war dann ein unaufgeregter, energiegeladener Präsident zu erleben, der ein klares Programm hat und sich nicht aufhalten lassen will – auch nicht von unwilligen Parlamenten oder zornigen Sozialpartnern.  „J´asssume“ – „ich stehe dazu“, ist seine Antwort auf alle Fragen, ob das Vorgehen bei der umstrittenen Rentenreform nötig und klug gewesen sei.

Teilweise mit Wasserwerfern gehen die Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vor, die die Rentenreform und deren Durchboxen am Parlament vorbei ablehnen.
Teilweise mit Wasserwerfern gehen die Sicherheitskräfte gegen Demonstranten vor, die die Rentenreform und deren Durchboxen am Parlament vorbei ablehnen.

© dpa/Jeremias Gonzalez

Die Rentenreform war ein wirtschaftlich notwendiges Übel. Das Thema ist für ihn endgültig abgehakt, wenn der Verfassungsrat, den die Premierministerin selbst angerufen hat, es als legitim erklärt, dass über die umstrittene Reform nicht im Parlament abgestimmt wurde.

Sein einziges Bedauern: dass er diese wirtschaftliche Notwendigkeit für die Rentenreform nicht vermitteln konnte. Und jetzt möge man bitte weiterarbeiten und bürgernahe Themen wie Umweltschutz, Bildung, Verbesserungen im Arbeitsleben angehen – das umstrittene Gesetz zur Immigration wird in kleinere Einzelpakete aufgeteilt, die leichter verdaulich sind.

Als sei nichts geschehen. Kein Wort der Reue oder ein verbales Signal, das es den Gegenseiten psychologisch erleichtern könnte, wieder von den selbst errichteten Barrikaden herunter zu kommen. Mit den verprellten Gewerkschaften und der Opposition im Parlament suche Premierministerin Borne den Dialog, die Hände seien ausgestreckt. Alles gut also.

Hier regiert ein Präsident, der mit sich im Reinen ist und dem das präsidiale politische System, das etwas Autoritäres hat, zupass kommt. Und dessen legale Kniffe er guten Gewissens ausnutzt. Schließlich will er etwas erreichen.

Dass er damit die seit Jahren wachsende Unzufriedenheit mit der Repräsentativität im politischen System angeheizt hat, scheint ihm egal zu sein. Dass dies womöglich zu einer längeren Blockade auch seines Regierens führen könnte, dürfte ihm eigentlich nicht egal sein. Aber es gibt ja immer noch Verfassungsartikel 49.3, der das Durchregieren ohne Abstimmung in der Nationalversammlung erlaubt.

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