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Soldaten an der Frontlinie.

© AFP/Anatolii Stepanov

Laut „New York Times“ : Die CIA baute für die Ukraine zwölf Spionagebunker entlang der russischen Grenze

Der US-Auslandsdienst soll in der Ukraine Spionagebunker finanziert und ausgestattet sowie ukrainische Spitzen-Agenten ausgebildet haben. Das sagen Experten zu dem Bericht.

Die Vereinigten Staaten sind der wichtigste Verbündete der Ukraine – schon seit der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim durch Russland 2014. Nun zeigen Recherchen der „New York Times“, wie weit die Unterstützung der Amerikaner geht. Demnach soll der US-Auslandsgeheimdienst CIA in der Ukraine seit mehr als acht Jahren aktiv sein, insgesamt zwölf Spionagebasen entlang der russischen Grenze finanziert und zum Teil auch ausgestattet haben.

Aus diesen Bunkern hätten ukrainische Geheimdienstler russische Satellitenkommunikation abgehört und so unter anderem Erkenntnisse darüber erlangt, welche Russinnen und Russen versuchten, in die US-Wahl 2016 zu intervenieren.

Außerdem fanden sie neue Informationen über Russlands Beteiligung am Abschuss des Passagierflugzeugs MH17. Im Juli 2014 war die Maschine von Malaysia Airlines von einer russischen Flugabwehrrakete über der Ostukraine abgeschossen worden. Alle 298 Insassen starben. Internationalen Ermittlungen ergaben, dass es sich um eine Buk-Rakete von der in Kursk stationierten 53. Luftabwehrbrigade der russischen Streitkräfte handelte, die in das von prorussischen Separatisten kontrolliertes Gebiet gebracht worden war.

Russland ist technisch nicht so weit

Im aktuellen Kriegsverlauf sei die Hilfe und Ausrüstung der Amerikaner für die Ukraine überlebenswichtig, sagt der Militärexperte Gustav Gressel dem Tagesspiegel. „Die USA haben Mittel der technischen Aufklärung wie kaum ein anderes Land und können so in die militärische und politische Kommunikation Russlands eindringen. Das ist enorm wichtig für die Verteidigung der Ukraine.“

Auf diese Weise könnten Erkenntnisse über Frontstellungen einzelner Einheiten, Truppenverschiebungen, Gefechtsstände, die Strategien der russischen Streitkräfte, aber auch Informationen zur russischen Rüstungsindustrie gesammelt werden. Auch würden die Ukrainer informiert, wenn russische Aufklärungssatelliten über ihrer Region sind. Die Russen hingegen sind laut Gresse in der Aufklärungstechnik schlechter aufgestellt als die USA. Dafür seien sie wesentlich besser darin, menschliche Aufklärer anzuwerben – Spione, Saboteure, Kollaborateure.

Der Auslandsgeheimdienst handele nach amerikanischem Recht, erklärt Gressel: „Die CIA hat durch die Regierung einen großen Spielraum und das Mandat, befreundete Staaten unterstützen zu dürfen – und somit einen größeren Handlungsspielraum als etwa der deutsche Bundesnachrichtendienst.“

Sollten die Republikaner im US-Kongress die militärische Finanzierung Kiews einstellen, könnte die Hilfe bei der Aufklärung jedoch schon bald reduziert werden. Um die ukrainische Führung zu beruhigen, stattete CIA-Direktor William J. Burns dem Zeitungsbericht zufolge der Ukraine am vergangenen Donnerstag einen geheimen Besuch ab, seinen zehnten seit Beginn der Invasion.

Die Eiliteeinheit 2245

Neben aktiver Unterstützung soll die CIA seit 2016 ukrainische Geheimdienstler ausgebildet haben, unter anderem die „Eliteeinheit 2245“. Diese erbeutete, so die „New York Times“, russische Drohnen und Kommunikationsgeräte für CIA-Techniker, die damit Moskaus Verschlüsselungssysteme knacken konnten. Einer der Offiziere dieser Einheit war demnach Kyrylo Budanov, der heute als General den militärischen Geheimdienst der Ukraine leitet.

Weiter wurde eine „neue Generation ukrainischer Spione“ ausgebildet, die in Russland, ganz Europa, in Kuba und anderen Orten, an denen Russen stark vertreten sind, tätig ist.

Die Ukraine bat um Hilfe

In der Propaganda des Kremls wird der amerikanische Einfluss als Ursache für die anti-russischen Ressentiments in der Ukraine interpretiert. Die monatelangen, pro-demokratischen Euromaidan-Proteste von November 2013 bis Februar 2014 und der Widerstand der ukrainischen Bevölkerung seit dem Einfall Russlands im Februar 2022 sprechen eine andere Sprache.

Zudem ergab die Recherche der Zeitung, dass Russlands Präsident Wladimir Putin und seine Berater eine entscheidende Dynamik wohl falsch verstanden haben: Die CIA versuchten demnach nicht, in der Ukraine aktiv zu werden. US-Beamte zögerten sogar, sich dort zu engagieren, weil sie befürchteten, dass man ukrainischen Beamten nicht trauen könne und weil sie sich Sorgen machten, den Kreml zu provozieren.

Wir haben verstanden, dass wir die Voraussetzungen für Vertrauen schaffen müssen.

Valeriy Kondratiuk, früherer Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes,

Der Wendepunkt kam wohl 2015, als Valeriy Kondratiuk, der damalige Leiter des ukrainischen Militärgeheimdienstes, zu einem Treffen mit dem stellvertretenden CIA-Chef streng geheime Akten mitbrachte. Darunter: Geheimnisse über die Nordflotte der russischen Marine und Informationen über neueste, russische Atom-U-Boot-Technik. „Wir haben verstanden, dass wir die Voraussetzungen für Vertrauen schaffen müssen“, sagte General Kondratiuks der „New York Times“ zufolge. Ab 2016 wurde die geheimdienstliche Zusammenarbeit ausgebaut und läuft bis heute.

„Die Partnerschaft ist so vertrauensvoll geworden, dass die CIA-Station lediglich an einen Standort westlich von Kiew zog, während der Rest der US-Botschaft evakuiert wurde, als russische Truppen drohten, die Hauptstadt einzunehmen“, sagt auch der amerikanische Geheimdienst-Experte Jeff Stein.

Er warnt davor, die Recherche zu euphorisch zu lesen: Den Interviewpartnern, ob aus Kreisen der CIA oder des ukrainischen Geheimdienstes, sei freilich angesichts der drohenden Kürzungen der Hilfsgelder daran gelegen, ihre Arbeit als besonders effizient zu präsentieren. Zugleich räumt er ein: „Es gibt guten Grund zu der Annahme, dass es, Dollar für Dollar, keine effizientere Waffe gegen Wladimir Putin gibt, ob in der Ukraine oder darüber hinaus, als die Hilfspipeline zwischen der CIA und Kiews Spionen.“

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