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Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments, will für strengere Transparenzregeln im EU-Parlament sorgen.

© dpa/Geert Vanden Wijngaert

Mehr Transparenz, weniger Zurückhaltung: Wie die EU den Korruptionsskandal aufarbeitet

Das Parlament in Straßburg befasst sich mit den Nachwirkungen des Korruptionsskandals. Dazu gehört auch eine neue Haltung gegenüber manchen Staaten.

Die Sitzungen des Europaparlaments in Straßburg haben normalerweise eine ganz eigene Dynamik. Abseits der Brüsseler Politikmühle diskutieren die Abgeordneten hier entspannter über die Themen des Tagesgeschäfts, was auch politische Kompromisse wahrscheinlicher macht.

Doch das erste Treffen im neuen Jahr in dieser Woche dürfte weniger entspannt werden als sonst. Die Parlamentarier müssen damit beginnen, den Korruptionsskandal aufzuarbeiten, der die gesamte Europäische Union Anfang Dezember erschütterte.

Belgische Ermittler hatten zahlreiche Privaträume und Abgeordnetenbüros durchsucht. Die damalige Parlamentsvizepräsidentin Eva Kaili und ihr ebenfalls im Parlament tätiger Lebensgefährte Francesco Giorgi wurden neben zwei weiteren Verdächtigen festgenommen und sitzen in Untersuchungshaft.

Nachfolger Kailis soll gewählt werden

Ihnen wird Geldwäsche und Korruption vorgeworfen. Die Regierungen in Katar und Marokko sollen versucht haben, die Politik der Europäischen Union zu beeinflussen.

Als sichtbares Zeichen des Neuanfangs wird am Mittwoch in Straßburg ein Nachfolger für die des Amtes enthobene Eva Kaili gewählt. Mehrere Bewerber und Bewerberinnen haben sich bereits in Stellung gebracht.

Mit einiger Verwunderung wird in den anderen Fraktionen registriert, dass die Sozialdemokraten den 59-jährigen Luxemburger Marc Angel aufgestellt haben und erneut den Posten einfordern, der ihnen nach dem Parteiproporz zusteht.

Am Mittwoch wird die Nachfolgerin für EU-Vizepräsidentin Eva Kaili gewählt.
Am Mittwoch wird die Nachfolgerin für EU-Vizepräsidentin Eva Kaili gewählt.

© AFP/Eric Vidal

Der Unmut darüber ist deshalb groß, weil alle in diesem Skandal Beschuldigten und Verdächtigen in der Fraktion der europäischen Sozialdemokraten sind – und die Krise scheint für sie noch nicht ausgestanden.

Zuletzt trat die belgische Europaabgeordnete Marie Arena vom Vorsitz des Untersuchungsausschusses für Menschenrechte zurück. Die Sozialistin hat nach eigenen Worten „vergessen“, eine luxuriöse Reise nach Katar anzugeben.

Die Sozialdemokraten stehen unter Druck

Am Sonntag hat auch der belgische Europaabgeordnete Marc Tarabella zugegeben, in das Emirat eingeladen worden zu sein. 

Die Sozialdemokraten stehen also mächtig unter Druck. Doch trotz der Tragweite des Skandals bleiben gezielte Attacken der Konkurrenzparteien, aus denen politisches Kapital gezogen werden könnte, bislang aus – in Straßburg ist es überraschend ruhig.

Das hat vor allem mit der Parlamentspräsidentin Roberta Metsola zu tun – und mit dem eher schlechten Ruf des EU-Parlaments bei den Bürgern.

Reformvorschläge für mehr Transparenz

Die 43-Jährige sieht den Korruptionsskandal als Angriff auf die Glaubwürdigkeit des Parlaments, ja der gesamten Europäischen Union. Immer wieder betont sie, dass unter es den Abgeordneten keine Selbstbedienungsmentalität gebe.

Die Abgeordneten arbeiteten in der Regel bis tief in die Nacht und machten eine hervorragende Arbeit, sagt Metsola. Dafür sollte dieses Parlament bekannt sein, darauf sollten die Menschen stolz sein.

Sie war es auch, die unmittelbar nach Bekanntwerden des Skandals strengere Transparenzregeln für Abgeordnete und Lobbyisten vorschlug. So sollen künftig „alle geplanten Treffen mit Dritten“ im Zusammenhang mit Parlamentsentscheidungen öffentlich gemacht werden, heißt es in ihrem Reformpapier, das Metsola am Montag in Straßburg vorstellte.

Tagespass für ehemalige Abgeordnete

Als weitere Maßnahme zur Bekämpfung möglicher Korruption sollen ehemalige Abgeordnete nicht mehr wie bisher einen dauerhaft gültigen Zugangsausweis zum Parlament bekommen und nicht mehr weiteren Personen Zugang verschaffen dürfen. Stattdessen sollen sie nur einen Tagespass erhalten.

Kritik, dass die Reformen nicht einschneidender seien, kontert die Parlamentspräsidentin mit dem Hinweis, dies seien nur die ersten Maßnahmen, die ohne größere Probleme in den nächsten Wochen umgesetzt werden könnten. Weitere Verschärfungen würden in den kommenden Monaten noch folgen.

Marokko ist schon immer das verwöhnte Kind der europäischen Außenpolitik gewesen.

Miguel Urban, Abgeordneter der Linken

Dass im Europaparlament nun andere Verhältnisse herrschen, könnte in diesen Tagen Marokko erfahren. In den vergangenen Jahren war die Kritik an den Menschenrechtsverletzungen in dem Maghrebstaat seitens der EU immer eher moderat ausgefallen.

Das hat auch mit der zentralen Rolle des Landes bei der europäischen Flüchtlingspolitik und dem Kampf gegen den Terrorismus zu tun. Die Zurückhaltung der EU könnte nach dem Korruptionsskandal allerdings schwinden.

Am Dienstag soll zum ersten Mal seit 25 Jahren die Lage der Menschenrechte in Marokko öffentlich im Straßburger Plenum diskutiert werden.

Marokko sei immer das „verwöhnte Kind der europäischen Außenpolitik gewesen“, sagt Miguel Urban, Abgeordneter der Linken. Mit dieser Ausnahmestellung dürfte es nun ein Ende haben.

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