zum Hauptinhalt
Ukrainische und europäische Flaggen.

© dpa/Pascal Bastien

Studie in zwölf Ländern : Mehrheit der Europäer für Verhandlungen mit Russland statt Waffenlieferungen

Einer neuen Umfrage zufolge glaubt nur noch jeder Zehnte an einen Sieg Kiews. Doch rund ein Drittel fordert weiterhin Waffenhilfe für das angegriffene Land.

In Europa sinkt der Glauben daran, dass die Ukraine den Krieg noch gewinnen kann. Das ist ein zentrales Ergebnis einer Studie des „European Council on Foreign Relations“, die dem Tagesspiegel vorliegt. Im Durchschnitt glauben nur noch zehn Prozent der in zwölf europäischen Ländern Befragten, dass die Ukraine über Russland triumphieren wird. Doppelt so viele sagen dagegen einen russischen Sieg vorher.

Das schwindende Vertrauen in den ukrainischen Sieg ist in ganz Europa zu beobachten, und selbst in den optimistischsten Ländern Polen, Schweden und Portugal glaubt weniger als jeder Fünfte (17 Prozent), dass Kiew siegen kann.

Einzig in Polen und Portugal glauben noch mehr Menschen an einen Sieg der Ukraine als an einen Sieg Russlands. In Griechenland und Ungarn gehen dagegen über 30 Prozent davon aus, dass Russland gewinnen wird.

In Deutschland glauben demnach 10 Prozent an einen Sieg Kiews und 19 Prozent an den Sieg Moskaus. In allen Ländern ist die vorherrschende Meinung, die im Durchschnitt von 37 Prozent geteilt wird, dass eine Kompromisslösung den Krieg zwischen der Ukraine und Russland beenden wird.

Keine Heldenstimmung

Die europäische Öffentlichkeit ist nicht unbedingt in Heldenstimmung“, fassen die Autoren der Studie die Ergebnisse zusammen: „Sie scheint skeptisch zu sein, dass die Unterstützung Europas allein ausreichen wird, um die Ukraine zum Sieg zu führen.“

Die Autoren weisen aber darauf hin, dass die Erwartung an eine Kompromisslösung nicht unbedingt heißt, dass die Befragten eine solche befürworten. Die Studie zeige weiter, dass viele Menschen trotz der relativ großen Skepsis weitere Waffenlieferungen gutheißen.

Schweden, Portugal und Polen sind auch die Länder, in denen noch fast die Hälfte der Bevölkerung sagt, dass Europa die Ukraine mit Waffen unterstützen muss, sodass diese ihr Territorium zurückerobern kann (50-, 48- bzw. 47 Prozent). Im europäischen Durchschnitt stimmen dieser Aussage 31 Prozent zu.

Die Mehrheit von 41 Prozent stimmt dagegen der alternativen Aussage zu, wonach Europa die Ukraine primär dazu drängen sollte, Verhandlungen mit Moskau aufzunehmen.

„Die Menschen erwarten also, dass sie enttäuscht werden“

In Ungarn (64 Prozent), Griechenland (59 Prozent) und Italien (52 Prozent) ist die Unterstützung für eine Verhandlung statt weiter Waffenlieferungen am größten. In Deutschland fordern 32 Prozent die Rückeroberung der Territorien als Strategie und 42 Prozent sprechen sich für Verhandlungen mit dem Aggressor aus.

Ukrainischer Soldaten werden an einem deutschen Leopard ausgebildet.
Ukrainischer Soldaten werden an einem deutschen Leopard ausgebildet.

© dpa/Klaus-Dietmar Gabbert

Das bedeutet aber auch, dass die Erwartungen und Präferenzen vieler Europäer in Bezug auf den Krieg in der Ukraine nicht übereinstimmen“, schreiben die Autoren. Von derjenigen, die eine Kompromisslösung zwischen der Ukraine und Russland erwarten, würde ein Drittel die ukrainische Armee dennoch lieber bei der Rückgewinnung ihrer Gebiete mit Waffen unterstützen, als sie zu Verhandlungen zu drängen.

Umgekehrt erwarte fast die Hälfte derjenigen, die mehr Waffen für eine Rückeroberung liefern wollen, im Endeffekt eine Kompromisslösung. „Diese Menschen erwarten also, dass sie enttäuscht werden“, fassen die Autoren zusammen.

Die absolute Mehrheit will keine zweite Amtszeit Trumps

Auch die Perspektive einer Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus besorgt die Europäer. 43 Prozent der Europäer sind im Durchschnitt der Meinung, dass eine zweite Trump-Präsidentschaft einen ukrainischen Sieg "unwahrscheinlicher" machen wird, während nur 9 Prozent die gegenteilige Meinung vertraten.

56 Prozent der Befragten wären „ziemlich enttäuscht“ oder „sehr enttäuscht“, wenn Donald Trump als US-Präsident wiedergewählt würde.

Dennoch waren nur 20 Prozent der Befragten der Meinung, dass die EU ihre Unterstützung für die Ukraine im Falle eines Siegs Trumps "erhöhen" müsste. 21 Prozent gaben an, dass sie es vorziehen würden, das Niveau der Unterstützung unverändert zu lassen. Ein Drittel der Befragten (33 Prozent) würde es vorziehen, wenn die EU in diesem Szenario den USA bei der Reduzierung der Unterstützung folgen würde.

„Militärische Unterstützung kann zum dauerhaften Frieden führen“

„Die große Gefahr besteht darin, dass Trump - und Putin, der angedeutet hat, dass er offen für Verhandlungen ist - versuchen, die Ukraine und ihre Unterstützer als die Partei des ‘ewigen Krieges’ darzustellen, während sie für sich beanspruchen die ‘Friedenspartei’ zu sein“, sagte Ivan Krastev, Autor der Studie.

Sein Co-Autor Mark Leonard kommentierte die Ergebnisse folgendermaßen: „Um für eine weitere europäische Unterstützung der Ukraine zu werben, müssen die Staats- und Regierungschefs der EU die Art und Weise ändern, wie sie über den Krieg sprechen“.

„Das überzeugendste Argument für die skeptische Öffentlichkeit ist, dass eine militärische Unterstützung der Ukraine zu einem dauerhaften Frieden führen könnte und einen Sieg für Putin verhindern könnte“, so Leonard.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false