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Männer tragen den Sarg und ein Porträt des russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny aus der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone.

© dpa/Uncredited

Update

Polizei nimmt mehrere Menschen fest: Tausende versammeln sich zu Trauerfeier für Nawalny 

Begleitet von zahlreichen Schikanen der Behörden nahmen viele hundert Menschen vom Oppositionellen Alexej Nawalny Abschied. Am Rande kommt es zum offenen Protest gegen Präsident Putin.

| Update:

Der im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny wurde am Freitag auf dem Borisowski-Friedhof im Südosten der russischen Hauptstadt beigesetzt, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichten.

Die Polizei in Russland hat nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD-Info landesweit mehr als 45 Menschen im Zusammenhang mit den Trauerbekundungen festgenommen. Die meisten Festnahmen habe es in Nowosibirsk gegeben, erklärte die Organisation am Freitag im Onlinedienst Telegram. Sechs Menschen wurden demnach in Moskau festgenommen, wo tausende Menschen an den Trauerfeierlichkeiten für Nawalny teilgenommen hatten. 

Nawalnys Team zeigte in einem Livestream auf YouTube, wie die Leiche von Blumen bedeckt im Sarg liegt, umgeben von zahlreichen Menschen während des Gottesdienstes. Zu sehen war auch Alexej Nawalnys Gesicht.

Seine Mutter, die eine Kerze in der Hand hielt, und sein Vater saßen während der Zeremonie am Sarg. An der Totenmesse in einer orthodoxen Kirche im Südosten Moskaus nahmen auch westliche Diplomaten teil, darunter der deutsche Botschafter Alexander Graf Lambsdorff.

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Die Witwe Julia Nawalnaja, die Tochter Darja und der Sohn Sachar nahmen nicht an der Trauerfeier teil, weil sie für ihre eigene Sicherheit im Ausland sind. Nawalnys Frau hatte den russischen Präsidenten Wladimir Putin des Mordes an ihrem Mann bezichtigt. Sie würde damit eine Festnahme riskieren in Russland. Auch Nawalnys Team ist nicht im Land, weil seine Mitarbeiter, die als Extremisten gelten, ebenfalls sofort festgenommen würden.

Der Sarg wurde nach der Trauerfeier wieder aus der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere meine Trauer“ im südöstlichen Bezirk Marjino getragen.

Auf diesem vom Nawalny-Team veröffentlichten Foto erweisen Angehörige und Freunde am offenen Sarg dem russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny die letzte Ehre.
Auf diesem vom Nawalny-Team veröffentlichten Foto erweisen Angehörige und Freunde am offenen Sarg dem russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny die letzte Ehre.

© dpa/Uncredited

Vor der Kirche hatte sich indessen eine zwei Kilometer lange Schlange mit Wartenden gebildet, die sich von Nawalny verabschieden wollten. Viele Menschen klatschten und riefen Nawalnys Namen. Sie skandierten: „Wir vergessen nicht. Wir vergeben nicht“. Viele der Rufe stammen von Nawalny, die in Freiheit einst Zehntausende Menschen zu Protesten gegen den Kreml auf die Straße gebracht hatte. Die Mitarbeiter Nawalnys riefen die Menschen auf, Ruhe zu bewahren.

 Julia Nawalnaja teilt Liebesbotschaft

Nawalnaja hat auf anderem Wege Abschied genommen von ihrem Mann genommen. Sie veröffentlichte einen Liebesbotschaft mit markanten Szenen aus ihrem gemeinsamen Leben. Sie werde Alexej immer lieben, schrieb die 47-Jährige am Freitag bei Instagram. In dem Clip waren viele Szenen ihres gemeinsamen Lebens zum Song „Chotschesch“ (zu Deutsch: Willste) der russischen Sängerin Zemfira zu sehen.

In dem Post schrieb Nawalnaja: „Ljoscha, ich danke dir für 26 Jahre absolutes Glück. Ja, sogar für die letzten drei Jahre des Glücks. Für die Liebe, dafür, dass du mich immer unterstützt hast, dass du mich sogar im Gefängnis zum Lachen gebracht hast, dass du immer an mich gedacht hast.“ Ljoscha ist die Koseform des Namens Alexej.

„Putin ist ein Mörder!“

Einige haben auch offen gegen Präsident Wladimir Putin protestiert. „Russland ohne Putin!“, „Putin ist ein Mörder!“, „Russland wird frei sein!“ und „Nein zum Krieg!“ skandierten Menschen im Chor, wie Reporter der Deutschen Presse-Agentur am Freitag berichteten. Sie sprachen angesichts des Großaufgebots an Uniformierten der Sonderpolizei Omon von einer angespannten Atmosphäre.

Der Kreml hat vor Beerdigung des Kremlgegners Alexej Nawalny an der Kirche und am Friedhof eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut.
Der Kreml hat vor Beerdigung des Kremlgegners Alexej Nawalny an der Kirche und am Friedhof eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut.

© dpa/Uncredited

Schon zuvor haben sich tausende Menschen trotz Warnungen des Kremls zur Trauerfeier für den in einem Straflager gestorbenen Kreml-Kritiker Alexej Nawalny in Moskau versammelt. Nahe einer Kirche im Südosten der russischen Hauptstadt, in der Nawalnys Sarg aufgebahrt werden sollte, bildete sich eine lange Schlange, wie AFP-Journalisten beobachteten.

Die Polizei, die mit einem großen Aufgebot vor Ort war, sperrte den Platz vor der Kirche mit Metallzäunen ab. Polizisten mit Helmen und Tränengaskanistern patrouillierten in der Gegend und auch in den nahe gelegenen U-Bahn-Stationen waren Sicherheitskräfte zu sehen.

Der Kreml warnte vor Beginn der Trauerfeier vor der Teilnahme an „nicht genehmigten“ Versammlungen. Wer an einer solchen Kundgebung teilnehme, werde „gemäß dem geltenden Recht zur Verantwortung gezogen“, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Tass.

Familie hat Leiche mit Verzögerung erhalten

Die Angehörigen von Alexej Nawalny haben den Körper des 47-Jährigen am Morgen in der Leichenhalle in Moskau erst mit Verzögerung für die Beerdigung erhalten. Sie seien um 10.00 Uhr Ortszeit (8.00 Uhr MEZ) dort gewesen, aber hätten den Leichnam erst nicht und dann mit Verspätung bekommen, teilte Nawalnys Team am Freitag mit.

Ein Polizist bewacht Zaungäste in der Nähe der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere meine Trauer“ im südöstlichen Bezirk Marjino.
Ein Polizist bewacht Zaungäste in der Nähe der Kirche zu Ehren der Gottesmutterikone „Lindere meine Trauer“ im südöstlichen Bezirk Marjino.

© dpa/Uncredited

Russlands Machtapparat hat vor der Beerdigung an der Kirche und am Friedhof eine für die Trauernden beispiellose Drohkulisse aufgebaut. Dutzende Einsatzfahrzeuge mit Uniformierten bezogen schon am frühen Morgen Stellung, Uniformierte überprüften Dokumente und persönliche Gegenstände von Passanten, wie russische Medien meldeten.

Auch das mobile Internet sei runtergeregelt worden. An der Kirche hing den Berichten zufolge eine Aufforderung, nicht zu filmen oder zu fotografieren.

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Nawalny-Sprecherin Jarmysch beklagte schon vor Tagen auf der Plattform X (früher Twitter), dass die Behörden die Vorbereitungen für die Trauerfeier weiter behinderten. So sei es noch immer nicht gelungen, einen Leichenwagen zu organisieren, um Nawalnys Körper in die Kirche zu bringen, schrieb sie am Donnerstagnachmittag.

Die Moskauer Bestattungsunternehmen erhielten Drohanrufe von Unbekannten, die sie davor warnten, den Leichnam zu transportieren. „Trotz aller Widerstände wird die Verabschiedung von Alexej morgen definitiv stattfinden“, bekräftigte sie aber.

Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Nawalnys Angehörige und Unterstützer über Druck und Erpressungsversuche vonseiten der russischen Behörden berichten. Für besonderes Entsetzen sorgte etwa, dass die Behörden Nawalnys Leiche zunächst rund eine Woche unter Verschluss hielten und Mutter Ljudmila Nawalnaja gemeinsam mit einem Anwalt in der Polarregion nach dem Körper suchen musste.

Der Kreml forderte offenbar eine heimliche Beisetzung

Dann wollte der Machtapparat sie dazu zwingen, die Beisetzung ihres Sohnes heimlich abzuhalten, wie Ljudmila Nawalnaja mehrfach sagte. Dagegen jedoch sträubte sie sich und forderte öffentlich, dass die Russen die Möglichkeit haben sollten, sich von Nawalny zu verabschieden.

Schließlich erklärte Nawalnys Team dann, einen Ort für die Trauerfeier organisieren zu wollen. Die Suche gestaltete sich allerdings erwartungsgemäß schwierig. Einen Saal, in dem Nawalnys Körper - wie nach russisch-orthodoxer Tradition üblich - für alle Trauernden zugänglich vor dem Trauergottesdienst aufgebahrt wird, fanden sie nicht. Deshalb soll es jetzt nur Andacht und Beerdigung geben. Kurz vor der Präsidentenwahl am 17. März sind dem Kreml jegliche größeren kritischen Veranstaltungen ein Dorn im Auge.

Nawalny ist offiziellen Angaben zufolge am 16. Februar im Alter von 47 Jahren in einem Straflager nördlich des Polarkreises gestorben. Der scharfe Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin war durch einen Giftanschlag im Jahr 2020 und ständige Einzelhaft im Lager körperlich sehr geschwächt. Seine Unterstützer und auch viele internationale Beobachter sind sich deshalb einig, dass von einer „natürlichen“ Todesursache, wie es auf dem Totenschein heißen soll, keine Rede sein kann. (dpa/AFP/KNA)

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