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Soldaten der russischen Armee üben auf einem Truppenübungsplatz im Gebiet Donezk.

© dpa/AP/Alexei Alexandrov

Ukraine-Invasion Tag 351: „Russland hat wieder die Initiative ergriffen“

Ukraine berichtet von Starlink-Ausfällen, Wagner will Rekrutierung von Häftlingen beendet haben. Der Überblick am Abend.

„Die russischen Streitkräfte haben in der Ukraine wieder die Initiative ergriffen und ihre nächste Großoffensive im Gebiet Luhansk begonnen.“ So beginnt das aktuelle Briefing (Quelle hier) der US-Denkfabrik „​​​​​​​Institute for the Study of War“ (ISW), die seit Beginn der Kämpfe das Geschehen an der Front in einem täglichen Lagebericht analysiert. 

Die Einschätzung des ISW markiert einen weiteren Wendepunkt in diesem Krieg. Nachdem die Ukraine im Spätsommer und Herbst ihre militärischen Erfolge feierte und bestimmte, wo und wie gekämpft wurde, war die Front bis auf kleinere Ausnahmen seitdem weitgehend unbeweglich. Allein um die Stadt Bachmut gab es größere Kämpfe.

Nun scheint Russland an der gesamten Front und vor allem auch weiter nördlich rund um Kreminna wieder auf breiter Front vorrücken zu wollen (siehe Karte unten); in die Gebiete, die die Ukraine bei ihrer Blitzoffensive im Spätsommer befreit hatte. Die Kämpfe rund um Kreminna haben sich zuletzt laut Berichten intensiviert, der ukrainische Gouverneur von Luhansk, Serhij Hajdaj, spricht sogar von der „maximalen Eskalation“. 

Da erhebliche Teile der russischen Truppen in die Kämpfe involviert sind, glaubt das ISW, dass die große russische Offensive, auf die die Ukrainer seit Wochen hinweisen, begonnen hat. Dass Russland signifikante Erfolge verbuchen kann, ist aber laut ISW nicht ausgemacht. Schon länger weisen Experten auf das mangelnde Training einzelner Soldaten hin, die teilweise schlechte Ausrüstung, aber auch zusammengewürfelte Einheiten, deren schwere Verluste nun mit Rekruten kompensiert werden. 

Andererseits: Wie schlagkräftig Russlands Truppen in der Breite wirklich noch sind, ist weitgehend unbekannt. Über die vergangenen Wochen haben die Generäle außerdem wohl Munition für die Offensive zurückgehalten, um eine möglichst große Schlagkraft entfalten zu können. 

Für beide Seiten eröffnen die Kämpfe Möglichkeiten: Schafft Russland es, die Ukrainer deutlich zurückzudrängen, könnten die Kremltruppen in einem weiteren Schritt den Donbass auch von Norden aus angreifen - das war auch ursprünglich der Plan des Kreml, bevor ihn die Ukraine mit ihrer Offensive im Herbst zunichte machte.

Schaffen es die Russen nicht, durch die Linien der Ukrainer zu brechen, könnte das wiederum einen ukrainischen Gegenschlag begünstigen. Brechen die Ukrainer in Nord-Luhansk durch die russische Verteidigung, wäre wohl ein erheblicher Teil dieser Region für die Russen verloren und Putins Armee näher an die Linien des 24. Februar zurückgedrängt.

Die Nachrichten des Tages im Überblick:

  • Die Ukraine berichtet von Ausfällen des US-Satelliteninternetdienstes Starlink von Tesla-Chef Elon Musk. Dies soll vor allem bei Rückeroberungsoffensiven in den besetzen Gebieten passiert sein. Das Unternehmen will verhindern, dass die Ukraine ihr System zur Drohnensteuerung nutzt. Mehr dazu hier.
  • Die russische Söldnergruppe Wagner hat nach eigenen Angaben die Rekrutierung von Häftlingen für den Kampf in der Ukraine gestoppt. Dieses Vorgehen sei ganz eingestellt worden, teilte Wagner-Gründer Jewgeni Prigoschin mit. Mehr dazu erfahren Sie hier.
  • Die AfD will offene Fragen rund um die Nord-Stream-Explosionen von einem Untersuchungsausschuss klären lassen. Fraktionschef Tino Chrupalla begründete seinen Vorstoß mit Recherchen des Reporters Seymour Hersh, demzufolge die USA die Rohrleitungen gesprengt hätten. Mehr dazu lesen Sie hier.
  • Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht die Beziehung zu Deutschland wegen der Debatte um die Lieferung von Kampfpanzern in einer „schwierigen Phase“. „Ich muss Druck machen, der Ukraine zu helfen und ihn [Scholz] ständig überzeugen, dass diese Hilfe nicht für uns ist, sondern für die Europäer“, sagte er in einem Interview. Dies und mehr in unserem Newsblog.
  • Die Staatsanwaltschaft Köln hat in NRW die Büros mehrerer Unternehmen wegen des Verdachts auf Umgehung von Sanktionen gegen Russland durchsucht. Nach einem Bericht des Magazins „Monitor“ ist vor allem die Kerpener Firma Smart Impex GmbH Gegenstand der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln.
  • Selenskyj hat den Bürgerinnen und Bürgern der EU am Rande eines Gipfels in Brüssel für die Aufnahme von Flüchtlingen gedankt. Er wolle allen danken, auch denjenigen, die den Ukrainerinnen und Ukrainern Zuflucht gewährt und Kinder vor Bomben geschützt hätten, sagte er.
  • Russlands Ex-Präsident Dmitri Medwedew kündigt an, dass Russland die Produktion von Panzern erhöhen wird. Dies sei eine Reaktion auf westliche Waffenlieferungen an die Ukraine, sagte er beim Besuch einer Panzerfabrik in der sibirischen Stadt Omsk.
  • EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erklärt, dass neue Sanktionen gegen Russland „Putins Propagandisten“ ins Visier nehmen würden. Deren Lügen vergiften den öffentlichen Raum in Russland und darüber hinaus, sagtei bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Selenskyj. 
  • Mehrere EU-Staaten sind nach Angaben Selenskyjs bereit, seinem Land Kampfjets zu liefern. „Ich habe von einer Reihe europäischer Staats- und Regierungschefs gehört, dass sie bereit sind, uns die nötigen Waffen und Unterstützung zu geben, einschließlich Flugzeugen“, sagte er in Brüssel.
  • Der russische Präsident Wladimir Putin hat angekündigt, sein Land zu einem Zentrum der Drohnen-Entwicklung zu machen. Russland solle ein System für die Entwicklung von Drohnen aufbauen und zu einer „Quelle der Technologie und Kompetenz“ werden, sagt er.
  • Die Rüstungskonzern Rheinmetall spricht laut Vorstandschef Armin Papperger mit Kiew über die Lieferung hochmoderner Panzer. „Die Ukraine hat Interesse an dem Lynx und dem Panther“, das seien „die derzeit modernsten Schützen- und Kampfpanzer“, sagte Papperger dem „Handelsblatt“. 
  • Russland will den Bericht eines US-Journalisten zur Grundlage für internationale Ermittlungen zu den Explosionen an den Ostsee-Gaspipelines Nord Stream 1 und 2 machen. Das Präsidialamt in Moskau erklärte am Donnerstag, die Welt müsse die Wahrheit über den Vorfall erfahren. 
  • Die italienische Regierungschefin Giorgia Meloni hat das Pariser Dreiertreffen von Selenskyj, Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz als „unangemessen“kritisiert. „Ehrlich gesagt, fand ich diese Einladung unpassend“, sagte sie beim EU-Sondergipfel.
  • Nato-Jets haben einem Medienbericht zufolge 2022 in Europa 570 Einsätze geflogen, um russische Militärflugzeuge abzufangen, die sich dem Luftraum des Bündnisses näherten – und damit fast doppelt so viele wie im Jahr zuvor. 
  • Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil dringt auf diplomatische Initiativen zur Beendigung des Krieges. „Mich ärgert, wie in der politischen Debatte der Begriff der Diplomatie oftmals fast verächtlich gemacht wird“, sagt Klingbeil den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

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