zum Hauptinhalt
US-Präsident Joe Biden und Wolodymyr Selenskyj, Präsident der Ukraine.

© dpa/AP/Ukrainian Presidential Press Office/Uncredited

Uranmunition für die Ukraine: Putins Angstmache mit dem Wort Atom

Die deutsche Öffentlichkeit ist für russische Propaganda empfänglicher als Menschen in den meisten anderen Ländern Europas. Sich das bewusst zu machen, ist der erste Schritt zur Abhilfe.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Wladimir Putins Propagandakompanien kennen die deutsche Seele. Wenn sich die Gelegenheit bietet, spielen sie mit den deutschen Ängsten. Natürlich auch jetzt wieder.

Die Entscheidung der USA, der Ukraine Uranmunition zu liefern, bietet einen willkommenen Anlass, vor der Eskalation zum Atomkrieg zu warnen. Oder zumindest vor den Gesundheitsschäden durch die angeblich hochgiftige Munition und radioaktive Wolken, die an Grenzen nicht Halt machen.

Ob Streumunition, ob Uranmunition, das perfide Spiel mit der deutschen Angst funktioniert – auch weil Moskau auf propagandistische Hilfsbataillone im ganz rechten und ganz linken Lager hier zählen kann. Für die kommt es nicht darauf an, ob Russland selbst Streumunition und Uranmunition einsetzt. Einen Aufschrei gibt es erst, wenn der dämonisierte Westen solche Waffen liefert.

Bilder eines Atompilzes

Als die Briten der Ukraine im März Uranmunition gaben, warnte Moskau vor „nuklearer Kollision“. Die AfD nutzte das für eine offizielle Anfrage im Bundestag. Einzelne deutsche Medien verlangten einen weltweiten Aufschrei oder beschworen mit Bildern eines Atompilzes die Furcht vor der Katastrophe, auch wenn sie die tatsächliche Gefahr im Text dann scheinheilig relativierten. Sie rechnen also mit Resonanz.

Diesen Grad von Aufregung kennt das übrige Europa nicht. Die Fakten sind eindeutig. Uranmunition ist keine Atomwaffe. Diese Munition kann schwere Panzerung besser durchschlagen, weil sie abgereichertes Uran enthält. Sie hilft ukrainischen Soldaten, die russischen Verteidigungslinien zu durchbrechen, und verringert so die ukrainischen Verluste.

In mehreren Konflikten haben die USA Uranmunition eingesetzt, im Kosovokrieg gegen Serbien, in beiden Irakkriegen und in Afghanistan. Jedes Mal haben ihre ideologischen Gegner behauptet, dabei werde radioaktives Material frei, das weiträumige Gesundheitsgefahren auslöse.

In mehreren seriösen Studien hat sich das nicht bestätigt. Die Internationale Atomenergiebehörde und der wissenschaftliche Dienst der EU-Kommission sehen „keine Hinweise auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken“. Abgereichertes Uran ist weniger radioaktiv als natürliches Uran.

Warum sind Deutsche empfänglicher für diese Art der Propaganda als die meisten anderen Europäer? Welche Rolle spielen Antiamerikanismus und Russland-Romantik, die ganz rechts wie ganz links zum eingeübten Repertoire gehören? Für den Anfang wäre es schon mal hilfreich, wenn die Deutschen sich bewusst machen, dass sie da etwas anders ticken als das übrige Europa.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
showPaywallPiano:
false