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Jewgeni Prigoschin nimmt an der Beisetzung des getöteten russischen Militärbloggers Tatarski auf dem Friedhof von Trojekurowskoje teil. (Archivbild)

© dpa/AP/Uncredited

Verwirrung um Aussage von Prigoschin: Fordert der Wagner-Chef das Ende des Ukrainekrieges?

Ein Artikel des einflussreichen russischen Söldner-Anführers hat für Aufregung gesorgt. Doch die Interpretation ist umstritten.

Er kämpft im Auftrag Putins in der Ukraine und mischt sich immer wieder mit Meinungsbeiträgen im Internet in die Debatte um den Krieg ein, die für Aufsehen sorgen. So inszenierte sich Jewgeni Prigoschin etwa auf Telegram als Kämpfer gegen die russische Bürokratie, die einem toten Wagner-Söldner eine Beerdigung verweigert habe. „Wir werden uns diesem Abschaum widmen“, soll er geschrieben haben.

Jetzt ein neuer Hammer: Unter Berufung auf einen langen Artikel des Söldner-Chefs vom 14. April berichtet unter anderem das belarussische Medienprojekt „Nexta“, dass Wagner für ein Ende des Ukrainekriegs plädiere. Hat der Anführer der Söldnerarmee also eine Vorstellung geäußert, die der Kreml-Linie komplett zuwiderläuft?

Vor allem viele ukrainische Medien verwiesen am Wochenende auf einen Blogeintrag des 61-jährigen Prigoschin, in dem es heißt: „Für die Staatsmacht und für die Gesellschaft ist es heute notwendig, irgendeinen dicken Punkt hinter die militärische Spezial-Operation zu setzen.

Weiter schrieb Prigoschin in dem am Freitag veröffentlichten Text: „Die ideale Variante wäre, das Ende der militärischen Spezial-Operation zu verkünden und zu erklären, dass Russland alle seine geplanten Ziele erreicht hat – und in gewisser Hinsicht haben wir sie ja auch wirklich erreicht.“ Und: „Für Russland besteht immer das Risiko, dass die Situation an der Front sich nach dem Beginn der (ukrainischen) Gegenoffensive verschlechtern kann.“

Die einzige Möglichkeit sei es derzeit, sich in den besetzten Gebieten „festzubeißen“, schrieb Prigoschin. Das würde allerdings einen Rückzug von den eigentlichen Kriegszielen des Kremls bedeuten.

Zweifel an der Interpretation

Die US-amerikanische Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) aber bezeichnet die Berichterstattung, dass Wagner ein Ende des Krieges wolle, als „unzutreffend“. Wie das ISW zu bedenken gibt, seien Äußerungen Prigoschins in dem Text schlicht falsch interpretiert worden.

Der Knackpunkt: Der entscheidende Kontext fände bei der Interpretation keine Beachtung. Demnach sei es nach Meinung des Wagner-Chefs eben nur für bestimmte Eliten in Russland ideal, wenn das Land seine Kriegsziele aufgeben würde – das habe Prigoschin gemeint und tatsächlich schreibt er von eben diesen Eliten zuvor im Artikel. Prigoschin habe also laut ISW mit seinem Beitrag diejenigen in Russland angreifen wollen, die für ein Ende des Krieges sind.

Prigoschin fordert den alles entscheidenden Kampf

Dazu kommt: Prigoschin fordert Russland in seinem Text zu einem alles entscheidenden Kampf auf, der die Ukraine besiegt – oder der im Falle einer temporären russischen Niederlage zu einer „nationalistischen Wiedergeburt“ führe und damit die Voraussetzungen für einen künftigen Sieg Russlands schaffe.

Zugleich sprich sich Prigoschin, dessen Söldner derzeit vor allem um die ostukrainische Stadt Bachmut kämpfen, gegen jegliche Verhandlungen aus, die ein Abtreten von Russland besetzter Gebiete an die Ukraine vorsehen würden. Verhandlungen würden nach seiner Darstellung nur den denjenigen Eliten in Russland nützen, die zum eigenen Vorteil bereit seien, dem Westen Zugeständnisse zu machen.

Prigoschin schreibt außerdem, dass die Kämpfe weitergehen müssten – und drohte der ukrainischen Armee abschließend: „Wir sehen uns in Bachmut.“ Auch das klingt nicht danach, als plädiere er für ein Ende des Ukrainekriegs zum jetzigen Zeitpunkt.

Inzwischen hat sich Prigoschin außerdem über seinen Pressedienst geäußert. Er ließ die ersten Medienberichte kommentieren, die seine angebliche Forderung nach einem Kriegsende thematisierten. Die Hauptaussage seines Artikels sei gewesen, dass es einen „ehrlichen Kampf“ geben müsse, stellte er klar.

Das ISW gibt zu bedenken, dass es nicht einfach sei, die öffentliche Kommunikation von Prigoschin zu verstehen. Bei der Übersetzung vom Russischen ins Englische gingen „viele Nuancen“ verloren. Hinzu komme, dass der Wagner-Chef unter anderem mit Sarkasmus und ironischem Slang arbeite. Gerade diese Stilmittel sorgen im Internet bekanntlich häufig für Fehlinterpretationen. (mit dpa)

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