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Oppositionsführer Kılıçdaroğlu will den EU-Flüchtlingsdeal neu aushandeln.

© Reuters/Umit Bektas

Wahlen in der Türkei: Nato, EU, Geflüchtete – ändert sich Ankaras Außenpolitik?

Ein Wahlsieg der Opposition in der Türkei würde die Beziehungen zum Westen verändern. Nicht alle Konflikte würden dadurch jedoch gelöst.

Der Westen sei gegen ihn, sagt Recep Tayyip Erdoğan. Doch seine Nation werde Amerika und Europa bei der Wahl am Sonntag eine Lektion erteilen, sagte der 69-jährige Staatschef in einem Fernsehinterview. Tatsächlich machen einige westliche Politiker keinen Hehl aus ihrer Abneigung gegen Erdoğan.

Sollte Erdoğan die Wahl verlieren, dürfte es in vielen westlichen Hauptstädten ein Aufatmen geben. Mit einem Sieg der Opposition würde vieles besser im Verhältnis zwischen der Türkei und dem Westen – aber nicht alles würde einfacher.

Erdoğan hat sich in den vergangenen Jahren mit den wichtigsten Partnern seines Landes im Westen überworfen. Die USA und die Nato schockte er mit dem Kauf eines russischen Flugabwehrsystems und seiner engen Freundschaft mit Kremlchef Wladimir Putin. Mit den EU-Mitgliedern Griechenland und Zypern stritt er sich um Gasvorräte im östlichen Mittelmeer.

Kein Wechsel im Streit um Hoheitsgebiete

Seit einiger Zeit bemüht sich Erdoğan um eine Reparatur der Beziehungen, doch eine dauerhafte Verbesserung des Verhältnisses zwischen der Türkei und ihren westlichen Partnern ist bei einem Wahlsieg von Erdoğan nicht zu erwarten.

„Transaktional“ ist ein Begriff, den Experten häufig für diesen Fall benutzen: Bei Themen von beiderseitigem Interesse wird es demnach ein Geben und Nehmen geben, aber grundsätzliche Streitfragen bleiben ungelöst. Sollte Erdoğan am Sonntag siegen, könnten die Beziehungen zum Westen „noch turbulenter“ werden, meint Luigi Scazzieri von der Denkfabrik Zentrum für Europäische Reform.

Herausforderer Kemal Kılıçdaroğlu verspricht dagegen eine Rückkehr zu einer pro-westlichen Außenpolitik und eine Wiederbelebung des türkischen EU-Beitrittsprozesses. Der Oppositionskandidat hat politische Reformen zur Stärkung des Rechtsstaates in der Türkei angekündigt, die sich positiv auf das Verhältnis zu Europa auswirken würden.

So will Kılıçdaroğlu die Anordnungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofes zur Freilassung des Bürgerrechtlers Osman Kavala und des Kurdenpolitikers Selahattin Demirtaş umsetzen. Damit würde er einen Dauerstreit mit Europa beenden und das laufende Verfahren zum Ausschluss der Türkei aus dem Europarat stoppen. Anders als Erdoğan würde Kılıçdaroğlu zudem einem Nato-Beitritt von Schweden rasch zustimmen.

Mit Kılıçdaroğlu würde aber nicht alles schlagartig einfacher. Beim Dauerstreit mit Griechenland und Zypern um die Grenzziehung in Ägäis und Mittelmeer dürfte sich die türkische Haltung auch nach einem Regierungswechsel in Ankara nicht ändern. Auch will Kılıçdaroğlu das Flüchtlingsabkommen mit der EU aus dem Jahr 2016 auf den Prüfstand stellen.

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