zum Hauptinhalt
Menschen suchen nach einem Erdbeben in Adana, Türkei, in Trümmern.

© AFP / Can Erok/AFP

Update

Wetterbedingungen erschweren Rettungsarbeiten: Mindestens 3000 Tote nach Erdbeben in türkisch-syrischer Grenzregion

Schwere Erdbeben haben Nordsyrien und den Südosten der Türkei erschüttert. Die Zahl der Todesopfer dürfte noch weiter steigen.

| Update:

Ein weiteres Erdbeben der Stärke 7,5 hat die Südosttürkei erschüttert. Das Epizentrum habe in der Provinz Kahramanmaras gelegen, meldete die Erdbebenwarte Kandilli in Istanbul am Montag. Auch in Syrien und im Libanon bebte die Erde.

Die Zahl der Toten in der türkisch-syrischen Grenzregion ist nach den ersten Beben vom Morgen auf mehr als 2300 gestiegen. In der Türkei starben mindestens 1651 Menschen, wie Gesundheitsminister Fahrettin Koca am Montagabend mitteilte. Mehr als 11.000 Menschen seien verletzt worden.

Über 2800 Gebäude wurden zerstört, unzählige Menschen verschüttet. Mehr als 5300 Menschen seien verletzt worden, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Montag. Mehr als 2400 Menschen seien aus den Trümmern gerettet worden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan rief eine einwöchige Staatstrauer aus. Flaggen aller Vertretungen im In- und Ausland sollen dafür bis Sonntag auf halbmast wehen, wie es auf dem Twitter-Account des Präsidenten am Montagabend hieß. Die Staatstrauer endet demnach am 12. Februar nach Sonnenuntergang.

Erdogan hatte die Katastrophe als größte Erdbeben seit 1939 bezeichnet. Nach Angaben von EU-Vertretern war es eines der stärksten in der Region in mehr als 100 Jahren. In Syrien und der Türkei kamen bisher mehr als 2500 Menschen ums Leben.

In Syrien kamen nach jüngsten Angaben von Regierung und Rettungskräften mindestens tausend Menschen ums Leben und mehr als 1500 Verletzte. In den von der syrischen Regierung kontrollierten Gebieten gab es nach vorläufiger Bilanz 371 Tote sowie 1089 Verletzte. Aus den von Rebellen kontrollierten Gebieten meldeten die dort an den Bergungsarbeiten beteiligten Weißhelme 221 Todesopfer und 419 Verletzte. Die Opferzahlen dürften angesichts noch vieler Verschütteter aber weiter steigen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Die Wetterbedingungen erschwerten die Rettungsarbeiten, sagte Erdogan. In den betroffenen Provinzen herrschen zurzeit Minusgrade, in einigen Gegenden schneit es. Das Erdbeben mit Epizentrum im südtürkischen Kahramanmaras hatte die Südosttürkei am Montagmorgen erschüttert. Der türkische Katastrophendienst Afad korrigierte am Mittag die Stärke des Hauptbebens von 7,4 auf 7,7.

In Syrien stürzten der staatlichen Nachrichtenagentur Sana zufolge in zahlreichen Städten Gebäude ein. Rettungsteams versuchten in der Nacht und im Morgengrauen, Menschen aus den Trümmern zu ziehen. Der Leiter des Nationalen Erdbebenzentrums Raed Ahmed sagte laut Sana, dies sei das stärkste Beben in Syrien seit 1995.

Menschen in Syrien heben offenbar Massengräber aus

Präsident Baschar al-Assad rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Videos zeigten Trümmerberge unter anderem aus der Provinz Idlib, teils kollabierten ganze Häuserreihen.

„Wir reagieren mit allem, was wir können, um diejenigen zu retten, die unter den Trümmern liegen“, sagte der Leiter der Rettungsorganisation Weißhelme, Raed Al Saleh. „Die Krankenhäuser sind überlastet mit Schwerverletzten“, sagte ein Sprecher der Organisation. Regen und Kälte erschwerten die Einsätze zusätzlich.

Im Norden Syriens heben Anwohner nach den verheerenden Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion einem Augenzeugenbericht zufolge Massengräber aus. Menschen in der Stadt Idlib wollen darin die Opfer der Katastrophe beisetzen, berichtete ein Aktivist der Deutschen Presse-Agentur am Montag.

Auch in den sozialen Netzwerken verbreiteten sich Videos, die zeigen sollen, wie Dutzende Menschen Massengräber schaufeln. In dem Bürgerkriegsland sind zum Teil ganze Häuserreihen in sich zusammengefallen, deren Fundamente durch Luftangriffe häufig schon zuvor baufällig waren.

Menschen durchsuchen die Trümmer eines eingestürzten Gebäudes in der Stadt Azmarin in der Provinz Idlib im Norden Syriens.
Menschen durchsuchen die Trümmer eines eingestürzten Gebäudes in der Stadt Azmarin in der Provinz Idlib im Norden Syriens.

© dpa/Ghaith Alsayed

„Wir brauchen dringend die Hilfe der internationalen Gemeinschaft“, sagte Basel Termanini, Vorsitzender der Syrian American Medical Society (SAMS), der dpa. Die Lage sei „katastrophal“.

Türkische Retter suchen nach Verschütteten – Handynetz ist freizuhalten

In der Türkei stürzten mindestens 1700 Gebäude ein. Das Beben sei in zehn Provinzen zu spüren gewesen, sagte Vize-Präsident Oktay. Unter den eingestürzten Gebäuden sei neben Wohnhäusern auch ein Krankenhaus in der Stadt Iskenderun. In der Stadt Gaziantep wurde laut staatlicher Nachrichtenagentur Anadolu auch die Burg stark beschädigt. Sie ist ein Unesco-Weltkulturerbe.

Menschen in der Türkei wurden aufgerufen, wegen der Kommunikationsengpässe online zu telefonieren und nicht über das Handy-Netz, damit vorrangig Verschüttete erreicht werden können. Die Temperaturen in den betroffenen Gebieten liegen zurzeit oft im Minusbereich. An manchen Orten schneite es stark.

Im Staatssender TRT war zu sehen, wie Menschen bei Schnee in der Stadt Iskenderun aus Trümmern befreit wurden. Auch aus den Städten Gaziantep, Sanliurfa, Osmaniye, Diyarbakir und Adana wurden Bilder gezeigt, auf denen Menschen teilweise in Decken gehüllt abtransportiert wurden.

66 Nachbeben gemeldet

Der türkische Halbmond rief die Bevölkerung zu Blutspenden auf. Die Katastrophenschutzbehörde Afad meldete 66 Nachbeben. Bilder in Diyarbakir zeigten, wie Helfer mit bloßen Händen versuchten, Schutt abzutragen, um Verschüttete aus einem eingestürzten Gebäude zu befreien.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Auch im Libanon, der an Syrien grenzt, war das Erdbeben zu spüren. In den libanesischen Städten Beirut und Tripoli flohen die Menschen aus Angst vor einem Einsturz aus ihren Wohnhäusern, berichteten Augenzeugen. Zu spüren war das Beben auch in Zypern und Israel. Nach Angaben der israelischen Polizei gab es aber keine Verletzten oder Schäden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schrieb auf Twitter: „Wir hoffen, dass wir diese Katastrophe gemeinsam in kürzester Zeit und mit möglichst geringem Schaden überstehen.“

Nach Angaben des türkischen Innenministers würden Rettungsteams aus dem ganzen Land zusammengezogen. Man habe zudem die Alarmstufe vier ausgerufen und damit auch um internationale Hilfe gebeten. Es sei zu insgesamt 22 teils starken Nachbeben gekommen.

Mehrere Flughäfen in besonders von dem Erdbeben betroffen Regionen der Türkei bleiben vorerst für zivile Flüge geschlossen. Dabei gehe es um die Flughäfen in Adana, Hatay, Kahramanmaras und Gaziantep, sagte Vizepräsident Fuat Oktay am Montagmorgen. Der Sender CNN Türk zeigte Bilder von einem tiefen Riss in einer Landebahn am Flughafen Hatay.

Griechenland will trotz Spannungen Hilfe schicken

Griechenland erklärte sich trotz der schweren Spannungen mit der Türkei bereit, Rettungsmannschaften in das Erdbebengebiet zu schicken. Auch Israel will der Türkei humanitäre Hilfe leisten. Der israelische Verteidigungsminister Joav Galant wies Armee und Verteidigungsministerium am Montag an, entsprechende Vorbereitungen zu treffen.

Bundeskanzler Olaf Scholz sagte zu, Deutschland werde selbstverständlich Hilfe schicken. „Mit Bestürzung verfolgen wir die Nachrichten vom #Erdbeben in der türkisch-syrischen Grenzregion“, schrieb Scholz auf Twitter.

„Wir werden alle Hilfen in Bewegung setzen, die wir aktivieren können“, ließ Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) mitteilen „Das THW kann Camps mit Notunterkünften und Wasseraufbereitungs-Einheiten bereitstellen. Hilfslieferungen mit Notstromaggregaten, Zelten und Decken bereitet das THW bereits vor und stimmt sich auf meine Bitte hin bereits eng mit dem Türkischen Zivilschutz ab.“

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach den von schweren Erdbeben betroffenen Menschen in der Türkei und Syrien seine Anteilnahme ausgesprochen. „Das Ausmaß von Tod und Zerstörung erschüttert mich tief“, erklärte Steinmeier am Montag in Berlin. Seine Gedanken seien bei den vielen Opfern, seine Anteilnahme gelte ihren Familien. Seine Hoffnung richte sich darauf, „dass noch viele aus den Trümmern gerettet werden können“, erklärte Steinmeier weiter.

EU-Länder und USA sagen Hilfe zu

Zehn Länder der Europäischen Union (EU) haben der Türkei die Entsendung von Rettungsteams zur Unterstützung der Hilfsmaßnahmen nach dem schweren Erdbeben angeboten. Dazu zählten Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Griechenland, den Niederlanden, Polen, Rumänien, Italien und Ungarn, teilt die EU-Kommission mit. Die Teams seien schnell mobilisiert worden, um die Ersthelfer vor Ort zu unterstützen.

Der französische Präsident Emmanuel Macron stellte „Notfallhilfe für die Bevölkerung“ in der Türkei und in Syrien in Aussicht. Angesichts der „schrecklichen Bilder aus der Türkei und aus Syrien“ seien seine Gedanken bei den trauernden Familien, erklärte Macron in Paris. Zudem erklärten sich die USA bereit, Hilfe zu leisten.

Auch der Iran bot den beiden Ländern Unterstützung an. Präsident Ebrahim Raisi übermittelte am Montag Beileidsbekundungen an die „befreundeten und brüderlichen Länder“, wie die Staatsagentur IRNA berichtete. Teheran sei bereit, sofortige Hilfe zu leisten.

Der Iran ist neben Russland im Bürgerkrieg der wichtigste Verbündete des syrischen Machthabers Baschar al-Assad. Der Iran unterstützt im syrischen Bürgerkrieg den Präsidenten Assad, die Türkei steht dagegen auf der Seite von Rebellen. Nach mehr als elf Jahren Bürgerkrieg in Syrien kontrollieren Assads Regierungstruppen wieder rund zwei Drittel des Landes. Der Machthaber wird neben dem Iran auch von Russland unterstützt.

Italien warnt vor möglichem Tsunami

In Italien gab der Zivilschutz noch in der Nacht zu Montag eine Tsunami-Warnung aus, die wenige Stunden später zurückgenommen wurde. Die Regierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bot der Türkei und Syrien Hilfe an. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schrieb auf Twitter, die Nato-Partner der Türkei seien bereit, Unterstützung zu mobilisieren. Das Auswärtige Amt in Berlin mahnte zur Vorsicht und riet, sich an die Anweisungen der örtlichen Behörden zu halten.

Die Türkei ist immer wieder von schweren Erdbeben betroffen. Dort grenzen zwei der größten Kontinentalplatten aneinander: die afrikanische und die eurasische. Der größte Teil der türkischen Bevölkerung lebt faktisch in ständiger Erdbebengefahr.

Bei einem der folgenschwersten Beben der vergangenen Jahre kamen im Oktober 2020 in Izmir mehr als 100 Menschen ums Leben. Im Jahr 1999 war die Türkei von einer der schwersten Naturkatastrophen in ihrer Geschichte getroffen worden: Ein Beben der Stärke 7,4 in der Region um die nordwestliche Industriestadt Izmit kostete mehr als 17.000 Menschen das Leben. Für die größte türkische Stadt Istanbul erwarten Experten in naher Zukunft ebenfalls ein starkes Beben. (dpa/Reuters/AFP/epd)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false