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Was frau so braucht an den Tagen. Menstruationsprodukte aus mehreren Jahrzehnten.

© Christian Krug

Ausstellung zur Menstruation: „Läuft“ erzählt die Geschichte des Tampons und mehr

Von der Regel sollen wir in der Regel nichts mitbekommen. Eine Ausstellung im Museum Europäischer Kulturen bricht mit dem Tabu und lädt sogar zum Anfassen ein.

Vor etwa zehn Jahren war bei der Transmediale, wohlgemerkt einem Festival für Medienkunst, eine Installation zu sehen, die sich „The Evil Media Distribution Center“ nannte. Die Installation, die mehr als 60 verschiedene Objekte und Medien präsentierte, bezog sich auf das Buch „Evil Media“, das Matthew Fuller und Andrew Goffey 2012 veröffentlicht hatten.

Was neben Papierschredder, Radiowellen und Datenbanken zu diesen „Bösen Medien“ gezählt wurde, war der Tampon. Der Tampon als Objekt, das nahezu unsichtbar ist, aber große Wirkung auf den Alltag hat. Er dient dazu, Frauen funktionsfähig zu machen. Ein Produktivitäts-Hack. Das war eine neue Perspektive, das Aha-Erlebnis groß.

Periodenunterwäsche, Binden und mehr in „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“.
Periodenunterwäsche, Binden und mehr in „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen/Christian Krug

Die Ausstellung „Läuft“, die jetzt im Museum für Europäische Kulturen (MEK) in Dahlem gestartet ist, datiert den Zeitpunkt, seit dem öffentlich über das Tabuthema Menstruation gesprochen wurde, ebenfalls auf etwa zehn Jahre zurück. Frauen tauschen sich heute auf Social Media über das Bluten aus. Debatten über kostenlose Menstruationsprodukte oder Menstruationsurlaub werden kontrovers geführt.

Bloß nichts anmerken lassen

Rot ist die Farbe, die in der alltagskulturell angelegten Ausstellung in Dahlem dominiert, als Wand- und Schmuckfarbe. Den Eingang ziert eine Fototapete, die eine hellrote Flüssigkeit mit dunkleren Klümpchen zeigt.

Die Beschaffenheit von Periodenblut, die Phasen des Zyklus, Apps, die zum Management der Periode genutzt werden, derlei medizinisches und praktisches Wissen hält die Schau bereit, ebenso einen umfangreichen Überblick über Periodenprodukte, die zugehörige Werbung und gesellschaftliche Debatten wie die über „Periodenarmut“ und Müll.

Eine Station ganz am Ende widmet sich der Menstruation in Kunst und Popkultur, die gezeigten Ausschnitte aus Musikvideos und Fernsehserien beleuchten das geballte (Un-)wissen ziemlich gut. Das hätte ruhig mehr sein dürfen.

Die Ausstellung geht etwa 150 Jahre zurück. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts kamen die ersten Produkte für Monatshygiene auf. Vorher ließ man es einfach laufen.

In unendlich viele Schichten aus Hemdchen und Überhemden hinein, die Frau damals üblicherweise trug. Unterhosen gab es damals nicht und scheinbar hängt deren Entwicklung auch damit zusammen, dass Frauen eine Lösung suchten, um sich an den Tagen irgendwas zwischen die Beine zu klemmen. Lange ein rein privates Problem.

Die Geschichte der Unterhose

Die Modelle der „Wäschestücke für besondere Zeiten“ aus der Zeit um 1907, ließ das Museum für die Ausstellung nachschneidern. Die weißen Stoff-Teile mit verstärkter Einlage und einer Art Gürtel sind auf rotem Karton aufgebracht. In einer Mitmachstation können einige der frühen Unterhosenmodelle sogar anprobiert werden.

Frühe Formen von Beinkleidern und Unterwäsche gibt es in „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“ zum Anprobieren.
Frühe Formen von Beinkleidern und Unterwäsche gibt es in „Läuft. Die Ausstellung zur Menstruation“ zum Anprobieren.

© Staatliche Museen zu Berlin, Museum Europäischer Kulturen/Christian Krug

Hinter einem Glitzervorhang warten die an den Hüften zu befestigenden Stoffteile, die nicht nur schwer sind, sondern auch für ein extrem unentspanntes Körpergefühl sorgen. Derart gegürtet rannten die Frauen also einst durch die Gegend. Und derart behost können Mutige sich nun in der Ausstellung von Freunden fotografieren lassen. Man kann dem MEK nicht vorwerfen, dass es nicht versucht, Berührungsängste abzubauen.

Das Interesse an der Ausstellung und an dem Thema Menstruation sei riesig, sagen die Direktorin des MEK, Elisabeth Tietmeyer, und die Kuratorin und stellvertretende Direktorin Jana Wittenzellner. Schon Monate vor der Eröffnung habe es unzählige Anfragen gegeben. Das schaffte bisher kein anderes Thema in dem Museum für Alltagskultur, in dem es auch um Honigbienen, Döner oder das Weben geht. Die Regel, die Periode, die Tage, wurden lange als einzige Peinlichkeit begriffen, als etwas, das unsichtbar zu sein hat. Hier scheint ein Umdenken in Gang zu kommen. „Läuft“ ist nach eigener Zählung des Museums dennoch erst die dritte Ausstellung ihrer Art.

Tasse, Tampon, Schwämmchen

Man lernt Praktisches: In Sachen Produktentwicklung waren Frauen ganz vorne dabei. Früh wurde schon die erste Form einer Menstruationstasse erfunden, die sich allerdings nicht durchsetzte. Ein Zeitstrahl zeigt, wer wann welche Periodenprodukte auf den Markt brachte. Die Unternehmerin Getrude Tendrich brachte 1936 die ersten Tampons heraus, Mary Kenner erfand den Bindengürtel, wurde aber als Women of Colour aus dem Geschäft gedrängt.

Es tauchen außerdem auf: die o.B.-Tampons mit der „praktischen Einführhilfe“, die Binde mit den Flügeln oder das „Levantiner Schwämmchen“, dessen Material im Meer wächst, sich nicht gewinnorientiert herstellen lässt und deshalb als antikapitalistisch gefeiert wird. Auch Menstruationsprodukte sind Moden und politischen Strömungen unterworfen. Heute sollen sie umweltverträglich und möglichst ohne Plastik sein.

Ein schier unglaublicher Apparat ist diese Bindenverbrennungsmaschine, die in vereinzelten öffentlichen Toiletten offenbar noch bis vor kurzem hing. Das Exemplar in der Ausstellung stammt aus einer Schule. Man schmeißt in diesen Kasten die gebrauchte Binde hinein, drückt einen Hebel, der Unrat wird verbrannt, die Asche kann über eine Klappe entleert werden. Pragmatischer Ansatz, den man sich im Alltagsgebrauch nicht so recht vorstellen mag.

49 Milliarden Periodenprodukte wurden 2017 in den EU-Staaten zu Müll. Grade außerhalb der EU findet man noch oft diese Tampons mit Einführhilfe. Jeder einzelne Tampon ist mit einem Plastikröhrchen umgeben. Wer ist also verantwortlich für den Müll, fragt eine Tafel in der Ausstellung. Sind es die Einzelnen, die Unternehmen, die Politik?

Menstruierende Körper

In einem Gedankenexperiment wird überlegt, wie Tamponwerbung wohl aussehen würde, wenn nur Männer ihre Periode hätten. Wahrscheinlich schnittiger, sportlicher, cooler. Aber auch das sind ja Stereotype, kaum besser als Rosa mit Blümchen.

Es ist befreiend, die Menstruation nicht per se als Problem der Frauen zu denken. Dass man beides übereinanderlegte, das Frausein und die Tage, führte auch dazu, dass Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der männlichen Ärzte- und Wissenschaft als schwach, als krank und hysterisch abgestempelt wurden.

Die Ausstellung räumt mit solchen Vorurteilen auf, zollt auch der Tatsache Tribut, dass nicht alle, die bluten, sich als weiblich identifizieren. Aber merkwürdig ist es dann doch, wenn auf den Schildern und Beschriftung kaum das Wort „Frau“ vorkommt, stattdessen von „Menstruierenden“ oder „menstruierenden Körpern“ die Rede ist. Das schafft Distanz, wo man sie doch abbauen wollte. Mit „Läuft“ liefert das MEK jede Menge Diskussionsstoff, der weit übers Medizinische hinausgeht.

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