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Das „Compact“-Magazin wird bei einer AfD-Kundgebung in München verteilt.

© imago/Michael Trammer

„Compact“-Verkaufsstopp und AfD-Ausladung: Plötzlich geht es doch

Was jahrelang mindestens still geduldet wurde, ist nun wieder verhandelbar. Wenn es nur laut genug gefordert wird.

Eine Kolumne von Claudia Reinhard

Es geht also doch. Rechtspopulisten mussten in dieser Woche öffentlichkeitswirksam zwei Rückschläge einstecken, weil der Protest gegen sie zu laut geworden war.

Erstens: Das vom Bundesamt für Verfassungsschutz als „gesichert extremistisch“ eingestufte Magazin „Compact“ wird in den Buch- und Zeitschriftenläden von Valora (Press & Books), Dr. Eckert (Ludwig), Lagardère Travel Retail (Relay) und Schmitt & Hahn nicht mehr verkauft. Über 750 Fililalen betreiben diese Handelsketten in Deutschland – wer in Zukunft antisemitische Verschwörungsmythen, islamfeindliche Hetze und Quergedanken aller Art lesen möchte, muss sich anderweitig umschauen.

Aber wieso eigentlich erst jetzt? Schon 2021 attestierte der Verfassungsschutz dem Monatsmagazin um Jürgen Elsässer neben den eben genannten Inhalten auch eine „grundsätzliche Ablehnung demokratischer Entscheidungsprozesse“.

100.000 Unterschriften gegen den „Compact“-Verkauf

Für Valora stehe die Pressefreiheit an oberster Stelle, teilte das Unternehmen dem Medium „Correctiv“ mit, das zuerst über den Vorgang berichtet hatte. Man wolle Presseorganen, „welche die Presse- und Meinungsfreiheit verächtlich machen und darauf abzielen, sie zu überwinden, keine Plattform bieten“. Bislang war das offensichtlich kein gravierendes Problem.

Die Entscheidung dürfte eine direkte Reaktion auf die Online-Petition „Stoppt Compact - Keine rechte Hetze im Bahnhofsbuchhandel!“ sein, die seit ihrem Start vor zwei Wochen über 100.000 Menschen unterschrieben haben.

Jahrelang still geduldet wurden auch AfD-Politiker bei der Eröffnungsveranstaltung der Berlinale. An ihre Einladungen kamen sie durch ein festes Kontingent für Politiker. Eine kulturpolitische Praxis, die bisher nicht in Frage gestellt wurde. Erst ein offener Brief von Filmschaffenden und die Reaktionen in den sozialen Medien und der Presse stellte das Vorgehen zur Debatte.

Man nehme die Aufregung „weniger Aktivisten“ gelassen, die AfD sei längst Teil der Stadtgesellschaft, sagte die Fraktionschefin der Berliner AfD, Kristin Brinker, dazu. Augenscheinlich hat sie diese Stadtgesellschaft falsch eingeschätzt. Sprach die Berlinale-Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek Anfang Februar noch von einem „Dilemma“, gab sie am Donnerstag nach viel öffentlichem Widerspruch die Ausladung der AfD-Vertreter bekannt. Mal sehen, was in Zukunft noch so alles geht. Wenn nur laut genug gefragt wird.

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