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Von links: Sasha Marianna Salzmann, Tomer Dotan-Drefus, Eva Menasse, Julia Franck, Deborah Feldman und Dana Vowinckel. 

© Foto: Gerrit Bartels

Die Frankfurter Buchmesse und Adania Shibli: Verschlüsse in den Lebensadern der Literatur

Autorinnen und Autoren wie Deborah Feldman, Dana Vowinckel und Tomer-Dotan Dreyfuß lasen auf der Messe aus Adania Shiblis Roman „Eine Nebensache“.

Nach der abgesagten Verleihung des LiBeraturpreises an Adania Shibli für ihren Roman „Eine Nebensache“ hat es am Samstagvormittag zumindest noch eine Lesung daraus auf der Frankfurter Buchmesse gegeben, im Pavillon auf der Agora. Organisiert hatte diese der PEN Berlin, und es lasen Sasha Marianna Salzmann, Tomer Dotan-Drefus, Eva Menasse, Julia Franck, Deborah Feldman und Dana Vowinckel.

Bevor es losging, hielt PEN-Sprecher Deniz Yücel eine kleine Einführung und skizzierte noch einmal den Hallraum der Debatte um Shibli und ihren Roman. Er betonte, dass der PEN Berlin, diese Lesung nicht als „Solidaritätslesung“ verstehe, anders als beispielsweise die für Salman Rushdie im vergangenen Jahr im Berliner Ensemble.

Dankbotschaft von Adania Shibli

„Es gibt kein Menschenrecht auf Literaturpreise, und eine abgesagte oder verschobene Preisverleihung ist keine derartige gravierende Verletzung von Menschenrechten, dass eine Kategorie wie Solidarität sich da in den Vordergrund drängen würde.“

Natürlich gelte die Solidarität Shibli, wenn sie „diffamiert, angefeindet oder bedroht“ werden sollte: „Aber bei der heutigen Veranstaltung steht etwas anderes im Vordergrund: Es geht um Literatur und um Debatte, weil wir diesem Roman eine Bühne geben wollten.“ Der PEN Berlin widerspreche „energisch den Unterstellungen, Adania Shibli würde in irgendeiner Form mit den Mördern der Hamas sympathisieren.“

Die Literatur also sollte das Maß dieser Lesung sein. Das ist nach allem, was man von Adania Shibli genau nicht gehört hat, ganz in ihrem Sinn. Eva Menasse verlas dann nämlich eine Dank- und Grußbotschaft der palästinensischen Schriftstellerin folgenden Wortlauts: „Ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir zeigen, dass ein Buch zwischen Leser:in und Autor:in wirklich einen intimen Raum zu schaffen imstande ist (…); aus meinem traurigen Schweigen heraus danke ich Ihnen, Euch und dem Publikum. Diese Zuwendung bestätigt mir, dass Literatur für viele von uns eine Lebensader ist.“

Ansonsten schweigt Adania Shibli jedoch. Sie will zu der Debatte bezüglich ihres Romans und damit über politische Dinge nichts sagen. Das ist wegen des Inhalts von „Eine Nebensache“ eher problematisch: Es geht darin um den wahren Fall der Vergewaltigung und des Mordes israelischer Soldaten an einer jungen Beduinin 1949 - und um eine Palästinenserin, die sich ein halbes Jahrhundert später in die Spur dieses Verbrechens setzt und von Ramallah in die Negev-Wüste reist. In diesem zweiten Teil ist zum Beispiel von dem Palästina von vor 1948 die Rede.

Problematisch ist Shiblis Schweigen zudem vor dem Hintergrund ihres Namens unter zwei Boykottaufrufe der BDS-Bewegung in den nuller Jahren sowie einem bekannt gewordenen, kompromisslosen Artikel von ihr über die Möglichkeiten und Weiterungen, Israel zu boykottieren.

Das Interview, das Adania Shibli der „Zeit“ gab, das einzige, das sie nach vielen Anfragen zugesagt hatte, konnte nicht veröffentlicht werden. Fragen zu ihrem politischen Engagement, ihren Sympathien für die BDS-Bewegung und für Boykotte von Kulturveranstaltungen mit israelischer Beteiligung wollte sie nicht gestellt bekommen und beantworten, genauso wenig wie Fragen zum Terror der Hamas, dem Krieg im Nahen Osten und zur Debatte um ihren Roman. Auch ein redaktioneller Hinweis, dass sie all das explizit abgelehnt hat, war der Autorin nicht recht, wie die „Zeit“ an diesem Samstag offenbarte.

Stimmen gegen Hass und Gewalt

Wie sagte es PEN-Berlin-Sprecher Deniz Yücel noch, als er Bezug nahm auf die gewalttätigen „Free-Palestine“-Demos in Deutschland:  „Was fehlt sind palästinensische oder arabische Stimmen, Intellektuelle, Künstler, Aktivisten, (…), die ihre Stimme erheben für eine friedliche Koexistenz von Israelis und Palästinensern, für Mäßigung, Austausch, gegen Hass und Gewalt. (…), die die Führungen weder säkularen noch religiösen Radikalen auf der Straße überlassen. Und die sagen: Wir haben ein Problem mit der Radikalität.“

Vehement hätten einige von diesen gegen die Verschiebung der Preisverleihung an Shibli protestiert, fügte Yücel noch an, „zu Recht“ – nicht aber gegen die „Jubelfeiern“ auf der Berliner Sonnenallee oder anderswo in Deutschland. Auch Adania Shibli gehört offenbar nicht zu denen, die eine Stimme gegen die Radikalen erheben wollen. Sie beruft sich aktuell einzig und allein auf die Sprache und die Literatur.            

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