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Bild der neuen Chefkuratorin vom KW Emma Enderby

© Pressebereich KW

Emma Enderby leitet ab Mai 2024 die KW: „Ein Programm, das sich von Berlin inspirieren lässt“

Die Britin Emma Enderby kommt vom Münchner Haus der Kunst. Über ihre Pläne für die KW und ihre Verbindung zu Berlin spricht sie im Tagesspiegel-Interview.

Frau Enderby, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Position. Welche Visionen haben Sie als neue Direktorin für die KW Institute for Contemporary Art in Berlin?
Ich freue mich sehr darauf, nach Berlin zu kommen und diese Stelle anzutreten. Als ich in New York lebte, war Berlin für lange Zeit mein europäisches Zentrum. Was meine Vision betrifft: Ich möchte die KW als einen Ort sehen, der wirklich auf die Bedürfnisse von Künstlern und Künstlerinnen eingeht. Wenn man sich danach richtet, reagiert man automatisch auf die Zeit, in der wir leben. Ich möchte mich auf transdisziplinäre Praktiken konzentrieren. Konkret heißt das, dass ich gerne Denker:innen, Aktivist:innen oder Akademiker:innen in die Arbeit der KW einbinden würde.

Wie sind Sie Kuratorin geworden, was lieben Sie am meisten an dem Job?
Als ich zu studieren begann, wusste ich nicht einmal, was ein Kurator ist. Ich habe zunächst „Classics“ (alte Geschichte, Klassische Philologie) studiert. Während dieses Studiums wurde mir klar, dass ich es interessanter finde, die Welt über Objekte und Architektur wahrzunehmen. Schon immer hat die Kunst Gegenwart reflektiert – sei es sozial, politisch oder kulturell. Die Kunst ist eine Art Kapsel, in der diese Ideen festgehalten wurden. Also habe ich im Anschluss Kunstgeschichte studiert und mich auf zeitgenössische Kunst fokussiert. Das war in Oxford, einer Kleinstadt in Großbritannien. Irgendwann wollte ich etwas Anderes, Neues erleben und zog nach New York.

Ich möchte ein Programm entwickeln, das in den Berliner Communities verankert ist und sich von der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Berlins inspirieren lässt.

Frau Enderby, neue Leiterin der Kunstwerke in Berlin.

In New York arbeiteten Sie zunächst am MoMA und am Guggenheim. Später waren Sie Chef-Kuratorin an der neuen Kulturinstitution The Shed. Welche Unterschiede nehmen Sie wahr zwischen New York und Berlin?
New York war hyperkompetitiv, die Institutionen stehen in starkem Wettbewerb zueinander. Die positive Seite ist, die Stadt ist super dynamisch, schnell. Man konnte Dinge erreichen und Dinge auf eine Art und Weise tun, wie ich es nirgendwo anders erlebt habe. Natürlich hat das seinen Preis. Für Künstler und Künstlerinnen, die dort leben, ist das nicht einfach.

Berlin hat sich stark verändert. Aber auch das heutige Berlin ist immer noch ein großartiger Ort für Künstler und Künstlerinnen. Ich hoffe, dass es in Berlin eine kollaborative Gemeinschaft geben wird. Das reizt mich sehr an der Arbeit in den KW: Ich hoffe, dass wir ein breites, vielseitiges Kollaborationsnetzwerk aufbauen können.

Auch London kennen Sie gut.
Ja. Ich hatte das Glück, bei den Serpentine Galleries im Hyde Park zu arbeiten. Das war eine unglaublich prägende Zeit, auch in Hinblick auf mein ganz grundlegendes Kunstverständnis, die Verbindungen mit anderen Disziplinen. In London habe ich gesehen, wie wichtig es ist, dass eine Kunstinstitution aktuell auf Ereignisse reagiert und gleichzeitig die langfristige Erforschung von Themen ermöglicht. All das bringe ich an die KW mit.

Welche Rolle spielt Berlin in Ihrem Programm?
Berlin ist ein Zentrum für zeitgenössische Kunst. Für viele Künstler und Künstlerinnen ist oder war Berlin an irgendeiner Stelle ihrer Karriere prägend, weil sie hier leben oder gelebt haben, eine Residency gemacht oder einfach Zeit hier verbracht haben. Ich würde gerne ein Programm entwickeln, das sehr stark in den Berliner Communities verankert ist und sich von der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Berlins inspirieren lässt. Mein Ziel ist eine transnationale Institution mit lokaler Verwurzelung.

Haben Sie selbst eine besondere Verbindung zu Berlin?
Ja, eine recht persönliche: Mein Mann kommt aus Berlin-Charlottenburg. Wir haben uns in London kennengelernt. Aber unsere Liebe wuchs während der 9. Berlin Biennale für zeitgenössische Kunst 2016. Für mich war diese Biennale, die vom Künstlerkollektiv DIS kuratiert wurde, auch eine kunsthistorische Zäsur, die in den Kanon eingehen wird. All dies kam in Berlin für mich zusammen.

Mit wem werden Sie in Berlin arbeiten, werden Sie ein neues Team aufbauen?
Ich werde im Mai 2024 anfangen. Ich freue schon sehr darauf, meine Kollegen und Kolleginnen dort kennenzulernen, zu beobachten, wie die Institution funktioniert, die ich ja bisher nur von außen kenne. Erst dann will ich darüber nachdenken, wie ich das Team so aufstellen kann, dass ich meine Vision für die KW auch umsetzen kann.

Werden Sie eher mit in Berlin lebenden Künstlern und Künstlerinnen arbeiten oder weltweit?
Am Beginn meiner Karriere fühlten wir uns in der Kunstszene auf der ganzen Welt zuhause. Wir waren globale Bürger und Bürgerinnen. Aber dieser Lebensstil kann in der Klimakrise nicht mehr aufrechterhalten werden. Unsere Realitäten haben sich grundlegend verändert, und ich denke, es ist aktuell viel wichtiger, lokal verwurzelt zu sein.

Ich möchte also in jedem Fall mit Künstler und Künstlerinnen arbeiten, die hier leben oder gelebt haben. Natürlich will ich auch Künstler und Künstlerinnen aus anderen Teilen Deutschlands oder der Welt hierherholen. Aber vielleicht kann ich sie dazu anregen, länger zu bleiben, hier ihre Arbeiten zu produzieren, sich ebenfalls zu verwurzeln, mehr als das übliche Fly-in und Fly-out.

Die deutsche Kunstszene ist nach der letzten Documenta immer noch in turbulentem Fahrwasser. Wie gehen Sie mit dieser Verantwortung um?
Wenn man in anderen Kulturen lebt und arbeitet, muss man besonders achtsam sein mit vorgefassten Meinungen. Es braucht radikale Offenheit für unterschiedliche Positionen. Als ich in den USA war, war es für mich sehr wichtig, die Geschichte der Sklaverei und die Geschichte der Indigenen Gemeinschaften zu verstehen, auch wenn ich nicht aus eigener Erfahrung darüber sprechen kann. Es sind systemische Probleme, mit denen sich das Land bis heute auseinandersetzen muss. Das gilt auch für Themen, die spezifisch sind für Deutschland. Auch hier befinde ich mich in diesem Raum des Lernens und Zuhörens.

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