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Links das Cover der Neuauflage von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“,  rechts das von 2015.

© Thienemann Verlag

„Ganz im Sinne von Michael Ende“: Thienemann Verlag streicht N-Wort aus Jim-Knopf-Geschichten

Am Samstag erscheinen überarbeitete Neuausgaben von zwei Jim-Knopf-Büchern – ohne N-Wort und stereotype Beschreibungen. Der Schritt sei nach „reiflicher Überlegung“ erfolgt, so der Verlag.

Als der Stuttgarter Thienemann Verlag vor knapp zehn Jahren eine Jubiläumsausgabe von Michael Endes Kinderbuchklassikern mit den Abenteuern von Jim Knopf veröffentlichte, widersetzte er sich noch dem Zeitgeist und ließ das N-Wort drin.

Zum einen, weil es nur in einer Szene vorkommt, die wiederum vor allem dazu dient, die Figur des Herrn Ärmel als Besserwisser darzustellen.

Zum anderen, weil beispielsweise der Scheinriese Tur Tur einmal eine dezidiert antirassistische Rede hält: „Warum soll man nicht schwarz sein? Aber so denken leider die meisten Menschen nicht. Wenn sie selber zum Beispiel weiß sind, dann sind sie überzeugt, nur ihre Farbe wäre richtig und haben etwas dagegen, wenn jemand schwarz ist.“

Wir sind sicher, damit ganz im Sinne von Michael Ende, der bekanntermaßen weltoffen, respektvoll und immer für die Kinder war, zu handeln.

Stuttgarter Thienemann Verlag

N-Wort-Streichung geschah in Abstimmung mit Endes Erben

Nun aber, aus Anlass einer weiteren, an diesem Samstag erscheinenden Neuauflage, hat der Verlag verkündet, dass aus den Büchern „Jim Knopf und die Wilde 13“ und „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ das N-Wort gestrichen wurde, genauso wie einige „stereotype Beschreibungen“.

Links das Cover der Neuauflage von „Jim Knopf und die Wilde 13“, rechts das von 2015.

© Thienemann Verlag

Aus dem „Indianerjungen“ wird in der Neuausgabe jetzt einfach der „Junge“, aus Jims „schwarzer Backe“ lediglich „Jims Backe“, aus dem „Eskimokind“ das „Inuitkind“, „Mandelaugen“ gibt es keine mehr, auch keine „gelben Köpfe“, und das Waschen findet Jim jetzt einfach nur noch „überflüssig“. In der alten Ausgabe lautet letztere Passage so: „Das Waschen fand er besonders überflüssig, weil er ja sowieso schwarzb war und man gar nicht sehen konnte, ob sein Hals sauber war oder nicht.“ Unter anderem bemüht man sich an manchen Stellen um eine geschlechtsneutrale Ansprache und verzichtet auf Geschlechterstereotypen oder einen Begriff wie „reinrassig“.

Das sei nach „reiflicher Überlegung“ und in Abstimmung mit Michael Endes Erben geschehen, so der Verlag in einer Pressemitteilung: „Wir sind sicher, damit ganz im Sinne von Michael Ende, der bekanntermaßen weltoffen, respektvoll und immer für die Kinder war, zu handeln.“ 

Michael Ende habe in den Jim-Knopf-Büchern „ein Gegenbild zur nationalsozialistischen Ideologie gezeichnet, mit der er in seiner Jugend selbst konfrontiert war“. Das „N-Wort“ sei von ihm beim Schreiben seiner Bücher Anfang der sechziger Jahre „bewusst“ nur der Figur des Herrn Ärmel in den Mund gelegt worden, „um auf die fehlende Weltoffenheit dieses typischen Untertans hinzuweisen“, heißt es in der Mitteilung weiter.

„Heute kann auch ein solch distanzierter Gebrauch als diskriminierend gewertet werden. Dasselbe gilt für die Gleichsetzung von schwarzer und schmutziger Haut, die Michael Ende als eines der Stilmittel einsetzt, um die enge Verbindung zwischen Jim Knopf und dem Lokomotivführer Lukas besonders zu betonen.“

Auch Zeichnung von Jim Knopf wurde überarbeitet

Man merkt an diesen erklärenden Sätzen, nicht zuletzt an denen zu Michael Ende, wie heikel die Angelegenheit für den Verlag gewesen ist: hier die Tatsache, dass Menschen sich diskriminiert fühlen können. Dort der Eingriff in ein Kunstwerk, das nicht zuletzt von „der Akzeptanz des Fremden und Andersartigen“ handele.

Trotzdem hat man sich bei Thienemann überdies entschlossen, die Zeichnung von Jim Knopf in den überarbeiteten kolorierten Neuausgaben in Absprache mit dem Erben des Illustrators Franz Josef Tripp ebenfalls anzupassen, unter anderem hat er nun keine Pfeife mehr im Mund.

Und: „Es sind die dicken rosafarbenen Lippen und die schwarze Haut, die ohne Begrenzung in die schwarzen Haare übergeht, die in der heutigen Betrachtung und vor dem Hintergrund der Rassismuserfahrungen Schwarzer Menschen irritieren können.“  

Die Ausgaben mit den ursprünglichen schwarz-weißen Original-Illustrationen bleiben unverändert lieferbar. Sie sollen jedoch „ein einordnendes Nachwort“ enthalten.  

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