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Die Leipziger Buchmesse und die Manga Comic Con 2023 mit rund 2000 Ausstellern aus 40 Ländern.

© imago/epd/IMAGO/Jens Schulze

So läuft die Leipziger Buchmesse: Peter Handkes Wanderschuhe und die Mangas

Freundlich, fröhlich, österreichisch und bei Weitem nicht wieder so groß und attraktiv wie früher: Eine vorläufige Bilanz des Leipziger Buchmessen-Comebacks.

Als am Samstagmorgen um Punkt zehn Uhr – und nicht um 9 Uhr 57 oder 9 Uhr 59, wie es sich gehört in Deutschland – die Halle 3 der Leipziger Buchmesse geöffnet wird, gibt es kein Halten für die jungen Comic- und Manga-Fans: Das erste Foto vor und neben den Ständen in einer noch leeren Halle, das kann nur gut werden. Halle 3?, mag sich nun mancher regelmäßige Messebesucher fragen. Findet die Manga-Comic-Con nicht immer in der Halle 1 statt, der größten, fabrikmäßigsten, naturgemäß buntesten Halle, die zudem seitlich versetzt zu den anderen liegt?

Tatsächlich hat die Leipziger Messe bei ihrem Comeback nach drei Jahren Pandemie-Pause die beiden Hallen thematisch miteinander verbunden, die einschlägigen Comic-, Graphic-Novel- und Manga-Verlage mit der Merchandise-Manga-Wunderwelt. Und wurde das Erscheinungsbild der Messe in der Prä-Corona-Zeit vor allem am Samstag und Sonntag dominiert von den Cosplayern, den Manga-Fans, die das Outfit einer ihrer animierten Lieblingsfiguren nachstellen, so waren die Hallen in diesem Jahr schon vom ersten Tag an voller Cosplayer. Diese sahen mal wirklich bezaubernd und eindrucksvoll aus, oft aber auch ziemlich dilettantisch und daneben.

72.000 Besucher nach zwei Tagen

Die Messe hat auf diesen Boom reagiert: Der Lesekompass, den sie seit 2012 alljährlich mit der Stiftung Lesen verleiht, um Kindern und Jugendlichen eine Orientierung zu bieten und sie zum Lesen zu bringen, hat dieses Jahr erstmals einen Comic-Schwerpunkt. Auf Platz 1: der erste Band von Naoki Urasawas „Asadora!“-Reihe.

Nun fragt man sich: Was wäre die Leipziger Buchmesse, die zurückgekehrte zumal, ohne die Manga-Comic-Con? Wer braucht hier wen nötiger? 72.000 Besucherinnen und Besucher vermeldete die Presseabteilung der Messe zur Halbzeit, was sie natürlich als Erfolg verbucht. Messedirektor Oliver Zille hatte zuvor betont vorsichtige Schätzungen abgegeben und 130.000 Lesefans insgesamt erwartet. Das dürfte nach dem Stand von Freitag am Sonntagmittag nach den beiden gewohnt publikumsstärksten Tagen übertroffen werden.

Doch schien es an den ersten beiden Tagen, als würden sich diese 72.000 Besucher:innen zu einem mehr als überwiegenden Teil aus Schulklassen zusammensetzen, die womöglich schulfrei bekommen hatten mit der Auflage, zur Messe zu strömen, und aus dem einschlägigen Fachpublikum.

Die wirklich an den Ständen und den dort ausliegenden Büchern jenseits der Comicwelt Interessierten waren in der Minderheit, diejenigen, die Lesungen und Gespräche verfolgen wollten. Die Bühnen der großen Fernseh- und Radiosender und Zeitungen waren zwar wie sonst umlagert und voll, manchmal auch die am „meaoiswiamia“-Stand der Österreicher, und doch blieb mancher Stuhl vor den vielen Bühnen frei. Zumal das Promi-Aufkommen zu wünschen übrig ließ: El Hotzo? Dirk von Lowtzow? Eckhart von Hirschhausen? Roland Kaiser?

In den Hallen herrschte zwar schon auch Gedränge, doch fielen die etwas breiteren Gänge angenehm auf. Das lag daran, dass im Vergleich zu 2019 ein Fünftel weniger Aussteller gekommen waren, 2082, wie die Messe vermeldete.

Nur auch hier: Gefühlt waren es viel weniger. Viele Aussteller hatten sich in Gemeinschaftsständen zusammengeschlossen, so die Schweizer Verlage; auch von den laut Messe sechzig anwesenden österreichischen Verlagen dürfte nicht jeder einen eigenen Stand gehabt haben.

Peter Handkes Wanderschuhe

Der österreichische Gastlandauftritt war beeindruckend. Er wäre auch der Frankfurter Buchmesse würdig gewesen. Ein großer Stand in der Halle zwei, der zwar hie und da wegen seiner strengen Einfallslosigkeit kritisiert wurde (doch um was geht es? Um Bücher, die müssen nicht groß inszeniert werden), das Großaufgebot an Autorinnen und Autoren, das Programm in der Schaubühne Lindenfels, gewissermaßen die Leipziger Zentrale der Österreicher, und überdies die schöne „Jetzt & Alles“-Ausstellung über fünfzig Jahre österreichische Literatur in der Deutschen Nationalbibliothek im Südosten Leipzigs.

Booktok-Bestsellerliste

Wem der österreichische Auftritt zu gegenwärtig war, konnte hier in die große Literaturgeschichte eintauchen, mit allem Drum und Dran: mit Friederike Mayröckers Wäscheklammern und Zettelwirtschaft, mit Peter Handkes Wanderschuhen und Bleistiftstummeln, mit Thomas Bernhards Sprechen über seinen Atem und den Tod.

Zurück in die Hallen: Es war eine freundliche, unspektakuläre Messeausgabe, ohne Aufreger (KI? ChatGPT?), mit den üblichen Preisvergaben und Verkündigungen. Wie zum Beispiel der, dass es in Zukunft Booktok-Charts geben wird, erhoben von TikTok und MediaControl (auf Platz 1 „Die Mitternachtsbibliothek“ von Matt Haig, auf Platz 2 James Clears „Die 1%Methode – Minimale Veränderung, maximale Wirkung“).

Wie die Frankfurter Messen der vergangenen zwei Jahre muss diese Leipziger Buchmesse als Übergangsmesse verstanden werden. Es ist gut, dass es sie wieder gibt. Und bekanntlich ist aller Wiederanfang schwer. Nächstes Jahr dürfte man klarer erkennen, wie sinnvoll diese Art von Buchbranchenevent noch ist und ob er überhaupt auch in Zukunft noch von einem großen Publikum angenommen wird. Wie hat es Elfriede Jelinek gesagt: „Achtung! Das Vergangene findet jetzt statt!“

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