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Aufwändige Produktionen wie die Amazon-Serie „Der Herr der Ringe – Die Ringe der Macht“ könnte es in Zukunft weniger geben.

© Prime Video / Matt Grace

Weniger Geld für Video-Streaming?: So reagieren Netflix, Amazon und Co.

Kampf gegen Abo-Sharing, höhere Preise, niedrigere Produktionskosten, das sind die wichtigsten Stellschrauben. KI wird zum großen Hoffnungsträger.

Ein wenig habe er sich schon über die Zahlen des Digitalverbandes Bitkom gewundert, sagt Florian Kerkau, Videostreamingexperte des Berliner Marktforschungsunternehmens Goldmedia. Am Montag hatte der Verband eine Umfrage veröffentlicht, nach der die Deutschen beim Streaming zu sparen angefangen haben. Demnach haben die Verbraucher binnen Jahresfrist im Schnitt 14 Prozent weniger für Streaminginhalte – also für Abos von Video- und Audiodiensten, aber auch für kostenpflichtige Einzelabrufe – ausgegeben.

Die Analysten von Goldmedia haben Netflix, Prime Video, RTL+ & Co. seit Jahren im Blick. Der Fokus liegt auf den Abozahlen und den Marktanteilen der einzelnen Anbieter. Diese Daten lassen jedoch keinen Einbruch erkennen. Im Gegenteil: „Beim Video-Streaming sehen wir keinen Rückgang, sondern weiterhin ein kontinuierliches Plus“, sagt Florian Kerkau, Geschäftsführer von Goldmedia Custom Research.

Ein Fünftel mehr Streaming-Abos seit Juni 2022

„Von Juni 2022 bis Juni 2023 hat die Anzahl der Videostreaming-Abos um 19 Prozent zugenommen. Der Großteil des Wachstums entfiel auf die zweite Jahreshälfte 2022“, entnimmt Kerkau den Goldmedia-Zahlen. Ein Grund dafür sind die beiden neuen Anbieter Discovery+ und Paramount+. Aber das sind nicht die einzigen Ursachen. Die Einführung des preisreduzierten Werbeabos von Netflix im vergangenen November und das komplett kostenlose Amazon-Einsteigerangebot Freevee spielen ebenfalls eine Rolle.

Die unterschiedlichen Ergebnisse führt Kerkau darauf zurück, dass die Bitkom-Analyse auf einer Telefonumfrage beruht. Das Problem: Es ist nicht sicher, ob so tatsächlich die relevanten Nutzergruppen erreicht werden. Bei der Bitkom-Telefonumfrage lag der Anteil der Videostreaming-Abonnenten nur bei rund 27 Prozent. Goldmedia zufolge beträgt die Marktdurchdringung 45 Prozent. Goldmedia betreibt in Deutschland unter anderem ein repräsentatives Panel mit 8000 Teilnehmern. Eine Software erhebt die Nutzungsdaten.

Alle großen Streamingdienste haben begonnen, mit KI zu experimentieren. Das ist das nächste große Ding, das die Produktionskosten senkt. 

Florian Kerkau, Geschäftsführer Goldmedia Custom Research aus Berlin.

Die Rangfolge der Abo-Dienste ist dabei im Wesentlichen gleichgeblieben. Prime Video von Amazon bleibt mit 31,8 Prozent der Marktführer in Deutschland, gefolgt von Netflix (26,8 Prozent), Disney (15,2 Prozent) und dem Premium-Abo von RTL+ (9,3 Prozent). Von den neuen Diensten steht Paramount+ mit 3,9 Prozent am besten da. Wow – das ehemalige Sky Ticket – kommt auf 3,3 Prozent, Apple TV+ auf drei Prozent, Joyn auf 1,3 Prozent und Discovery+ auf 1,2 Prozent.

Interessant dabei: Ähnlich wie bei den privaten Fernsehsendern spielt der Zeitpunkt des Starts eine entscheidende Rolle. „Sowohl bei den Sendern als auch bei den Streamern erklärt der Start bis zu 75 Prozent des Erfolges“, sagt Kerkau. „Mit Netflix und Prime Video haben die Streamer der ersten Generation die höchsten Marktanteile. Je später der Start erfolgt, desto nischiger ist häufig das Angebot.“ Das wird nicht ohne Auswirkungen auf den Gesamtmarkt bleiben: „Die Idee, dass jede Produktionsfirma mit einer eigenen Streamingplattform erfolgreich sein kann, ist gescheitert. Wir werden da zunehmend Kooperationen oder Aufkäufe sehen“.

Der Kampf gegen Passwort-Sharing lohnt sich für Netflix

Einen nachhaltigen Einfluss hat der Kampf von Netflix gegen das Passwort-Sharing – bislang hatten sich bis zu drei Nutzer einen Netflix-Account geteilt. Seit Mai drängt Netflix darauf, für das Teilen des Kontos mit Nutzern außerhalb des eigenen Haushalts eine Zusatzmitgliedschaft für rund fünf Euro monatlich einzurichten. Während es in anderen Ländern heftige Proteste dagegen gab, scheint in Deutschland die Rechnung aufzugehen, registriert Kerkau. „Den Zugang auf einen Haushalt zu beschränken, ist derzeit der große Wachstumstreiber. Da ist noch ordentlich Potenzial“, sagt Kerkau und sieht Netflix in einer Vorreiterrolle für die Branche.

Die Ausgaben für Videostreaming sind laut Bitkom binnen Jahresfrist von 17,90 auf 15,70 Euro gesunken – womit das Netflix-Premium-Abo nicht mehr abgedeckt wäre. Gehören also Zweit- oder gar Dritt-Abos der Vergangenheit an? Auch da kommen die Analysten von Goldmedia zu anderen Ergebnissen. Wer bereits ein Abo hat, ist häufig bereit, auch noch ein zweites oder drittes abzuschließen. Zuletzt ist die Zahl der Abos von 3,23 im März auf 2,94 im Juni leicht zurückgegangen.

Die Zahl der Mehrfach-Abos geht etwas zurück

In einem Punkt gibt es aber auch von Kerkau keinen Widerspruch zu den Bitkom-Ergebnissen: Angesichts der hohen Inflation und anderer Unsicherheiten sparen einerseits die Verbraucher, aber auch bei den Streamingdiensten sitzt das Geld nicht mehr so locker wie während der Boom-Phase in den Jahren der Corona-Pandemie.

Den Diensten stehen drei Stellschrauben zur Verfügung. „Mehr Wachstum kann durch zusätzliche Abos erreicht werden. Stichwort Passwort-Sharing. Die Preise zu erhöhen, ist allerdings wegen der wirtschaftlichen Gesamtsituation derzeit schwierig. Oder man senkt die Herstellungskosten für das Produkt, in dem an den Inhalten gespart wird. Die Produzenten bekommen dies bereits zu spüren.“

Der Verzicht von Sky auf deutsche Eigenproduktionen sei ein Vorbote dieser Entwicklung, so der Streamingexperte. Sparpotenzial sehen die Streamer zudem durch die Entwicklungen im Bereich Künstliche Intelligenz: „Alle großen Dienste haben begonnen, mit KI zu experimentieren. Das ist das nächste Ding, das die Produktionskosten senkt.“

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