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Migranten auf einem Rettungsschiff

© IMAGO/Vincenzo Circosta/IMAGO/Vincenzo Circosta

Verschärfung des Asylrechts: Der riskante Abschottungsversuch 

Die Europäische Union, Deutschland und Frankreich beschließen schärfere Asylregeln. Ob damit der Trend nach rechts gebrochen werden kann? Fraglich. Die Strategie birgt Gefahren.

Ein Kommentar von Valerie Höhne

Die Europäische Union will ein Hort der Freiheit sein. Für Menschen offen, egal, wie sie aussehen, egal welcher Religion – wenn überhaupt – sie angehören, egal wen sie lieben. Spätestens seit der Einigung auf die Asylreform ist klar, für wen das gilt: Die Menschen, die schon hier sind.

Viele andere versucht die Europäische Union künftig herauszuhalten. Der Kontinent will sich abschotten. Das ist das Signal, das von dieser Einigung ausgeht. Selbst Menschen, die vor Kriegen fliehen, können künftig abgeschoben werden, wenn sie über einen sicheren Drittstaat einreisen.

Am Abend zuvor hat Frankreich entschieden, dass nicht-europäische Ausländer erst nach fünf Jahren Sozialleistungen erhalten können. Die Bundesregierung hat an diesem denkwürdigen Tag eine Einigung im Streit um nationale Asylverschärfungen gefunden: Die Abschiebehaft von zehn auf 28 Tage verlängert. Die Sozialleistungen für abgelehnte Asylbewerber sollen sinken, wenn sie länger im Land sind.

Der Versuch, den Rechtsruck zu stoppen

All das soll die illegale Migration nach Europa begrenzen. Für viele Politikerinnen und Politiker, auch der Ampelkoalition, ist es der Versuch, den Rechtsextremismus zu stoppen, der sich bis in die Mitte der Gesellschaft ausgebreitet hat. Ein hehres Ziel.

Im Fall der Bundesrepublik folgt die Verschärfung, sowohl auf EU-Ebene als auch national, folgender Logik: Würden es weniger Menschen nach Deutschland schaffen, wäre das Asylsystem nicht überfordert, die Kommunen würden nicht ächzen, die Politik würde als handlungsfähig wahrgenommen, schließlich also würden die Umfragewerte der AfD sinken. Das klingt schlüssig.

Doch die Strategie ist riskant, aus mehreren Gründen. Wenn Politiker den Rechtsruck allein der Migration zuschreiben, machen sie es sich sehr einfach. Zugespitzt: Die Rechten gewinnen, weil zu viele Ausländer im Land seien – es darauf zu reduzieren, entlässt die Politiker aus ihrer Verantwortung. Eigene Fehler, wie die Kommunikation beim Heizungsgesetz, lassen sich einfach beiseiteschieben. Sie sprechen damit auch vielen Bürgerinnen und Bürgern ab, Gründe für ihre Wut zu haben, die legitimer sind, als plumper Rassismus.

Zudem macht die Diskussion Deutschland für Fachkräfte aus dem Ausland unattraktiv. Soll man wirklich in ein Land einwandern, in dem führende Politiker die Antworten auf die vielfältigen Probleme vor allem in einer Reduktion der Migration sehen?

Es ist nicht nur ein deutsches Problem, das zeigen die Verhandlungen um die Reform zum europäischen Asylsystem. Trotz Positionen, die noch vor wenigen Jahren als klar rechts der Mitte verortet worden wären, trug die Bundesregierung mit wenigen anderen Ländern die liberalste Position vor. Dass die EU sich überhaupt geeinigt hat, war ein wichtiges Signal.

Die EU-Einigung war ein wichtiges Signal – und trotzdem ist sie gefährlich

Die Debatte aber hat sich inzwischen nach sehr weit rechts verschoben. Kinder müssen (gemeinsam mit ihren Eltern) künftig in Abschiebegefängnissen an den Außengrenzen auf ihren Asylbescheid warten. Das kann Monate dauern. Wenn er negativ beschieden wird, ist in vielen Fällen nicht klar, wohin sie abgeschoben werden sollen. Es ist nicht gesagt, dass sie ihre Herkunftsländer sie wiederaufnehmen.

Die EU hat es zudem nicht geschafft, zeitgleich mit den Asylrechtsverschärfungen eine staatliche EU-Seenotrettungsmission wiedereinzuführen. Das Sterben auf dem Mittelmeer dürfte auch nach dieser Reform weitergehen. Wie viele Menschen sich tatsächlich dadurch abschrecken lassen, in Boote zu steigen, dazu gibt es keine verlässlichen Prognosen.

Die Innenminister der EU feiern sich an diesem Tag für ihre Handlungsfähigkeit. Doch sollte die Reform des Asylsystems nicht halten können, was sie verspricht – eine drastische Reduktion der Zahlen, und mehr Solidarität unter den Mitgliedsstaaten – droht selbst diese eine positive Nachricht unterminiert zu werden. Viel weiter nach rechts können sie nicht rücken, ohne sämtliche humanitäre Werte der Union aufzugeben. Es ist ein gefährliches Unterfangen.

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