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Verbirgt sein Lächeln mehr, als es offenbart? Irans Präsident Hassan Rohani.

© dpa

Irans Atomprogramm: Die Verhandlungen sind ein Erfolg Europas

Zum ersten Mal seit langer Zeit kann der Streit über Irans Atomprogramm diplomatisch gelöst werden, meint Oliver Thränert, Leiter eines Think Tanks an der Universität in Zürich. Und die oft gescholtenen Europäer spielen dabei eine wichtige Rolle - sie bereiteten das Fundament für eine breite internationale Koalition.

Nun verhandeln sie also wieder: Iran auf der einen; die USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland auf der anderen Seite. Gelingt endlich der große diplomatische Durchbruch im Streit um das iranische Atomprogramm? Nach der letzten Runde in Genf ist Bewegung in die Gespräche gekommen, obgleich in Substanzfragen ein Durchbruch noch nicht in Sicht ist. Dass überhaupt die Chance auf eine diplomatische Lösung besteht, daran haben ausgerechnet die oft gescholtenen Europäer einen gehörigen Anteil.

Vor zehn Jahren, am 20. Oktober 2003, reisten nämlich die Außenminister Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands gemeinsam nach Teheran. Die internationale Gemeinschaft hatte zuvor Kenntnis von zwei bis dahin von Teheran geheimgehaltenen, noch im Bau befindlichen Nuklearanlagen erhalten. Beide Projekte erschienen von größter Brisanz, weil sie sich gut für die Herstellung spaltbaren Materials für den Atomwaffenbau eigneten. Da Iran diese Baustellen verborgen gehalten hatte, schrillten in westlichen Hauptstädten die Alarmglocken.

Schon Joschka Fischer verhandelte mit Hassan Rohani

Dominique de Villepin, Jack Straw und Joschka Fischer schnürten in der iranischen Hauptstadt mit Hassan Rohani, dem damaligen Sekretär des iranischen Nationalen Sicherheitsrates – heute ist er Präsident Irans – ein Paket. Anders als seinerzeit von US-Präsident George W. Bush gewollt, sollte die Akte Iran nicht an den UN-Sicherheitsrat überwiesen werden. Aus europäischer Sicht drohte dort nach dem Streit um Saddam Husseins angebliche Massenvernichtungswaffen eine erneute Spaltung des Westens. Iran seinerseits, das nicht in New York an den Pranger gestellt werden wollte, stellte im Gegenzug seine Urananreicherungs- sowie Schwerwasserprojekte ein.

Vor acht Jahren brach der Iran seine Vereinbarung, das Atomprogramm ruhen zu lassen

Leider erwies sich die Teheraner Erklärung vom Oktober 2003 nicht als tragfähig. Iran setzte ab 2005 sein Atomprogramm unvermindert fort. Dennoch hatten die drei europäischen Außenminister das Fundament für eine breite internationale Koalition gelegt. Nun, nachdem Teheran die mit den Europäern getroffenen Vereinbarungen gebrochen hatte, waren sich Amerikaner und Europäer im Februar 2006 einig, den Fall Iran doch vor den UN-Sicherheitsrat zu bringen. Nur wenige Monate später, im Juni 2006, schlossen sich die ständigen Sicherheitsratsmitglieder Russland und China an. Eine in Teheran zweifellos mit großer Überraschung aufgenommene internationale Koalition war geschmiedet worden, die sich bis heute bemüht, Iran vom Erwerb von Kernwaffen abzuhalten. Die Gruppe der E-3 plus 3 stellte Iran vor eine klare Alternative: Entweder würde das Land verspieltes internationales Vertrauen zurückgewinnen, indem es seine Urananreicherungs- und Schwerwasserprojekte suspendiert. Im Gegenzug würde Iran politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit erhalten. Oder Teheran müsste mit Sanktionen rechnen.

Oliver Thränert ist Experte für Sicherheitspolitik und leitet den Think Tank am Center for Security Studies der ETH Zürich.
Oliver Thränert ist Experte für Sicherheitspolitik und leitet den Think Tank am Center for Security Studies der ETH Zürich.

© promo

Da Teheran den Forderungen nicht nachkam, wurden Sanktionen beschlossen. Diese haben das iranische Atomprogramm zumindest verlangsamt. Im besten Fall wird die iranische Führung sogar von der Atomwaffenoption ablassen, um die Sanktionen loszuwerden. Zugleich führten die sechs Mächte immer wieder Gespräche mit der iranischen Seite. Den Europäern gelang es in diesem komplizierten Prozess, weitgehend mit einer Stimme zu sprechen. Der Hohe Beauftragte der EU für die Außen- und Sicherheitspolitik, erst Javier Solana, jetzt Catherine Ashton, koordiniert die E-3 plus 3 sogar und tritt gegenüber Iran als Verhandlungsführer auf.

Scheitert Europa, scheitert die diplomatische Lösung des Konflikts mit dem Iran

Ohne die von den Europäern forcierte internationale Koalitionsbildung bestünde heute nicht einmal die Hoffnung auf eine diplomatische Lösung des Atomkonflikts. Womöglich hätte Iran mangels internationaler Geschlossenheit die Bombe heute schon. Oder Washington wäre militärisch dagegen vorgegangen – und Teheran hätte anschließend sein Atomprogramm erst recht beschleunigt.

Der Autor leitet den Think Tank am Center for Security Studies der ETH Zürich.

Oliver Thränert

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