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In Berlins „Station“: FDP-Chef Lindner während seiner etwa eineinhalbstündigen Rede am Freitagnachmittag.

© IMAGO/Achille Abboud

Parteitag der Liberalen: Es gibt noch lange keinen Grund, der FDP das Totenglöcklein zu läuten

Der FDP-Vorsitzende attackiert nicht etwa seine einstigen Lieblingsfeinde, die Grünen. Nein, polemisch widmet er sich vielmehr der konservativen Konkurrenz.

Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Es ist schon bemerkenswert, wen Christian Lindner wenige Stunden vor seiner erneuten Kandidatur für den FDP-Vorsitz attackierte und wen er schonte. Wer erwartete, der Parteichef werde sich am grünen Koalitionspartner abarbeiten oder gar den Zoff innerhalb der Bundesregierung weitertreiben, sah sich getäuscht. Insgesamt pflegte Lindner am Freitag eine Rhetorik wie man sie von ihm auf Parteitagen kaum kennt.

Lindner beschwor bei der Energieversorgung die „Funktionsfähigkeit von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft“, pries Deutschlands Leistungen und weltweite Verantwortung, was im Ausland stärker gewürdigt werde als hierzulande.

Der FDP-Chef widmete sich ausgiebig der Außenpolitik, sprach mit der Sprache eines westlichen Staatsmannes über Russlands Krieg gegen die Ukraine, hob den Besuch von Bildungsministerin Stark-Watzinger in Taiwan hervor und nannte China einen „systemischen Rivalen“.

Gegen deutsche „Samtpfötigkeit“

Niemals dürfe sich Deutschland „für gute Geschäfte liberale Werte abkaufen lassen“, forderte Lindner, und beklagte eine einstige deutsche „Samtpfötigkeit“ im Umgang mit China. (Angela Merkel nannte er nicht, ebenso wenig den gegenwärtigen BASF-Chef. Auch seine letzte persönliche Parteitagsrede 2019 am selben Ort ließ er unerwähnt. Wir erinnern uns: Lindner begann sie damals auf Chinesisch, während hinter ihm auf riesigen Lettern, in FDP-Gelb, das chinesische Wort „Wirtschaftspolitik“ prangte.)

Bei so viel verbalem Engagement für die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik Lindners stellt sich die Frage: War es eigentlich ein kluger Schachzug der FDP, bei den Koalitionsverhandlungen 2021 all diese Zuständigkeiten SPD und Grünen zu überlassen?

Einpeitscher und Außenstürmer? Das war einmal

Ruhig, sachlich, ohne jede Polemik machte Lindner seine Punkte, bei denen es Dissens in der Koalition gibt, Stichworte Heizungsmodernisierung oder Kindersicherung. Lindner als Einpeitscher und Außenstürmer? Das war einmal.

Wie Lindner das parlamentarische Verfahren bei der Gesetzgebung oder die Funktionsweise einer Koalition darlegte, klang er fast wie ein Gemeinschaftskundelehrer. Regieren macht eben Spaß. Etwas arg oft und bedeutungsschwanger verwies er auf seine Teilnahme bei Tagungen des Internationalen Währungsfonds „in Washington“.

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Da Lindner auf seinen einst beißenden Spott weitgehend verzichtete, war umso interessanter wer Opfer seiner scharfen Zunge wurde, wenn er sie noch einmal zeigte: Das waren nicht etwa Robert Habeck oder Annalena Baerbock ab, sondern Markus Söder und die Unionsparteien.

Der bayerische Ministerpräsident habe in der Pandemie gar verboten, Bäume zu umarmen, behauptete Lindner. „Södern“ stehe in Bayern für „Politik nach Laune, Stimmung und Tageszeit“.

Der CSU-Chef regiere nach dem Motto „Tarnen, Tricksen, Täuschen“. Erkennbar erfreut und maliziös widmete er sich den jüngsten steuerpolitischen Ideen aus der CDU, also einer Erbschaftsteuer und einem höheren, später greifenden Spitzensteuersatz. Im Alarm-Ton beschrieb Lindner die Folgen einer solchen Politik, etwa für den Mittelstand.

Hier also wittert die FDP ein „Alleinstellungsmerkmal“, wie Lindner es selbst nannte. In der Tat strategisch gar nicht übel für die Liberalen, zumal aus einer Regierung mit SPD und Grünen heraus. Es gibt noch lange keinen Grund, der FDP das Totenglöcklein zu läuten.

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