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Erstmal zu Hause bleiben: Das Elterngeld ermöglicht vielen Paaren einen verhältnismäßig entspannten Start ins Leben mit Kind.

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Streit um Elterngeld: Es geht um noch mehr Geld, als ohnehin schon nicht da ist

Beim Thema Elterngeld geht Familienministerin Paus zu hemdsärmelig vor. Und eine große Ungerechtigkeit droht im Streit um die Gutverdienenden in Vergessenheit zu geraten.

Ein Kommentar von Karin Christmann

Eigentlich könnten sie sich doch einig sein: In der Familien- und Gesellschaftspolitik vereint die drei Ampelparteien mehr als sie trennt. Eigentlich. Im Detail nämlich ist es doch oft ganz anders. Der seit Monaten erbittert ausgetragene Konflikt um die Kindergrundsicherung ist noch nicht endgültig befriedet, da muss nun auch noch in Sachen Elterngeld eine Lösung gefunden werden.

Die grüne Familienministerin Lisa Paus will Gut- und Bestensverdienenden mit einem gemeinsamen Bruttojahreseinkommen ab 180.000 Euro das Elterngeld ersatzlos streichen. Der Protest der Betroffenen war in den vergangenen Monaten gewaltig, und die FDP erkannte quasi sofort: So geht es nicht.

Angesichts von Umfragewerten, die seit neuestem unter der Fünf-Prozent-Hürde liegen, ist es kein Wunder, dass die Liberalen an dieser Stelle Ernst machen. Hinter jeder empörten werdenden Mutter und jedem Vater, die eine Mail schreiben, stehen Eltern, Geschwister, Freundinnen. Die Zahl der Wählerinnen und Wähler, die vergrault werden könnten, ist groß.

Die Monate 13 und 14 sind entscheidend

In ihrer Reaktion aber schüttet die FDP das sprichwörtliche Kind mit der Babybadewanne aus. Allen Familien den Anspruch von 14 auf 12 Monate zusammenzustreichen, damit den besonders gut Situierten nichts weggenommen werden muss, das kann einfach nicht die beste und gerechteste Idee sein. Gerade die Monate 13 und 14 sind in der Praxis enorm wichtig. Wenn nach dem ersten Geburtstag des Kindes beide Elternteile in den Beruf zurückkehren, findet genau in diesen Wochen die Kita-Eingewöhnung statt.

Es sollte also eine andere Lösung her. Und da lohnt es sich, das Thema Elterngeld noch einmal im Großen und Ganzen zu betrachten. Denn mit manchen Argumenten haben die Liberalen absolut recht. Idee des Elterngelds war es einmal, Paaren die Entscheidung für die Familiengründung zu erleichtern, indem das entgangene Gehalt in Teilen ersetzt wird.

Daraus geworden sind in der Praxis, und zwar gerade bei Besserverdienenden, oft lange gemeinsame Urlaube unter Palmen, großzügig vom Staat bezuschusst. Es ist also in Zeiten leerer Kassen (und wann gäbe es je andere Zeiten) vertretbar, die Möglichkeit zu streichen, dass beide Elternteile gleichzeitig Elterngeld beziehen. So hat die FDP es mit bestimmten Ausnahmen vorgeschlagen.

Vielleicht wird aber auch im Streit um die Einkommensgrenze zu unflexibel gedacht. Um Paare mit mehr als 150.000 Euro zu versteuerndem Einkommen geht es, was rund 180.000 Euro brutto entspricht. Das kann aber ganz unterschiedliche Konstellationen meinen: Es ist etwas anderes, ob jeder Elternteil bisher 90.000 Euro brutto verdient hat und davon künftig eine Hälfte ersatzlos wegfällt. Oder ob zum Beispiel der Vater weiterhin 140.000 Euro brutto verdient und die 40.000 Euro der Mutter ersatzlos wegfallen.

Übrigens bleibt eine große Ungerechtigkeit beim Thema Elterngeld, von der Öffentlichkeit bisher weitgehend unbemerkt. Das Elterngeld richtet sich prozentual nach dem bisherigen Verdienst, ist aber auf 1800 Euro gedeckelt. Dieser Betrag ist nie erhöht worden, seit die Leistung zum Jahresbeginn 2007 eingeführt wurde, ebenso wie der Mindestbetrag in Höhe von 300 Euro. Inflation, Krieg, Krisen: Unberührt blieb stets der maximale Elterngeldsatz, als wäre das Leben mit Kindern auf magische Weise seit 16 Jahren gleich teuer.

„Wir werden den Basis- und Höchstbetrag beim Elterngeld dynamisieren.“ Dieser Satz steht weitgehend unbeachtet im Koalitionsvertrag der Ampel herum. Ihn in die Tat umzusetzen, würde noch mehr Geld kosten, als ohnehin schon nicht da ist.

Das passt zu der Hemdsärmeligkeit, mit der Familienministerin Paus bei ihrem Streichvorschlag vorgeht. Worauf auch immer man sich einigt: Es ist inakzeptabel, das Elterngeld für Menschen mit hohem Einkommen schon ab Januar zu streichen, wenn im Oktober die politische Debatte noch läuft. Bestandsschutz ist ein Grundprinzip allen staatlichen Handelns.

Als Paus’ Idee im Sommer öffentlich wurde, waren manche Frauen, die sie betreffen würde, längst schwanger. Es ist ein Taschenspielertrick, die Tatsache auszunutzen, dass eine Schwangerschaft nun einmal neun Monate dauert. Und es ist politisch unanständig, den Paaren de facto nachträglich den Anspruch zu streichen.

Familienplanung ist auch kein Thema, bei dem Menschen sich innerhalb von Tagen in die eine oder andere Richtung spontan umentscheiden. Fair wäre: Sobald die Koalition eine gemeinsame Entscheidung getroffen hat, tritt jede Verschlechterung frühestens ein Jahr später in Kraft.

Aber klar, für so viel politischen Anstand fehlt das Geld. Es ist schade, dass die Familienfachleute der Koalition sich streiten müssen, welchen Eltern sich noch am ehesten Geld wegnehmen lässt. Unter den sehr gut Situierten gibt es sicher Paare, denen das Elterngeld vertretbar gestrichen werden könnte. Aber im Grunde haben die Familienpolitikerinnen und -politiker alle miteinander recht: Das Elterngeld ist insgesamt der falsche Budgetposten für Sparmaßnahmen.

Es gibt viele Stellen, wo der Staat Geld viel weniger sinnvoll einsetzt, angefangen bei vielen Posten auf der langen Liste umweltschädlicher Subventionen. Auf diese Stellen sollte der Blick sich richten.

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