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Menschen werden im Mittelmeer von privaten Seenotrettern aus dem Wasser gerettet.

© dpa/Right Livelihood Foundation

Ampel-Koalition will klarstellen : Seenotretter sollen nicht als Schleuser bestraft werden

Besonders SPD und Grüne fürchten eine ungewollte Kriminalisierung der Seenotrettung durch das Bundesinnenministerium. Eine Klarstellung in der Gesetzesbegründung könnte die Gefahr lindern.

Die Ampel-Koalition will die Sorgen vor einer Kriminalisierung der Seenotrettung im Mittelmeer ausräumen.

Die drei Koalitionsparteien zeigten sich am Mittwoch nach einem Treffen der zuständigen Fachpolitiker offen für eine entsprechende Klarstellung im Rückführungspaket von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) – etwa in der Begründung des Gesetzes. Darauf dringen insbesondere die Grünen, zivilgesellschaftliche Gruppen, aber auch Teile der SPD. Teilnehmer sprachen von „guten Gesprächen“.

Filiz Polat, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, sagte dem Tagesspiegel: „Die Koalition ist sich einig darin, dass Seenotrettung nicht behindert werden darf.“

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Dies gelte auch für den Gesetzentwurf der Innenministerin. „Denn Menschen, die lebensrettende Hilfe leisten, dürfen nicht Gefahr laufen, dafür belangt zu werden“, sagte Polat. Die Gesetzesänderung schaffe „große Unsicherheit für Engagierte in der Seenotrettung“.

Bundesinnenministerium weist Sorgen zurück

Anfang November hatte eine im Rückführungspaket enthaltene Änderung des Paragrafen 96 des Aufenthaltsgesetzes unter Flüchtlingsorganisationen und Politikern der Koalition für Aufregung gesorgt. Mit der Änderung sollen Schleuser künftig härter bestraft werden können und das auch dann, wenn sie kein finanzielles Interesse an der Schleusung in die Europäische Union verfolgen.

Bestraft werden könnte dann bereits, wer „Ausländern dabei hilft, ohne Visum in die EU einzureisen“, und zwar „wiederholt oder zugunsten von mehreren Ausländern“. Ist davon auch die Seenotrettung betroffen?

Das Bundesinnenministerium (BMI) widerspricht dieser Rechtsauffassung. Man teile dies „ausdrücklich nicht“, teilte ein Sprecher auf Tagesspiegel-Anfrage mit.

„Soweit es überhaupt in Betracht käme, dass Handlungen, die notwendig sind, um Gefahren für Rechtsgüter des irregulär Einreisenden abzuwenden, tatbestandlich sein könnten, wäre Seenotrettung dann strafrechtlich gerechtfertigt nach Paragraf 34 des Strafgesetzbuches.“ Dieser rechtfertige durch die Notrettung der Menschen auch andere Vergehen.

Wer allerdings systematisch und im Geheimen Personen über das Mittelmeer in die EU bringen will, ohne die Behörden einzubeziehen, der gehört auch ohne ein finanzielles Eigeninteresse bestraft.

Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion

Stephan Thomae, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, teilt die Rechtsauffassung des BMI. Der FDP-Politiker geht noch einen Schritt weiter: „Der Straftatbestand der Schleusung ist in dem Fall überhaupt nicht erfüllt. Wer Menschen aus Seenot rettet und an europäischen Häfen den Behörden übergibt, begeht per definitionem keine Schleusung“, sagte Thomae dem Tagesspiegel.

Auch FDP grundsätzlich offen für Klarstellung

Der FDP-Politiker betonte aber: „Wer allerdings systematisch und im Geheimen Personen über das Mittelmeer in die EU bringen will, ohne die Behörden einzubeziehen, der gehört auch ohne ein finanzielles Eigeninteresse bestraft.“ Diese Regelungslücke wolle man schließen. Allerdings wird sich auch die FDP nach Tagesspiegel-Informationen einer Klarstellung in der Gesetzesbegründung nicht verschließen.

Es braucht dringend Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.

Doreen Denstädt, Justizministerin in Thüringen (Grüne)

„Ich habe diese ganze Debatte nicht verstanden“, sagte der Vize-Fraktionschef der SPD-Bundestagsfraktion, Dirk Wiese. Für ihn habe nie die Gefahr einer Kriminalisierung der Seenotretter bestanden. Das sei auch nicht die Absicht gewesen. Allerdings werde man dies in der Begründung des Gesetzes „nachschärfen“, sagte Wiese zu.

Erst am vergangenen Wochenende hatten 55 zivile Organisationen wie „Ärzte ohne Grenzen“ die Bundesregierung erneut aufgefordert, die geplanten Änderungen im Aufenthaltsgesetz zurückzuziehen. Diese würden die Grundlage schaffen, Seenotrettung als lebensrettende humanitäre Hilfe zu verhindern.

„Die Regelung ist potenziell geeignet, zivile Seenotrettung auszuhebeln“, mahnt auch die thüringische Justizministerin Doreen Denstädt (Grüne). Auch Anwaltsorganisationen würden sich gegen diese Änderung stellen. „Wir sollten einmal mehr auf die Praktiker hören und die vielen sinnvollen Stellungnahmen zur Änderung des Paragrafen 96 im Aufenthaltsgesetz berücksichtigen“, sagte Denstädt dem Tagesspiegel. „Es braucht dringend Rechtsklarheit und Rechtssicherheit.“

Das vom Bundeskabinett beschlossene Gesetz soll am Donnerstag in das parlamentarische Verfahren eingebracht werden. In dieser Zeit sind noch Änderungen möglich. Auch eine Experten-Anhörung im Innenausschuss des Bundestags ist noch geplant.

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