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Stolz präsentiert Wirtschaftsminister Habeck die neue Klimaschutz-Prognose.

© dpa/Carsten Koall

Aufatmen bei Minister Habeck: Warum Deutschland beim Klimaschutz plötzlich auf Kurs ist

Das Umweltbundesamt geht erstmals von der Einhaltung der Klimaziele bis 2030 aus. Minister Habeck führt das auf seine Politik zurück. Bei Greenpeace hält man die Euphorie für verfehlt.

Für Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist es eine Art Durchbruch. Das Umweltbundesamt (UBA) sieht Deutschland beim Klimaschutz erstmals auf Kurs. „Die Klimaziele 2030 sind in Sicht“, sagte UBA-Präsident Dirk Messner am Freitagmorgen.

Laut der jüngsten Projektionsdaten seiner Behörde wird Deutschland bis zum Jahr 2030 insgesamt 47 Millionen Tonnen weniger Treibhausgas in die Atmosphäre ausstoßen als es das auf den Pariser Klimazielen aufbauende Klimaschutzgesetz zulässt.

Zur Vorstellung der Projektionsdaten war deshalb auch der Wirtschaftsminister gekommen. Den Erfolg reklamierte Habeck allerdings nicht allein für sich: Es sei mit Angela Merkel eine CDU-Bundeskanzlerin gewesen, die die ambitionierten Ziele festgeschrieben habe, sagte der Grünenpolitiker. Und die Umsetzung sei nun einer Koalition von SPD, Grünen und FDP gelungen.

Die Klimakrise beschleunigt sich und zugleich gerät Klimaschutz immer mehr unter Druck.

Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Für Habeck ist Messners Prognose die vielleicht beste Nachricht, seit er in diesem Amt ist. Und Habeck versuchte, den guten Moment zu nutzen, um die derzeitige Polarisierung beim Thema Klimaschutzpolitik anzusprechen. Man erlebe derzeit eine paradoxe Entwicklung, sagte er. „Die Klimakrise beschleunigt sich und zugleich gerät Klimaschutz immer mehr unter Druck.“

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Dass das Umweltbundesamt nun eine Einhaltung der Klimaziele prognostiziert, kommt für Beobachter überraschend. Im vergangenen Jahr war die Behörde noch davon ausgegangen, dass Deutschland seine Klimaschutzziele bis zum Jahr 2030 um 200 bis 300 Millionen Tonnen CO₂ verfehlen wird – eine Abweichung um rund 20 Prozent.

Boom bei den erneuerbaren Energien

Den plötzlichen „Turn Around“ führen Messner und Habeck unter anderem auf den deutlich beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien zurück. Die Bereiche Energie und Industrie werden ihre Ziele dadurch übererfüllen, was einen zu hohen CO₂-Ausschuss im Gebäude- und Verkehrssektor mehr als kompensiert.

Insbesondere im Gebäudesektor sieht Messner aber auch positive Entwicklungen. Weil die Bundesregierung das Heizungsgesetz beschlossen hat, das langfristig zum Einbau klimafreundlicher Heizungen verpflichtet, erwartet Messner eine deutliche Reduktion der Emissionen.

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Im Verkehrssektor bleibt die Lücke mit rund 180 Millionen Tonnen CO₂-Ausstoß zu viel hingegen groß. Habeck verwies trotzdem auch im Verantwortungsbereich von FDP-Minister Volker Wissing auf einen Fortschritt. Der CO₂-Preis bei der Lkw-Maut mache sich sehr positiv bemerkbar, sagte er.

Energieintensive Industrie produziert weniger

Im vergangenen Jahr erlebte Deutschland nach Berechnungen des Umweltbundesamtes den größten Rückgang der Emissionen seit 1990. Hierzulande wurden demnach 673 Millionen Tonnen Treibhausgas freigesetzt – 76 Millionen Tonnen oder 10,1 Prozent weniger als 2022. Damit wurden die Klimaschutzziele erreicht.

Maßgeblich wurde dieser starke Rückgang von der schlechten wirtschaftlichen Lage ausgelöst. Insbesondere energieintensive Industriebetriebe produzierten wegen der stark gestiegenen Energiekosten weniger. Betroffen waren zum Beispiel Chemiefabriken und Stahlwerke.

Deutschland importierte zudem mehr Strom aus dem Ausland. Zugleich gelang es, den Anteil des Kohlestroms zurückzufahren – einerseits durch Importe, andererseits durch mehr Gasverstromung. Wegen eines milden Winters und gestiegener Preise heizten die Deutschen auch weniger.

Dass Deutschland bei den Klimazielen nun auf Kurs ist, sei aber nicht auf eine schlechte wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen, sagte Habeck. Für das Jahr 2023 enthalte die Bilanz tatsächlich Licht und Schatten. Für die kommenden Jahre rechne die Bundesregierung wieder mit einem deutlichen Wachstum. Trotzdem werde man die Klimaziele erreichen.

Habeck: Keine weiteren Maßnahmen

Bei Amtsantritt sei die Klimaschutzlücke mit 1100 Millionen Tonnen riesig gewesen, erklärte Habeck. „Und jetzt können wir die Lücke schließen, wenn wir weiter intensiv daran arbeiten, die notwendigen Maßnahmen umzusetzen.“ Wenn die Umsetzung gelinge, „sind wir durch“, sagte der Grünenpolitiker. Zusätzliche Maßnahmen seien nicht nötig.

Habeck sieht deshalb auch die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes inzwischen gelassen. Bereits im vergangenen Sommer hatte sich die Bundesregierung geeinigt, keine Ziele mehr für die einzelnen klimarelevanten Wirtschaftssektoren festzuschreiben. Vor allem Verkehrsminister Wissing soll dadurch entlastet werden. Noch immer aber streiten die Regierungsfraktionen über die Umsetzung der Gesetzesreform.

Niemand darf eine kriselnde Wirtschaft mit Klimaschutz verwechseln.

 Martin Kaiser, geschäftsführender Vorstand von Greenpeace Deutschland

Umweltverbände kritisieren die geplante Reform weiter scharf. „Die massive Klimalücke im Verkehrssektor ist das logische Ergebnis einer Politik, die Technikgläubigkeit und fossilen Lobbyismus über Wissenschaft und Rationalität stellt“, sagte Kai Niebert, Präsident des Umweltdachverbands Deutscher Naturschutzring (DNR).

Im vergangenen Jahr sei das Gesamtziel beim Klimaschutz nur erreicht worden, „da durch multiple Krisen unsere industrielle Wertschöpfung eingebrochen ist und somit auch die Emissionen kurzfristig sanken“, sagte Niebert. Die Betrachtung einzelner Sektoren bleibe wichtig: „Eine Gesamtbetrachtung der Emissionen kann das Versagen einzelner Ministerien kaschieren und die mittel- bis langfristige Erreichung der Klimaziele verhindern.“

Auch bei Greenpeace hält man Habecks Euphorie für verfehlt. „Niemand darf eine kriselnde Wirtschaft mit Klimaschutz verwechseln“, sagte der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser. Die Produktionsrückgänge in der energieintensiven Industrie verschafften der Bundesregierung klimapolitisch eine Verschnaufpause. Kaiser hält die vermeintlich guten Nachrichten allerdings für trügerisch. Der von Habeck ausgelöste Solarboom könne auf Dauer nicht das anhaltend schlechte Abschneiden im Verkehr wettmachen.

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