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Aktivisten von Extinction Rebellion während der Klima-Demonstration im September in Berlin.

© imago images/Bildgehege

Blockaden von Extinction Rebellion: Wie radikal werden die Klimaaktivisten?

Den Aktivisten von Extinction Rebellion gehen Demonstrationen wie „Fridays for Future“ nicht weit genug. Bald wollen sie Berlin und andere Städte blockieren.

Teile der Klimabewegung wollen es nicht mehr bei den Freitagsdemonstrationen belassen. Gruppierungen wie Extinction Rebellion rufen zur Verkehrsblockade in Städten auf. Berlin und andere Metropolen werden von den Aktivisten seit Montag bestreikt. In Berlin legten Demonstranten am Montag den Großen Stern und den Potsdamer Platz lahm. Weitere proteste sind angekündigt.

Wer sind die Aktivisten und was fordern sie?
Extinction Rebellion – übersetzt etwa „Rebellion gegen das Aussterben“ – ist eine internationale Bewegung, die nach eigenen Angaben mit zivilem Widerstand die Regierungen dazu drängen will, den ökologischen Notstand zu erklären. Die Regierungen müssten Entscheidungen treffen, damit die vom Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgas „bis 2025 auf Netto-Null“ gesenkt werden. „Wir sind bereit, uns verhaften zu lassen und ins Gefängnis zu gehen“, wird auf der Web-Seite der deutschen Abteilung von von Extinction Rebellion versichert.

Sechs Aktivisten der Gruppe haben am Montag die Parteizentrale der Linken in Berlin symbolisch besetzt – und damit das Hauptquartier der Partei, von der die Gruppe selbst sagt, sie habe „die ambitioniertesten Klimaschutzziele aller Parteien – aber selbst das ist nicht genug“. Die Linke bot den Aktivisten ein Podium. Während einer Pressekonferenz erklärten diese, sie wollten politisch und auf der Straße mehr Druck auf handlungsunwillige Regierungen aufbauen.

Die Aktivisten verlangen, dass die Linke in den Landesregierungen mit ihrer Beteiligung, etwa in Berlin, „Vorzeigemodelle“ für den Klimaschutz erarbeiten solle – als Gegenstück zum „unfassbar mickrigen Klima-Päckchen“, das die Bundesregierung geschnürt habe.

Wo ist die Grenze zwischen zivilem Ungehorsam und Rechtsbruch?
Das Recht auf Versammlungsfreiheit ist so bedeutsam, dass eine Versammlung nicht extra erlaubt werden muss. Die Polizei hat die Aufgabe, eine Versammlung zu schützen, auch vor nicht angemeldeten Gegendemonstranten. Auch so genannte spontane Versammlungen sind durch das Versammlungsrecht grundsätzlich geschützt. Es muss lediglich klar erkennbar sein, dass sie „der Meinungsbildung dient“. Das kann durch Plakate, Transparente oder Parolen passieren, die ein klar erkennbares Ziel haben.

Allerdings gilt hier nach Angaben der Juristin Karla Vogt-Röller das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Theoretisch können zehn Demonstranten auf die Fahrbahnen am Großen Stern demonstrieren und den Verkehr lahmlegen. Dann aber werde die Polizei diese bitten, ihre Demo am Straßenrand abzuhalten, denn auf der Straße greifen sie in die Rechte der Autofahrer ein.

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Sollte die Zahl der Demonstranten allerdings erheblich höher liegen – eine festgelegte Zahl gibt es nicht –, dann wäre das Recht auf Versammlungsfreiheit stärker als die Rechte der Autofahrer. Die Polizei wird immer dann aufgrund des Polizeirechts eingreifen, wenn bei der Versammlung gegen Gesetze verstoßen wird. Das können Gewalttaten, Nötigung oder andere Delikte sein.

Was sagen Polizei und Sicherheitsbehörden zu den angekündigten Protesten?
Bislang handelt Extinction Rebellion gewaltlos, auch die Vorbereitungen auf die „Rebellion Wave“ ab dem 7. Oktober laufen in Abstimmung mit der Berliner Polizei. Weil die Aktivisten angekündigt hatten unter anderem zentrale Plätze, Straßen oder Brücken zu blockieren, bereite sich die Polizei entsprechend auf spontane, dezentrale Aktionen vor.

Auch die Flughäfen und Verkehrsbetriebe stehen in engem Austausch mit der Polizei. In der Vergangenheit hatten die Aktivisten unter anderem versucht, mit Drohnen den Luftverkehr lahmzulegen.

[Mehr zum Thema: Mit ihrem Protest gefährdet Extinction Rebellion den Klimakonsens]

Dass sich gewaltbereite Gruppierungen aus dem linksextremen Spektrum an die „Rebellion Wave“ anhängen sei eher nicht zu erwarten, heißt es aus Sicherheitskreisen. Den Linksextremen ist Extinction Rebellion zu lasch. Umgekehrt hatten sich deren Aktivisten immer wieder von linksextremen Protestformen distanziert. Aktionen von Trittbrettfahrern wie der Brandanschlag der „Vulkangruppe OK“ auf die S-Bahn könnten dennoch nicht ausgeschlossen werden.

Wie schätzen Jugendforscher die neue Entwicklung ein?
Die Klima-Bewegung war bisher ganz überwiegend in der Hand von Schülerinnen und Schülern, die sehr konstruktiv mit ihrem Protest umgegangen sind, sagt Jugendforscher Klaus Hurrelmann dem Tagesspiegel. „Sehr clever haben die Fridays for Future nur eine Grenze überschritten, nämlich freitags die Schulpflicht zu verletzen. Doch mit ihrer absoluten Forderung, die Bundesregierung müsse jetzt sofort die Pariser Klimaziele einhalten, haben sich die Klimaaktivisten selber unter Zugzwang gesetzt.“

Was bedeutet eine Radikalisierung für die Akzeptanz der Klimabewegung in der Gesellschaft?
Das Aufkommen radikalerer Gruppen wie „Extinction Rebellion“ oder „Ende Gelände“ könne zu einer Aufspaltung von Fridays for Future führen, meint Hurrelmann. „Bisher haben es die Fridays for Future geschafft, radikale Kräfte wegzulächeln und aus ihren Demos abzudrängen“, analysiert der Wissenschaftler und warnt: „Wenn jetzt die Verhältnismäßigkeit der Mittel radikal überdehnt wird, schwindet die breite öffentliche Akzeptanz für die Klimaproteste.“ Nach Hurrelmanns Ansicht würden linksradikale Gruppen nur darauf warten, über ein weithin akzeptiertes Thema wie Klimaschutz auf der Protestwelle mitzureiten.

Wie stehen Berliner Senat und die Opposition zur Verkehrsblockade?
In der Berliner Koalition könnten die angekündigten Blockaden den Streit von Mitte 2018 wiederbeleben. Damals hatten Greenpeace-Aktivisten den Großen Stern in gelbe Farbe getaucht. Umweltsenatorin Regine Günther (Grüne) sprach von einer „spektakulären Aktion“, die – solange niemand in Gefahr gebracht werde – ein legitimes Mittel zur Sensibilisierung Öffentlichkeit sein könne. Daraufhin sah sich Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) zu einer Klarstellung genötigt und erklärte: „Es gibt glücklichere Aktionen als diese, die da stattgefunden hat am Großen Stern.“

Kai Wegner, Landeschef der oppositionellen CDU, warnte die Fridays for Future-Bewegung vor einer Radikalisierung. Diese hätten durch ihr bisheriges Auftreten „sehr viele Sympathien gewonnen und einiges bewegt, bis hinein in den Bundestag“, erklärte Wegner. Sollte es nun eine Radikalisierung der Proteste geben, könnte das dem eigentlichen Anliegen einen Bärendienst erweisen. „Diese Radikalisierung darf nicht stattfinden, mit Blockaden und Gesetzesverstößen lassen sich keine Ziele erreichen“, erklärte Wegner weiter. Er forderte den Senat auf, die angekündigten Blockaden zu unterbinden.

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