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Matthias Platzeck regierte Brandenburg von 2002 bis 2013. Er war auch kurzzeitig SPD-Bundesvorsitzender.

© imago images / Robert Michael

Brandenburgs Ex-Regierungschef Platzeck warnt: „Die Ablehnung etablierter Parteien wirkt demokratiezersetzend“

SPD-Politiker Matthias Platzeck leitet die Kommission „30 Jahre Einheit und friedliche Revolution“. In Ostdeutschland sieht er eine gefährliche Tendenz.

Der ehemalige langjährige Ministerpräsident Brandenburgs, Matthias Platzeck (SPD), hat vor der Landtagswahl in Brandenburg und Sachsen vor einer "demokratiezersetzenden" Situation durch die sich vor allem in Ostdeutschland radikalisierende Gesellschaft gewarnt.

Dem Tagesspiegel sagte er in einem Gespräch in der Uckermark, wo er nach Potsdam-Babelsberg seinen zweiten Wohnsitz hat: „Die in Ostdeutschland oft zu spürende Ablehnung etablierter Parteien ist gefährlich und wirkt demokratiezersetzend.“

Er betonte, dass nach seiner Ansicht ein Teil der Erklärung kann darin liege, dass die Summe der Ereignisse wohl zu viel für eine Generation gewesen sei: "Zusammenbruch nach 1990, Finanz- und Wirtschaftskrise 2008, Flüchtlingskrise 2015 und dazu der Wegzug hunderttausender junger Menschen in den Westen. Das alles zusammen hat das Vertrauen in die Fähigkeit des Staates und der Volksparteien erschüttert.“

"Unsere Haltung muss sein: Wir geben da nicht auf. Wir kämpfen"

Platzeck, der im Dezember 66 Jahre alt wird, war Vorsitzender der Kohlekommission, und ist nun auch Vorsitzender der von der Bundesregierung eingesetzten Kommission "30 Jahre Einheit und friedliche Revolution". In dieser Funktion macht sich Platzeck Gedanken, wie man den wachsenden Vorurteilen zwischen Ost und West begegnen kann. Statt ein Jahr des staatlichen Feierns auszurufen, will er lieber neue Begegnungen schaffen und dafür beispielsweise die alten Städtepartnerschaften in Ost und West wiederbeleben.

Er selbst hat zudem während der Wahlkämpfe vor allem in Sachsen und Thüringen erlebt, wie auch seine Partei unter der wachsenden Ablehnung der Volksparteien und des Staates zu leiden hat. An die Adresse seiner SPD gerichtet sagte er: „Wir dürfen nicht taub oder blind sein dafür, dass man in manchen Orten in Ostdeutschland nicht mehr begründen muss, warum man die AfD unterstützt, wohl aber wenn man zum Beispiel in der SPD ist. Dieser teils deutliche Kulturwandel muss uns berühren, darf uns aber nicht entmutigen. Unsere Haltung muss sein: Wir geben da nicht auf. Wir kämpfen."

Platzeck verwies auf Sisyphos, der nach seinem Wissen "ein glücklicher Mensch war", weil er gefunden habe, dass er das Richtige getan habe. "Soziale Demokratie ist nun mal kein Zustand, sondern eine täglich neue Aufgabe. Also ran an die Kugel."

Deichgraf. Umweltminister Matthias Platzeck 1997 beim dramatischen Oderhochwasser.
Deichgraf. Umweltminister Matthias Platzeck 1997 beim dramatischen Oderhochwasser.

© Kay Nietfeld/dpa

Am kommenden Sonntag wird in Sachsen und in Brandenburg ein neuer Landtag gewählt, Ende Oktober auch in Thüringen. In der bisher letzten Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen liegt die SPD in Brandenburg, wo Platzeck von 1990 bis 2013 in verschiedenen Ämtern als Minister, Oberbürgermeister und Ministerpräsident arbeitete, zwar nach langer Zeit wieder vorn, dennoch kann sich die Partei nicht sicher sein, ihre Regierungsmacht zu behalten, die sie seit 1990 besitzt.

Nach wie vor ist es möglich, dass die AfD stärkste Partei im Land wird und somit eine Regierungsbildung der etablierten Parteien erschwert wird. In seinem Appell an die eigenen Genossen sagte Platzeck auch: „Die Angst vor Verlusten darf und wird die SPD nicht lähmen. Dann werden wir in Brandenburg gewinnen."

Er fügte hinzu: "Dietmar Woidke und die ganze Mannschaft werden die Bürgerinnen und Bürger auch in dieser letzten Woche noch einmal herzlich einladen, heraus zu kommen zu uns auf die Plätze, um zu reden, um sich zu begegnen. Der Trend der letzten Tage zeigt, ernsthafte Gespräche und ehrliche Antworten ohne falsche Versprechungen zeigen Wirkung.“

Er betonte zugleich, dass „Politik zum Scheitern verurteilt ist, wenn sie nicht den Mut hat, die Sprache der Menschen zu sprechen, sondern schwadroniert“.

Lesen Sie das große Porträt am Montag im Tagesspiegel

Der ehemalige Bundesvorsitzende der SPD, der er 147 Tage vorstand, dann aber aus gesundheitlichen Gründen 2006 zurücktrat, äußerte sich in dem Gespräch auch über die Situation der Bundespartei.

„Natürlich ist die SPD in einer existenziellen Krise, die auch mich nachts umtreibt. Ich will mich aber davon nicht kaputtmachen lassen. Und auch die SPD wird das nicht tun. Denn alle offenen Fragen der Gesellschaft sind doch in Wahrheit sozialdemokratische Fragen. Wir werden gebraucht. Das ist die gute Nachricht.“

Der Tagesspiegel hat Matthias Platzeck in den letzten Wochen mehrfach getroffen. An diesem Montag erscheint auf der Reportageseite ein großes Porträt, das sich vor allem mit Platzecks Rolle als Vermittler in einem sich polarisierenden Deutschland beschäftigt. Im E-Paper können Sie die Geschichte bereits ab 19 Uhr am Sonntagabend finden.

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