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Königin Elizabeth II. während der Eröffnung des Parlaments.

© Tolga Akmen/AFP

Britisches Parlament: Warum Boris Johnson die Queen nicht blamieren kann

Elizabeth II. eröffnet die Sitzungsperiode des Parlaments mit einer Brexit-Rede des Premierministers. Doch das kann ihr die Würde nicht rauben. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Elisabeth Binder

Ganz am Ende von „Her Majesty’s Most Gracious Speech“, mit der die Queen regelmäßig die neue Sitzungsperiode des Parlaments eröffnet, hebt sie ganz leicht die Augenbrauen. Ansonsten hat Elizabeth II. die vom neuen Premierminister Boris Johnson verfasste Ansprache neutral abgelesen. Das Ritual existiert so seit 1852 und lässt ihr wenig Spielraum. Ist es möglich, damit eine Frau zu blamieren, die in den letzten 67 Jahren mit sämtlichen herausragenden Persönlichkeiten der Weltgeschichte zu Tisch gesessen hat? Wohl kaum.

Musterbild an Pflichtbewusstein

Mit 93 Jahren steht die Königin von England für eine Haltung, die dem Rest der Welt mehr und mehr zu entgleiten scheint. Sie ist nicht nur eine globale Ikone mit einer besonderen integrativen Ausstrahlung, sondern auch ein Musterbild an Pflichtbewusstsein. Dass sie eine Brexit-Rede halten muss, bricht ihr keinen Zacken aus der Krone.

Spätestens seit 2017, als sie zu ihrer bislang letzten Thronrede auf dieses Insignium ihrer königlichen Würde zugunsten eines europafreundlichen blauen Hutes mit gelben Blumen verzichtete, kennt die Welt ihre Einstellung. Sie gilt als äußerst kluge Frau mit viel Sinn für Ironie. Seit sie nach dem Tod ihres Vaters 1952 Königin wurde, ist ihre Bildsprache immer wichtiger geworden. Ihre feierliche Krönung war das erste Großereignis, das im damals noch neuen Medium Fernsehen übertragen wurde.

Das Schreckensjahr ist längst vorbei

Am Montag trägt sie Weiß, die Farbe der Unschuld. Man kann sich vorstellen, dass es der Queen angenehmer war, Winston Churchill zu empfangen als Boris Johnson, dass sie es beim Staatsbankett schöner fand, mit John F. Kennedy zu plaudern als mit Donald Trump. Anmerken lassen würde sie sich das nie. Sie hat sich immer peinlich genau an die Regeln gehalten, ganz besonders an die, sich in die Politik nicht einzumischen.

In die Nähe einer Blamage geriet die Königin allenfalls im berühmten „Annus horribilis“, dem Schreckensjahr 1992, als drei ihrer Kinder Schlagzeilen mit Trennungen machten. Damals sah sie sich öffentlicher Kritik ausgesetzt. Diese Zeiten sind vorbei. Heute weckt ihr Anblick Sehnsucht nach Zeiten, als Politiker mehrheitlich klassischen Tugenden anhingen, um mit Anstand ihr Bestes zu geben. Elizabeth II. hat genau das ihr Leben lang getan. Das kann ihr kein Manuskript rauben.

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