zum Hauptinhalt
Robert Habeck und Annalena Baerbock.

© imago images/Sven Simon

„Baerbock ist eine Projektionsfläche“: Schaffen die Grünen eine Wechselstimmung wie einst Macron?

Macron konnte 2017 in Frankreich Erfolg haben, weil das Land bereit war für einen Wechsel. Auch die Grünen mit Annalena Baerbock wollen für den Wandel stehen.

Die Grünen vergleichen sich nicht unbedingt gern mit „La République en Marche“ - jener Partei aus dem liberalen Spektrum, die eine entscheidende Stütze von Emmanuel Macron darstellt. Zu marktliberal mutet für den Grünen vieles aus dem politischen Angebot des französischen Präsidenten an.

Aber in einem Punkt eifern die Grünen Macron in jedem Fall nach: Sie möchten auch in Deutschland eine ähnliche Wechselstimmung wie in Frankreich im Jahr 2017 erzeugen. Seinerzeit gewann der damals 39-jährige Macron die Präsidentschaftswahl vor allem deshalb, weil die Franzosen die Rechtsextreme Marine Le Pen verhindern wollten und von den althergebrachten Parteien die Nase voll hatten.

Auch die 40-jährige Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock präsentiert sich gerne als Kraft des Wandels. „Ich trete an für Erneuerung. Für den Status quo stehen andere“, sagte sie bei ihrer Kür zur designierten grünen Kanzlerkandidatin.

[Abonnenten von T+ lesen hier mehr über das Netzwerk hinter Annalena Baerbock: Von der Aufpasserin bis zum Strippenzieher – das ist die grüne Machtmaschine]

Es gibt noch eine weitere Parallele zwischen den Grünen und Macron: eine klare pro-europäische Ausrichtung. Während Macron allerdings damit in Frankreich im letzten Präsidentschaftswahlkampf fast schon eine Art Alleinstellungsmerkmal hatte, betonen auch die meisten Mitbewerber der Grünen die Bedeutung der EU: Während Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet regelmäßig in seinen Reden den Bogen nach Brüssel spannt, streicht SPD-Frontmann Olaf Scholz seine Mitarbeit am europäischen Corona-Wiederaufbaufonds mit seinem gigantischen Volumen von 750 Milliarden Euro heraus.

Dennoch sieht die europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner, ihre Partei bei der Gestaltung der EU in einer Vorreiterrolle. „Ich würde weder Scholz noch Laschet ein pro-europäisches Ansinnen absprechen“, sagt sie. „Aber man darf nicht nur sonntags Reden für ein stärkeres Europa halten, sondern man muss die Vorschläge montags auch umsetzen.“

Kritik an Laschets Haltung zu China

Nach den Worten von Brantner setzen sich die Grünen anders als die Mitbewerber von der Union und der SPD dafür ein, den europäischen Green Deal konsequent umzusetzen, zum Beispiel auch bei der Landwirtschaft. Hinzu komme, dass die Grünen "im Sinne einer europäischen Energiepolitik" das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ablehnen. Als weiteres Beispiel für einen europapolitischen Schlingerkurs Laschets führt Brantner an, dass es der nordrhein-westfälische Ministerpräsident zugelassen habe, dass in Duisburg Chinas „Neue Seidenstraße“ endet und der Konzern Huawei die Stadt zur Smart-City aufrüsten werde. „Gleichzeitig kritisiert Laschet aber gleichzeitig Chinas Dominanz in Europa. Das ist bigott“, kritisiert die Grünen-Politikerin.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Brantner glaubt auch nicht, dass der von der Union geäußerte Vorwurf, die Grünen strebten in der EU eine „Schuldenunion“ an, im Bundestagswahlkampf zur Achillesferse für die Öko-Partei werden könnte. „Wir müssen die Wirtschafts- und Währungsunion wirklich vollenden und dürfen nicht der Europäischen Zentralbank dabei die ganze Arbeit überlassen“, sagte sie.

Annalena Baerbock, Co-Vorsitzende und Kanzlerkandidatin der Grünen

© Imago/Snapshot/F. Boillot

Allerdings hätten die Grünen weder 2008 während der Finanzkrise eine Vergemeinschaftung der Schulden gefordert, noch sei dies heute die Position der Partei. „Der Union geht es mit diesem Vorwurf darum, notwendige Debatten über die Stärkung des Euro im Keim zu ersticken“, moniert Brantner.

Politikwissenschaftler Jun sieht „diffuse Wechselstimmung“

Der Trierer Politikwissenschaftler Uwe Jun sieht indes eine „diffuse Wechselstimmung“ in Deutschland. Dies liege allerdings nicht so sehr am Europa-Thema, das - sehe man einmal von der Position der AfD ab - in Deutschland viel weniger umstritten sei als in Frankreich. Dennoch betont Jun, dass der Wunsch weit verbreitet sei, „etwas Anderes und Neues zu sehen“ nach 16 Jahren einer CDU-geführten Bundesregierung. Dafür stehe auch die Kanzlerkandidatin Baerbock, und insofern gebe es eine „Ähnlichkeit mit Macron“.

Baerbock sei dabei „eine Projektionsfläche“, wobei aus Sicht der Wählerinnen und Wähler der Grünen klar der Klimaschutz die entscheidende Rolle spiele, analysiert der Politikwissenschaftler. Die Sorge um den Klimaschutz rage „weit in potenzielle CDU-Wählerschichten hinein“, so Jun.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false