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Mit Traktoren blockieren Landwirte die Zufahrt zur Autobahn 8 bei Neuhausen.

© dpa/Bernd Weißbrod

Bundesweite Bauernproteste: Macht mal halblang!

Die Landwirte nutzen ihr Demonstrationsrecht. Aber nach der Entscheidung der Ampelkoalition, die Subventionskürzungen großteils zurückzunehmen, wirkt der Protest überspannt.

Ein Kommentar von Albert Funk

Es gibt reiche Bauern, es gibt arme Bauern. Das war schon immer so. Eine sonderlich homogene Branche ist auch die Landwirtschaft nicht, selbst wenn der Protest, der nun von diesem Montag an über die Republik schwappt, den gegenteiligen Eindruck erwecken soll.

Der Deutsche Bauernverband, der jetzt die Trecker rollen lässt, ist zwar die weitaus größte und mächtigste Interessenvertretung in der Landwirtschaft – aber nicht die einzige.

Und vielleicht auch nicht die am klügsten beratene. Denn es wirkt spätestens seit der Entscheidung der Ampelspitzen, die angekündigten Belastungen bei Kfz-Steuer und Agrardiesel zum größeren Teil doch nicht umzusetzen, schon reichlich überspannt, was die Bauernlobby bundesweit inszeniert.

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Der Blick richtet sich da nicht zuletzt auf den Bauernpräsidenten Joachim Rukwied. Der hat vor drei Wochen einen „heißen Januar“ angekündigt für den Fall, dass die Regierung ihre Pläne nicht ersatzlos streicht, und hinzugefügt, dass die Bauern von diesem Montag an überall präsent sein würden – „in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat“.

Wer den Mund so voll nimmt und eine solche Drohung ausspricht, der setzt sich selbst erheblich unter Erfolgsdruck. Rukwied muss nun schauen, wie er die Situation wieder in den Griff bekommt. Dass am Wochenende selbst die Spitzen von CDU und CSU die protestierenden Landwirte zur Mäßigung aufriefen, galt ja nicht allein der Form des Widerstands. Es ist auch die Maßlosigkeit der ultimativen Forderung, die erschreckt.

Wer so vorgeht, dem steht entweder das Wasser bis zum Kinn – oder er übertreibt. Letzteres anzunehmen, liegt nahe. Und damit riskiert der Bauernverband, was er fürchten sollte: Unverständnis in der breiten Öffentlichkeit. Zumal dann, wenn noch ein Aufruf zur Distanzierung von rechten Umtrieben während der Proteste hinzugefügt werden muss.

Entfremdung zwischen Politik und Landwirtschaft

Es gibt zweifellos Betriebe in der Landwirtschaft, denen die Einschnitte zu schaffen machen werden. Und man kann auch verstehen, dass in einer schwierigen Branche der Unmut über eine Regierung gewachsen ist, die man als feindliche Organisation empfindet.

Aber so groß ist die Zumutung dann doch nicht. Nach der Rechnung eines Agrarökonomen, den die „FAZ“ am Wochenende zitierte, bedeuten die Ampel-Maßnahmen einen Einschnitt von fünf Prozent bei den Subventionen und von zwei bis drei Prozent beim Gewinn. Betriebe in Schwierigkeiten haben dann ein Problem. Aber für den Großteil der Landwirtschaft gilt das nicht.

Proteste von Bauern.
Proteste von Bauern.

© dpa/Bodo Schackow

Sie ist nach einem jahrzehntelangen, vielerorts zweifellos schmerzhaften Strukturwandel eine durchaus potente Branche, die zudem einiges mehr an Beihilfen, Zuschüssen und Kreditvergünstigungen bekommt als andere Sektoren im Mittelstand. Es rumpeln ab Montag auch keine alten Traktoren zu den Orten des Protests, sondern es rollen geschwinde Hightech-Fahrzeuge, die teuer in der Anschaffung sind. Wer da seiner Bank eine wacklige Bilanz vorlegt, bekommt keinen Kredit.

Was sich allerdings auch zeigt, ist eine Entfremdung zwischen einem Teil der Politik und der Landwirtschaft. Denn robust sind ja nicht nur die Proteste, robust war auch das Vorgehen der Ampelspitzen. Seit Horst Seehofer 2005 das Amt des Bundeslandwirtschaftsministers übernahm, hat die Union die Agrarpolitik quasi allein übernommen.

Die SPD hat zu diesem Politikfeld erkennbar keinen Zugang mehr, die Wirtschaftspartei FDP hat ihren vergessen – und die Grünen unterscheiden in der ihnen eigenen Art sehr stark zwischen Freund und Feind auf dem Land, je nach Produktionsweise.

Die breite Mitte schaut derweil ein wenig verständnislos auf das konfrontative Treiben, zumal es Rechtsradikalen Gelegenheit gibt, sich einzumischen. Die Regierenden haben die Sache ebenso verstolpert wie der unglücklich agierende Chef des Bauernverbandes. Man möchte ihnen zurufen: Macht mal halblang. Die Ampel, muss man sagen, hat das getan. Jetzt wären die Landwirte an der Reihe.  

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