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Russlands Präsident Wladimir Putin.

© IMAGO/SNA/IMAGO/Gavriil Grigorov

Nach Putschversuch in Russland: „Putin wird den Krieg noch brutaler machen“

Deutsche Außenpolitiker sehen Wladimir Putin zwar geschwächt, aber noch nicht am Ende seiner Zeit. Sie befürchten, dass er Krieg und Terror nun noch ausweitet.

Extrem zurückhaltend kommentiert die Bundesregierung die Vorgänge in Russland. Nur spärlich äußern sich Bundeskanzleramt und das Auswärtige Amt zu dem am Ende abgebrochenen Aufstand der Wagner-Söldner. Kanzler Olaf Scholz (SPD) nahm am Wochenende keine öffentlichen Termine wahr, Reporterfragen konnte er dadurch vermeiden.

Er telefonierte am Samstag aber mit seinen G-7-Amtskollegen. Zwei Gründe dürfte es für die Zurückhaltung geben, darunter ein Mangel an Informationen. Vorherrschend aber ist wohl Vorsicht – also das Bemühen, die inner-russische Angelegenheit eine inner-russische Angelegenheit zu belassen.

Berlin aber blickt sehr genau auf Moskau, besonders mit Blick auf die Frage, wie der seit 23 Jahren regierende Wladimir Putin noch im Sessel sitzt, wie stabil das Herrschaftssystem des 70-Jährigen noch ist. Außenpolitiker treibt die Frage um, welche Rolle Söldnerführer Jewgeni Prigoschin in Belarus zukommen wird – und wie sich das Chaos in Russland auf den Krieg gegen die Ukraine auswirkt.

Putins ganzes Machtsystem ist instabiler geworden.

Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

„Auch wenn Putin nun die Oberhand behält, hat der Erpressungsversuch Prigoschins gezeigt, wie sehr die Fehlkalkulation in der Ukraine Putin geschwächt hat. Sein ganzes Machtsystem ist instabiler geworden“, sagt Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Was wäre, wenn Russland zerfiele?

Putins Stärke werde auch von der künftigen Popularität Prigoschins abhängen. Schmid verweist darauf, Prigoschin habe mit seiner Anti-Eliten-Rhetorik viel Zustimmung unter den Russen. „Mit seinen Propaganda-Kenntnissen und dem Telegram-Kanal kann er direkt ins Volk, vor allem den Sicherheitsapparat, senden.

Dafür muss er weder einen Fernsehsender besitzen noch besetzen.“ Doch durch seine Ausreise dürfte er an Einfluss und Ansehen verlieren, vermutet Schmid.

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Die Europäer seien daran interessiert, dass die russischen Sicherheitsinstitutionen, die die Atomwaffen kontrollieren, funktionieren, sagte Schmid. Diese Abläufe seien „intakt“, inklusive des roten Telefons zwischen Moskau und Washington. „Das würde sich mit einer Ablösung Putins nicht ändern. Anders wäre es bei einem Zerfall des Landes. Hier stellte sich die Frage: Wer hat die Kontrolle über Armee und Abschussrampen?“

Nach Ansicht von Roderich Kiesewetter, Mitglied der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, ist Putin „stabil, aber geschwächt“. Er stehe am Anfang seines Endes, „doch das Ende ist unvorhersehbar“, sagte der CDU-Politiker dem Tagesspiegel.

Putin müsse jetzt bei seinen Widersachern den Eindruck vermeiden, er sei angeschlagen. „Er muss innenpolitische Stärke zeigen. So wird er den Krieg gegen die Ukraine intensivieren, noch brutaler machen als bislang schon“, vermutet Kiesewetter.

Für Trittin ist die Lage „erheblich besorgniserregend“

„Erheblich besorgniserregend“ nennt es Jürgen Trittin, außenpolitischer Sprecher der Grünen, dass die Atommacht Russland von einer Söldnertruppe erpresst worden sei. „Auf eine solche Eskalation ist niemand vorbereitet, auch nicht die USA“, sagte Trittin dem Tagesspiegel. Ein drohender Bürgerkrieg oder ein Zerfall Russlands sei „eine Dimension, die uns mit Sorge erfüllen muss“.

Wenn in Rostow am Don die Menschen den Wagner-Truppen zujubelten, „stellt das die Legitimation seiner Herrschaft infrage“, sagte Trittin. Putin habe mit seinem eigenen Militär „eine Rechnung offen – schließlich haben sie in der Ukraine aus seiner Sicht versagt, obwohl Putin jahrelang stark in das Militär investiert hat“. Die Eskalation habe Putin „massiv geschadet“.

Putin habe am Samstag Angst gehabt, das habe seine Mimik verraten, ist FDP-Außenpolitiker Ulrich Lechte überzeugt. Er habe sich aber stabilisiert. „Es ist zu befürchten, dass Putin nun sein Terror-Regime ausweitet, um sein Image der Schwäche zu korrigieren“, sagte Lechte dem Tagesspiegel.

Nach Ansicht Lechtes bedeutet der gescheiterte Putsch „das Ende der Wagner-Söldner, wie wir sie kennen“. Lechte beklagte, die Geheimdienste hätten vorab keinen Hinweis auf die Ereignisse gegeben. „Offenbar hatte der BND keinerlei Informationszugang. Das ist in dieser Lage ein erhebliches Defizit, das wir aufklären müssen.“

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