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Olaf Scholz (m) mit Stephan Weil (li.) und Boris Rhein (re.): Uneinigkeit bei den Ministerpräsidenten

© dpa/Flashpic/Jens Krick

Beschlüsse der Bund-Länder-Runde: Wem sie zu weit gehen – und wem nicht weit genug

In einer nächtlichen Marathonsitzung haben sich Bund und Länder auf weitreichende Maßnahmen zur Migration verständigt. Vor allem für Bundeskanzler Olaf Scholz war diese Einigung eine Erleichterung. 

Als Olaf Scholz mitten in der Nacht zur Pressekonferenz lädt, sieht er leise zufrieden aus. Er beginnt nicht mit dem Durchbruch, den Bund und Länder in dieser Nacht miteinander in der Frage der Finanzierung für Asylbewerber errungen haben, sondern mit der Planungsbeschleunigung.

Dann sagt er, es sei auch in der Migrationspolitik gelungen, „ruhig und freundlich miteinander zu beraten und ein gemeinsames Ergebnis zu erzielen“.

Für Scholz ist das Ergebnis der Nacht eine Erleichterung. Seit Wochen schießt die größte Oppositionspartei, die CDU, gegen die Migrationspolitik seiner Regierung. Die Gesetze seien nicht scharf genug, die vorhandenen Regeln würden nicht entschieden genug durchgesetzt, Asylbewerberinnen und Asylbewerbern gehe es in Deutschland zu gut, so die Vorwürfe Richtung Ampelkoalition.

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Nun aber haben sich Bund und Länder auf viele Maßnahmen geeinigt. Ihnen ist es gelungen, sich auf einen sogenannten „atmenden Rahmen“ zu einigen. Der Bund will künftig den Kommunen pro Asylbewerber und Jahr einen Festbeitrag in Höhe von 7500 Euro zahlen.

In dem Beschluss findet sich ein Bekenntnis zur Eindämmung der sogenannten irregulären Migration, die „deutlich und nachhaltig“ gesenkt werden müsse. Obwohl SPD, Grüne und FDP es am Beginn der Legislaturperiode vereinbart hatten, wird der Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte nicht ausgeweitet.

Umstrittenster Punkt ist die Verlagerung von Asylverfahren

Und, ein entscheidender Satz: „Die Bundesregierung wird prüfen, ob die Feststellung des Schutzstaus unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zukünftig auch in Transit- oder Drittstaaten erfolgen kann.“ Dieser Punkt war umstritten. Es waren die unionsgeführten Länder, die sogenannte B-Seite, und Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg, die darauf beharrten.

Noch am Abend hatte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) gesagt, dass die von der SPD geführten sogenannten A-Länder sich darauf nicht einlassen könnten. Bei Transitländern, Ländern also, in denen die Geflüchteten schon sind oder waren, könnte man sich eine solche „Feststellung des Schutzstatus“ vorstellen. Nicht aber in Drittländern.

Der Beginn der Bund-Länder-Runde verschob sich wegen dieses Streits bis in den späteren Abend. Nach Vorstellung von CDU und CSU soll es eine Spielart des sogenannten „Ruanda-Modells“ sein, für die sich vor allem der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) eingesetzt hatte.

Das Konzept sieht in seiner ursprünglichen Form vor, illegal eingereiste Geflüchtete oder Migranten zur Asylprüfung in ein Drittland zu bringen. Großbritannien hatte dieses Konzept erdacht, im Juni aber stoppte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Modell.

Wir haben jetzt seit über sechs Jahren eine unmenschliche, unmoralische, intensive Kooperation mit Libyen, wo Menschen zurückgebracht werden, auch finanziert von der EU.

Gerald Knaus, Migrationsexperte

Eine Alternative wäre die Verlagerung der Asylverfahren in andere Länder, die dann aber unter Obhut des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR ablaufen sollen. Die Camps sollten dann vom UNHCR gestellt werden, und der Ablauf der Verfahren von der Organisation überwacht.

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Der Migrationsexperte Gerald Knaus hegt Sympathien für diesen Vorschlag. Er sagte dem Fernsehsender „Welt“: „Wir haben jetzt seit über sechs Jahren eine unmenschliche, unmoralische, intensive Kooperation mit Libyen, wo Menschen zurückgebracht werden, auch finanziert von der EU.“ Dass die Union ihren Punkt – offenbar mithilfe des Kanzleramts – durchsetzen konnte, ist bemerkenswert.

Maßnahmen sollen laut Merz noch in diesem Jahr umgesetzt werden

Dienstag, 11 Uhr. NRW-Ministerpräsident Wüst hat gemeinsam mit CDU-Chef Friedrich Merz zur Pressekonferenz geladen. Die Zusammenarbeit zwischen Opposition und Regierung sei „wichtig in einer solchen Zeit“, sagt er. Er fordert einen „Politikwechsel“. Die Ergebnisse der Bund-Länder-Runde seien dafür „kein ausreichendes Ergebnis“, sagt Wüst. Man könne seinen Vorschlag und das Ruanda-Modell als „finstersten Neokolonialismus“ abtun, sagt er, aber dann würde man den Herausforderungen der Zeit nicht gerecht. Könnte man ein solches Modell umsetzen, würde das „Sterben im Mittelmeer“ sofort beendet.

Hendrik Wüst (l, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und CDU-Chef Friedrich Merz
Hendrik Wüst (l, CDU), Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, und CDU-Chef Friedrich Merz

© dpa/Kay Nietfeld

Trotz der Kritik könnte es für die Ampel künftig schwieriger werden, die Koalition in der Migrationspolitik so umfassend zu kritisieren. Friedrich Merz gibt sich bei der Pressekonferenz konziliant. Er begrüßt „ausdrücklich“, dass die Sozialleistungen für Asylbewerber im Verfahren nun erst nach 36 statt nach 18 Monaten angehoben werden sollen. Und er mahnt zu Eile: Der Bundestag müsse noch in diesem Jahr die nun beschlossenen nationalen Maßnahmen umsetzen.

Dennoch gibt es Abgeordnete, die sehr kritisch auf die Ergebnisse der Nacht schauen. Wie Alexander Throm, innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. „Der Migrationsgipfel ist eher ein Gipfelchen, bei dem politisches Klein-Klein zusammengestellt wurde. Die echte Migrationswende, die Deutschland jetzt braucht, steht da nicht drin“, sagt er dem Tagesspiegel, dafür seien die Inhalte „zu vage“. „Die EU-Grenzen sollen geschützt werden? Wann und wie bleibt offen. Asylverfahren in Drittstaaten? Will die Bundesregierung erst mal nur ‘prüfen’. Asylverfahren sollen ‘beschleunigt’ werden? Das verspricht die Ampel seit zwei Jahren erfolglos“, sagt er.

Allerdings: Auch Teile der Ampelkoalition wollen, dass es schnell geht. Der schwierigste Partner in den nächsten Wochen dürfte nicht die Union sein – sondern die Grünen, trotz des Bekenntnisses der Parteispitze zu einer schärferen Asylpolitik.

Obwohl sich am Morgen sowohl Grünen-Chef Omid Nouripour als auch Grünen-Vizekanzler Robert Habeck hinter die Beschlüsse der Nacht stellten, rumort es bei den Grünen. Vielen gehen die Verschärfungen bei Abschiebungen schon zu weit.

Eine Schleifung des Asylrechts können sie sich nicht vorstellen. Der EU-Abgeordnete Erik Marquardt sagte dem Tagesspiegel noch in der Nacht: „Hier werden Dinge gefordert, die in den nächsten Jahren niemals kommen werden. Asylverfahren in Drittstaaten sind rechtlich nicht umsetzbar und das kann auf deutscher Ebene auch nicht geändert werden.“

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