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Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes, versucht während der Rede von Christian Lindner (hinten, FDP), Bundesminister für Finanzen, die Landwirte zu beschwichtigen. Die Proteste richten sich gegen geplante Subventionskürzungen durch die Bundesregierung unter anderem beim Agrardiesel.

© dpa/Monika Skolimowska

Die Geschichte einer Entfremdung: Wie die FDP die Bauern verlor

Vor wenigen Jahren versuchte die FDP, sich als Bauernpartei zu inszenieren. Dass das schief ging, lässt sich an den aktuellen Bauernprotesten beobachten. Dabei funktionierte es mal besser. 

Christian Lindner war vor ein paar Wochen auf einem Bauernhof in Brandenburg. Er trug Jeans, Gummistiefel, kletterte auf einen Traktor und teilte ein Video davon auf Instagram. Seitdem geistert ein Screenshot von ihm durchs Netz, unter dem sich Userinnen und User in sozialen Netzwerken über seine sauberen Stiefel lustig machen. Die, so klärt das Team des Bundesfinanzministers unter dem Instagram-Post auf, Lindner privat gehören. Er trage sie zum Jagen und Reiten.

Die Geschichte von Christian Lindner und den Bauern ist die eines missglückten Annäherungsversuchs. Es ist nicht der erste. Montag vorvergangener Woche. Die Bauern blockieren in Berlin Straßen, Christian Lindner ist gekommen, um zu ihnen zu sprechen. Er schimpft auf Klimakleber und Arbeitslose. „Hau ab“, rufen die Bauern.

Lindner sagt: „Ich bin schon fertig, wenn ich den Pferdestall einmal ausgemistet hab.“ Und dann: „Deswegen weiß ich, was es für eine Arbeit ist, das den ganzen Tag und jeden Tag zu machen.“ Lindners Frau hat ein Pferd, auf Instagram hat sie vor Monaten ein Foto von ihm im Stall hochgeladen. Ein katzbuckliger Satz, der die Bauern nicht beruhigt. Wie auch? Es ist ein Höhepunkt in einer Entfremdungsgeschichte zwischen Bauern und FDP.

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FDP stellte 13 Jahre den Landwirtschaftsminister

Bonn, 1969. Trotz einer Mehrheit mit CDU/CSU entscheidet sich die FDP für die Bildung einer sozialliberalen Koalition unter Führung von Willy Brandt (SPD). Es gibt Männer aus der rechten FDP, die mit dem Lagerwechsel hadern. Einer von ihnen ist Josef Ertl. Er gehört zum nationalliberalen Flügel der FDP, vor Amtsantritt billigte er laut „Spiegel“ schon mal die Aufnahme eines Ex-NPD-Funktionärs und schrieb einer rechtsextremen Münchner Zeitung auf Anfrage einen Brief, den sie abdruckte.

Von 1969 bis zum Bruch der sozialliberalen Koalition 1982 ist Ertl Landwirtschaftsminister der Bundesrepublik. Scheel holt ihn ins Kabinett, weil er glaubt, so schreibt das Nachrichtenmagazin 1970, nur so könne Ertl daran gehindert werden, zur CDU überzulaufen und dabei andere Nationalliberale mitzunehmen.

Nicht ohne Erfolg: Er setzt durch, dass alle Landwirte in die gesetzliche Krankenkasse aufgenommen werden. Und Ertl beschert den Bauern Millionen. Durch, Achtung, höhere Verbraucherpreise und Subventionen.

Die FDP von heute könnte nicht agieren wie Ertl

Das wäre mit der Gegenwarts-FDP undenkbar. Höhere Verbraucherpreise? Die FDP wehrt sich gegen eine Tierwohlabgabe, ungeachtet der Tatsache, dass sich die Bevölkerung mehrheitlich mehr Tierschutz wünscht. Auch gegen staatliche Förderung sind die Liberalen von heute. In ihrem Programm zur Bundestagswahl 2021 forderte die FDP den „sukzessiven Abbau der EU-Agrarsubventionen“.

Dabei ist es nicht das erste Mal, dass Lindner versucht, sich den Bauern wieder anzunähern. Schon vor vier Jahren, damals als Oppositionspolitiker, sprach Lindner auf einer Bauerndemo, verteidigte sie, so schrieb es die „Wirtschaftswoche“, gegen „pauschale Vorwürfe“, sie seien Tierquäler oder Brunnenvergifter.

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In der Ampel-Koalition gerieren sie sich als Interessensvertreter vor allem von konventionellen Bäuerinnen und Bauern. Gero Hocker, ernährungspolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, der sich in der Rolle des krachledernen Zuspitzers gefällt, zählte dem Tagesspiegel die Errungenschaften der FDP auf: Aussetzung der Stilllegung von vier Prozent Ackerflächen, die dem Artenschutz dienen sollten, und der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat sei dank FDP weiterhin zugelassen. Sie zögen den „Unmut“ von SPD und Grünen auf sich. „Aber da müssen sie durch“, sagt Hocker.

Einzig, es bringt nicht viel: Die großen Verbände gelten weiter als CDU-nah. Auf der Bauerndemo der vorvergangenen Woche zeigte die Vorsitzende des Bundes Deutscher Landjugend, Theresa Schmidt, Lindner eine Gelbe Karte. „Wenn es so weitergeht, dann geht es der FDP wie dem Ackerbau in Deutschland: Mit vier Prozent wird stillgelegt!“, rief sie.

Das, übrigens, war schon in den 1970ern so: 1972 wollten, trotz Ertl-Politik, laut einer Umfrage nur vier Prozent der Bauern FDP wählen.

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