zum Hauptinhalt
Eine Person (2. v. r.) wird von Polizisten aus einem Hubschrauber gebracht.

© dpa/Uli Deck

Die Köpfe hinter dem vereitelten Staatsstreich: Das sind die festgenommenen „Reichsbürger“

Die Polizei hat in einer bundesweiten Razzia 25 Personen festgenommen, acht sind nun in U-Haft. Das sind die Köpfe, die den Staatsstreich vorbereitet haben sollen.

Am Dienstag waren 3000 Polizeibeamte in elf Bundesländern im Einsatz. 25 Menschen aus der sogenannten „Reichsbürger“-Szene wurden festgenommen. Sie sollen einen Umsturz geplant und dafür teilweise bereits mit Waffen trainiert haben. Das „zukünftige Staatsoberhaupt“, die Justizministerin und der Militärchef waren bereits im Gespräch. Wer sind die Menschen, die den Putsch geplant haben?

Das „zukünftige Staatsoberhaupt“: Heinrich XIII. Prinz Reuß

Vermummte Polizisten führen nach der Durchsuchung eines Hauses Heinrich XIII Prinz Reuß zu einem Polizeifahrzeug.

© dpa/Boris Roessler

Der 71 Jahre alte Prinz mit Wohnsitz in Frankfurt am Main gilt als Hauptbeschuldigter. Er ist Immobilienunternehmer und Gutsherr eines Jagdschlosses im ostthüringischen Bad Lobenstein. Seine Wohnung und auch sein Schloss wurden während der Razzia durchsucht.

Der „Putsch-Prinz“ suchte die Nähe zur Reichsbürger-Szene, so berichtet „Die Zeit“. Seine Reden seien voll antisemitischer, demokratiefeindlicher und verschwörerischer Aussagen gewesen.

Den Ermittlungen zufolge soll der Adlige Vorsitzender des zentralen Gremiums der Gruppe gewesen sein und im Fall des Umsturzes als „zukünftiges Staatsoberhaupt“ gegolten haben. Er soll auch versucht haben, Kontakt zu Vertretern der Russischen Föderation aufzunehmen. 

Die designierte Justizministerin: Birgit Malsack-Winkemann

Zu den Verdächtigen, die bei der bundesweiten Razzia gegen die sogenannte Reichsbürger-Szene festgenommen wurden, gehört auch die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Malsack-Winkemann.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

Die Berliner Richterin und frühere AfD-Bundestagsabgeordnete Birgit Malsack-Winkemann war laut der Senatsinnenverwaltung die einzige Festnahme in der Hauptstadt. In der Zeit nach dem Umsturz soll Malsack-Winkemann als Justizministerin vorgesehen gewesen sein. Für die Ermittler ist sie eine zentrale Figur in der Umsturztruppe: Sie soll zu einem baldigen Schlag geraten haben, die Behörden wollten das verhindern.

Malsack-Winkemann saß von 2017 bis 2021 für die AfD im Bundestag, im März 2022 kehrte sie in den Richterdienst zurück und war bislang am Landgericht Berlin tätig. Nach eigenen Angaben ist sie seit April 2013 Mitglied der AfD. Von 2015 bis 2017 war sie stellvertretende Vorsitzende der AfD im Berliner Bezirksverband Steglitz-Zehlendorf.

Der Bundeswehr-Oberst außer Dienst: Maximilian Eder

Maximilian Eder, Oberst a.D., ehemaliger Nato-General, während einer Kundgebung in Nürnberg.

© imago images/Schreyer

Wenig weihnachtlich sieht es aus, als sich Maximilian Eder am ersten Advent mit einer Videobotschaft an seine „Freunde” und Kameraden wendet. Der ehemalige Bundeswehr-Oberst sitzt nur mit einem Pullover bekleidet auf der Brüstung einer Terrasse, im Hintergrund ist die dalmatische Adria zu erkennen.

Hier, auf einer kroatischen Insel, tanke er noch mal „Kraft und Energie”, erklärt Eder seinen Zuschauern, denn „die nächsten Wochen werden eine ganze Menge an Umbruch bringen”. Kryptisch richtet sich Eder an seine Gefolgschaft: „Es wird nicht nur eine Zeitenwende, sondern ein Zeitenumbruch kommen und ich hoffe sehr, dass dies vor Weihnachten 2022 geschieht.”

Tatsächlich kommt dieser Zeitenumbruch für den Mann, der als Kommandeur ein Panzergrenadierbataillon in den Kosovo-Einsatz führte, noch vor Weihnachten, nur anders, als Eder es erwartet hatte. Der geplante Staatsstreich fällt aus, stattdessen dürfte der Ex-Soldat den Rest der Adventszeit in Untersuchungshaft verbringen.

Bereits in der Vergangenheit machte Eder durch verschwörungsideologische Aussagen auf sich aufmerksam und trat regelmäßig in „Querdenken“-Kreisen auf.

Seit der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal engagierte sich Eder so lautstark im Milieu der Querdenker und Reichsbürger, dass die Bundeswehr laut Medienberichten ein Disziplinarverfahren gegen ihn einleitete, wie „Die Zeit“ berichtet. Eder ließ sich davon nicht abschrecken, sondern verbreitete seine Umsturzgedanken in den sozialen Medien. Es werde „eng für ein verrottetes, missbrauchtes und in die Enge getriebenes System“, schrieb Eder, der am Mittwochmorgen nach Tagesspiegel-Informationen im italienischen Perugia (Umbrien) festgenommen wurde.

Der Survival-Experte: Peter W.

Unter den Festgenommenen der Großrazzia befinden sich neben dem Bundeswehr-Oberst außer Dienst noch weitere Bayern. Darunter nach Tagesspiegel-Informationen Peter W. aus Bayreuth. Der Mann bietet unter dem Namen „Wolfszeit Naturkraft” Seminare im sogenannten Survivaltraining an und gilt als Unterstützer der Neonazi-Prepperszene.

W. trat unter anderem mit dem als „Volkslehrer” bekannten Nikolai Nerling gemeinsam in einem Video auf. Besonders pikant: 2016 wurde W. vom „Nordbayerischen Kurier” zu seinen Überlebenstrainings interviewt. Auf Nachfrage nach den Inhalten der Kurse antwortet W.: „In meinen Urban-Survival-Seminaren bringe ich den Leuten unter anderem bei, Stacheldraht richtig zu verwenden. Damit lässt sich ein Balkon gegen Eindringlinge abschotten – aber auch das Treppenhaus. Das ist wichtig.”

Durch W. sind die Ermittler dem Netzwerk auf die Spur gekommen, so berichtet „Die Zeit“. Als sie Mitte April W.s Wohnung bei Bayreuth durchsuchten, stießen sie auf Schusswaffen, Munition, Magazine, einen sogenannten Totschläger und eine Handgranatenattrappe.

Der Chef des „militärischen Arms“: Rüdiger von P.

Der „militärische Arm“ sollte die geplante Machtübernahme mit Waffengewalt durchsetzen, wie die „Bild“ berichtet. Chef des „militärischen Arms“ sei Rüdiger von P. gewesen.

Der ehemalige Oberstleutnant war bis April 1996 Kommandeur des Fallschirmjägerbataillons 251 in Calw (Baden-Württemberg), einer Elitetruppe der Fallschirmspringer, und W.s früherer Vorgesetzter. Aus dem Bataillon ging 1996 das Kommando Spezialkräfte (KSK) hervor. P. stand bereits damals im Verdacht, Waffen beiseitegeschafft zu haben, so „Die Zeit“. Er schied 1996 aus dem Dienst aus.

Laut Bundesanwaltschaft soll P. einen achtköpfigen Führungsstab eingesetzt haben. Dieser befasste „sich unter anderem mit der Rekrutierung neuer Mitglieder, der Beschaffung von Waffen und anderen Ausrüstungsgegenständen, dem Aufbau einer abhörsicheren Kommunikations- und IT-Struktur, der Durchführung von Schießübungen“ und dem Aufbau sogenannter Heimatschutzkompanien.

Der ehemalige AfD-Stadtrat: Christian W.

Als weiterer Schwerpunkt der Durchsuchungen stellte sich am Mittwochmorgen das Erzgebirge heraus. Hier wurde unter anderem der ehemalige Olbernhauer AfD-Stadtrat Christian W. unsanft von Spezialeinsatzkräften geweckt. W. saß für die Rechtspopulisten bis 2020 im Gremium, bis er sich damals aus „persönlichen Gründen” zurückzog.

Wie die „Sächsische Zeitung” berichtet, war der ehemalige Stadtrat bis April 2022 Mitglied im lokalen Schützenverein und dementsprechend möglicherweise im Besitz eines Waffenscheins. Nach Angaben der Generalbundesanwaltschaft war W. innerhalb der rechten Gruppe unter anderem für die Beschaffung von Waffen zuständig.

Der Unterstützer: Frank R.

Ebenfalls in Olbernhau, direkt an der Grenze zu Tschechien, wurde Frank R. festgenommen. Der Mann besitzt eine Autowerkstatt, die von Polizisten in den Morgenstunden durchsucht wurde. R. soll anders als die anderen Festgenommen kein direktes Mitglied der Vereinigung gewesen sein, sondern die Gruppe „unterstützt” haben.

Der Kriminalhauptkommissar: Michael F.

In Niedersachsen klopfte es am frühen Morgen bei Michael F. Der ehemalige Kriminalhauptkommissar wurde nach einem Gerichtsbeschluss im April 2022 aus dem Dienst entlassen. Bereits 2020 war der Polizist vom Dienst entbunden worden, nachdem er in einer Rede auf einer Kundgebung die damaligen Corona-Regeln mit dem Nationalsozialismus verglich.

F. war einer der führenden Protagonisten der niedersächsischen Querdenken-Szene und trat bei zahlreichen Demonstrationen auf. Besonders der Fakt, dass F. zwischenzeitlich als Polizist für die Sicherheitskonzepte jüdischer Einrichtungen in Niedersachsen zuständig war, sorgte nach der bundesweiten Razzia heute Morgen und der damit verbundenen Festnahme des Ex-Polizisten für erneute Beunruhigung in verschiedenen jüdischen Gemeinden.

Der KSKler: Andreas M.

Als besonders brisant gilt der Fall des Andreas M., der noch aktiv bei der Bundeswehr beschäftigt ist: in der Logistik der Eliteeinheit KSK in Calw, wie „die Zeit“ berichtet. Er gilt als Anhänger des Deutschen Reichs und soll seine Abneigung gegenüber dem demokratischen System der Bundeswehr offen gezeigt haben.

Der Einsatz einer Eliteeinheit gegen einen Angehörigen einer anderen Eliteeinheit, des KSK, habe es in der deutschen Geschichte nur selten gegeben. Da die Einsätzkräfte befürchteten, M. könnte bewaffnet sein und könnte sich gegen seine Festnahme wehren, übernahm die Spezialeinheit der Bundespolizei GSG9 den Zugriff.

Neben diesen Fällen gab es noch weitere Festnahmen. Insgesamt 25 Personen hat die Bundesanwaltschaft festnehmen lassen. Die Gruppe ist bunt gemischt. Laut „Spiegel“-Informationen ist ein Gourmetkoch darunter, dessen Tochter mit einem schwarzen Fußballprofi ein Kind hat, ein Dachdeckermeister, der im Schwarzwald Corona-Proteste organisiert hat, ein Pilot einer deutschen Fluggesellschaft, ein promovierter Rechtsanwalt und ein klassischer Tenorsänger, der nach der Übernahme wohl das Kulturressort bekommen sollte.

Eine wohlhabende Ärztin soll für „spirituelle Fragen“ zuständig gewesen sein und der Gruppe 20.000 Euro gespendet haben. Um potenzielle Mitstreiter auf ihre Verlässlichkeit zu überprüfen, hätte es engen Kontakt zu zwei angeblichen Hellsehern gegeben, die ebenfalls beschuldigt sind. (mit dpa/AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false