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Eine Therapeutin (l) hält in einem Hospiz in Stuttgart (Baden-Württemberg) die Hand einer todkranken Bewohnerin.

© dpa/Sebastian Kahnert

Entscheidung noch vor der Sommerpause: Bundestag debattiert über Sterbehilfe

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Menschen künftig Sterbehilfe von dritter Seite in Anspruch nehmen? Die Vorstellungen der einzelnen Parteien liegen teils weiter auseinander.

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Menschen, die ihrem Leben ein selbstbestimmtes Ende setzen wollen, für ihren Suizid künftig die Hilfe Dritter in Anspruch nehmen? Über diese hochemotional diskutierte Frage will der Bundestag noch vor der parlamentarischen Sommerpause entscheiden - abschließend und ohne Fraktionsvorgabe.

Seit gestern steht fest: Nur noch zwei - statt bislang drei – fraktionsübergreifende und miteinander konkurrierende Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidhilfe stehen den Abgeordneten am 7. Juli, dem letzten Sitzungstag, zur Wahl. Das gaben gestern die ursprünglich zwei Parlamentariergruppen um die Abgeordneten Katrin Helling-Plahr (FDP), Renate Künast (Grüne), Nina Scheer (SPD) und Petra Sitte (Linke) bekannt. Ihre beiden liberalen Entwürfe haben sie nun zu einem gemeinsamen Vorschlag fusioniert.

Durch den Zusammenschluss, so die Gruppe, solle vor allem verhindert werden, dass die Suizidhilfe in Deutschland erneut sehr restriktiv und im Strafgesetzbuch geregelt werde. Dies wiederum strebt die konkurrierende – und bislang als sehr aussichtsreich geltende - Parlamentariergruppe um Lars Castellucci (SPD), Kirsten Kappert-Gonther (Grüne) und Ansgar Heveling (CDU) an. „Suizidhilfe in Deutschland braucht Menschlichkeit und keine Verbotsgesetze“, entgegnete die FDP-Abgeordnete Helling-Plahr gestern. „Unser Ausgangspunkt ist, dass eine Regelung nicht ins Strafgesetzbuch gehört“, ergänzte die Grünen-Politikerin Künast.

Der liberale Gemeinschaftsentwurf will Sterbewilligen, die mindestens 18 Jahre alt sind, die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen oder ihren Wohnsitz in Deutschland haben und ihr Leben „aus autonom gebildetem, freiem Willen“ beenden möchten, den Zugang zu tödlich wirkenden Medikamenten ermöglichen. Voraussetzung ist, dass die Menschen sich zuvor „ergebnisoffen und ohne Bevormundung“ beraten lassen, so Helling-Plahr. Frühestens drei und höchstens zwölf Wochen nach der Beratung sollen Ärzte die entsprechenden Arzneimittel verordnen dürfen. In medizinischen Härtefällen - wenn sich etwa eine schwerkranke Person „in einem existenziellen Leidenszustand mit anhaltenden Symptomen“ befindet – sollen Ärzte die Medikamente auch ohne Beratung verschreiben dürfen. Einen Anspruch hierauf soll es jedoch nicht geben. Findet die betroffene Person keinen Arzt, der zur Verschreibung bereit ist, soll die im jeweiligen Bundesland zuständige Behörde entscheiden.

Zugleich soll es ein umfassendes Schutzkonzept mit klaren Kriterien und Verfahrensweisen geben, um Missbrauch vorzubeugen und beispielsweise zu verhindern, dass Menschen sich gegen ihren eigenen Willen zum Suizid gedrängt sehen. Der Entwurf sieht hierzu vor, das bundesweite Netzwerk an Beratungsstellen auszubauen. Da hierfür die Länder zuständig wären, müsste der Entwurf, sollte er eine Mehrheit im Parlament finden, nach der Sommerpause noch vom Bundesrat verabschiedet werden. Derzeit ist aber völlig offen, wie die Abstimmung im Parlament ausgeht.

Viele Abgeordnete gelten als noch unentschlossen. Der weitaus restriktivere Gesetzentwurf der Gruppe um Lars Castellucci (SPD) wiederum will die geschäftsmäßige, also auf Wiederholung angelegte Beihilfe zum Suizid in Deutschland erneut strafrechtlich verbieten. Ausnahmen von diesem Verbot sollen nur in engen Grenzen möglich sein, unter anderem dann, wenn Sterbewillige sich einer psychiatrischen Begutachtung und eine Beratung binnen bestimmter Fristen unterziehen.

Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2020 geurteilt, dass das Recht auf selbstbestimmtes Sterben auch das Recht umfasst, hierbei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen. Den bis dahin geltenden Strafrechtsparagrafen 217, wonach die geschäftsmäßige Suizidhilfe insbesondere von Sterbehilfeorganisationen in Deutschland verboten war, erklärte das Gericht damals für nichtig. Seither ringt der Bundestag um eine mögliche Folgeregelung. (mit epd)

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