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Die erste Auslandsreise von US-Präsident Joe Biden führt nach Europa.

© Kevin Lamarque/REUTERS

Europa und die USA: „Wo genau ist eigentlich Europa?“

Die USA und die EU müssen Autokratien wie China und Russland gemeinsam begegnen, heißt es im „Munich Security Report 2021“ der Münchner Sicherheitskonferenz.

Während  Joe Biden vor seiner ersten Auslandsreise als US-Präsident steht, gibt es eine Schlüsselfrage, die alle seine Begegnungen in Europa in den kommenden Tagen begleiten wird: Wie kann der Westen verhindern, dass er in der Konkurrenz mit illiberalen Systemen wie China und Russland den Kürzeren zieht?

In dieser Frage kommt der „Munich Security Report 2021“, der an diesem Mittwoch vom Vorsitzenden der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, vorgestellt wird, zum Schluss: Die USA und Europa müssen gemeinsam mit gleichgesinnten Staaten im Verhältnis zu Mächten wie China und Russland eine Balance zwischen Wettbewerb und Kooperation anstreben. „Um globale Risiken zu lindern, müssen sie mit Autokratien kooperieren; und dort, wo demokratische Prinzipien sonst in Bedrängnis geraten, dürfen sie den Wettstreit mit der illiberalen Konkurrenz nicht länger scheuen“, heißt es in dem Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz.

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Während die Biden-Administration sich im diplomatischen Stil deutlich von der Vorgängerregierung unter Donald Trump unterscheidet, so teilt Biden dennoch Trumps Analyse, dass die künftige Weltpolitik vor allem durch die Konkurrenz zwischen den USA und China geprägt sein wird, heißt es in dem Bericht. Dennoch müssten Demokratien und Autokratien bei den entscheidenden Herausforderungen für die Menschheit – vom Klimawandel über das drohende Wettrüsten bis zur immer noch nicht überwundenen Corona-Pandemie – kooperieren.

Zwangsarbeit in China soll bei G7 zum Thema werden

Dass der Westen einerseits mit Mächten wie China zusammenarbeiten, gleichzeitig aber eine klare Abgrenzung nicht scheuen muss, zeigt sich angesichts des am Freitag beginnenden G-7-Gipfels im englischen Cornwall. Es wird erwartet, dass beim Treffen der führenden westlichen Industriestaaten im Abschlussdokument die Unterdrückung der muslimischen Minderheit der Uiguren in China zur Sprache kommt. Vor allem Biden dringt darauf, dass die Vorwürfe gegen Chinas Führung, denen zufolge die Uiguren Zwangsarbeit in Lagern leisten müssen, beim G-7-Gipfel thematisiert werden. Gleichzeitig sucht Biden im Kampf gegen den Klimawandel den Schulterschluss mit der chinesischen Führung.

Auch die Europäer teilen grundsätzlich die Analyse, dass die liberalen Werte des Westens zunehmend unter Druck geraten. Mit Blick auf die außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU in ihrer näheren Nachbarschaft kommt der Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz allerdings zu einem ernüchternden Ergebnis. Hier klafften Wunsch und Wirklichkeit deutlich auseinander, heißt es. „Laut Kritikern sind europäische Lösungsvorschläge für die vielen transatlantischen Herausforderungen bislang Mangelware.“ Manche befürchteten gar, dass Europa nach der Wahl von Biden „die Chance auf eine Wiederbelebung des Westens“ versäume. „Amerika ist zurück, aber wo genau ist eigentlich Europa?“, fragen die Autorinnen und Autoren.

Neue transatlantische Arbeitsteilung benötigt

Da sich die USA zunehmend auf den Indo-Pazifik konzentrieren würden, benötigten Europäer und Amerikaner eine neue transatlantische Arbeitsteilung, die für beide Seiten funktioniere, lautet die Analyse im „Munich Security Report 2021“. „Es gibt keinen Zweifel, dass die transatlantische Lastenteilung in der Nachbarschaft der EU sich in Zukunft sehr von der transatlantischen Lastenteilung der Vergangenheit unterscheiden wird“, heißt es.

EU in der Zuschauerrolle

Dem Anspruch der Europäer, vor der eigenen Haustür für mehr Sicherheit zu sorgen, wird die EU indes derzeit kaum gerecht. Auch wenn Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei der virtuellen Münchner Sicherheitskonferenz im vergangenen Februar „mehr Europa in unserer eigenen Nachbarschaft“ forderte, so fällt das Urteil des Berichts über die Gestaltungsfähigkeit der EU alles andere als positiv aus: „Vom Maghreb bis zum Kaukasus hat die EU es selten vermocht, Entwicklungen mitzugestalten und eigene Interessen zu verteidigen.“ In den größten Krisen der europäischen Nachbarschaft – in Osteuropa, im Nahen Osten und in Nordafrika – seien die Europäer „oft nur Zuschauer“ geblieben.

 

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