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Ungarns Premier Viktor Orban, hier mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, fällt den Haushaltskontrolleuren der EU ins Auge, weil sich die EU-Mittel auf Empfänger in seiner Umgebung konzentrieren.

© Jennifer Jacquemart/Europäische Kommission/picture alliance/dpa

Europaabgeordnete Hohlmeier: „So schnell werden EU-Mittel für Polen und Ungarn nicht gesperrt“

Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses im Europaparlament warnt: Neues Verfahren nicht als politische Waffe missbrauchen. Alle 27 EU-Staaten werden überprüft.

Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament, Monika Hohlmeier (CSU), mahnt die EU-Kommission, die neuen Verfahrensmöglichkeiten gegen Rechtsstaats-Sünder konsequent einzusetzen. Zugleich warnt sie die Öffentlichkeit im Gespräch mit dem Tagesspiegel vor „falschen Erwartungen, dass es jetzt zügig zur Sperrung von EU-Geldern im großen Stil kommt“.

Die so genannte Haushaltskonditionalität sei „kein Strafmechanismus“. Sondern ein präventiver Mechanismus mit dem Ziel, dass Mitglieder „ihre Gesetze oder ihr Verhalten ändern, soweit sie schwerwiegende rechtsstaatliche Problemstellungen aufweisen, die zu einer ernsthaften systemischen Gefährdung im Umgang mit dem EU-Haushalt führen“, erklärt Hohlmeier.

Sie sitzt seit 2009 im Europäischen Parlament und gehört dort der christdemokratischen EVP-Fraktion an. Zuvor war sie bayerische Kultusministerin.

Nicht warten bis nach der Ungarn-Wahl

Sie warnt die Kommission davor, auf Zeit zu spielen. „Für das Parlament wären weitere Verzögerungen wegen der Ausarbeitung der Anwendungsregeln oder der ungarischen Wahl nicht hinnehmbar. Wenn Wahlen ein Hindernis sein sollten, Recht durchzusetzen, wird es lustig."

Monika Hohlmeier ist Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament.
Monika Hohlmeier ist Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europäischen Parlament.

© Tagesspiegel/promo

Hohlmeier fordert: "Die Kommission muss zeitnah bezogen auf konkrete Fakten und Falldaten handeln. Wichtig ist hierbei auch die Kommunikation mit uns Parlamentariern, die uns einen Einblick in die konkrete Vorgehensweise, die Standards und die Art der Erfassung der Fälle gibt.“

Der Europäische Gerichtshof (EuGh) hatte die Haushaltskonditionalität am Mittwoch für rechtens erklärt. Polen und Ungarn hatten die Überprüfung, ob sie mit dem EU-Recht vereinbar sei, zur Bedingung gemacht, als der Rat der Regierungschef der Neuerung zustimmte.

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Nun müsse die Kommission zeitnah sagen, welche EU-Staaten sie wegen welcher schwerwiegender Verstöße gegen rechtsstaatliche Grundsätze, die den EU-Haushalt tangieren, anschreibe, verlangt Hohlmeier. „Da fallen Polen und Ungarn ins Auge, aber nicht nur sie. Alle 27 Mitglieder werden hinsichtlich der Einhaltung der wesentlichen Kriterien überprüft. Es gelten gleiche Regeln für alle und die schwerwiegenden Sünder werden sich dann mit einem Verfahren konfrontiert sehen, das mit der Sperrung vieler Fonds enden kann.“

Das neue Verfahren gilt nur im Kontext von Finanzfragen

In der deutschen Debatte werden Rechtsstaatsverfahren und Haushaltskonditionalität oft vermengt und verwechselt, beklagt Hohlmeier. Dieses Missverständnis werde von einigen grünen Abgeordneten gezielt befördert. Sie wollten erreichen, dass jegliches Handeln, das ihren politischen Moralvorstellungen widerspreche, zu einem Problem der Rechtsstaatlichkeit deklariert und mit der Drohung geahndet werde, EU-Mittel zu blockieren.

Das sei aber mit europäischen Recht nicht vereinbar, was der EuGH in seinem Urteil klargestellt habe. Die Haushaltskonditionalität sei keine politische Waffe, sondern ein rechtliches Instrument zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit und zum Schutz der Gelder der Steuerzahler, die die EU ausgebe.

„Wir werden, zum Beispiel, das polnische Abtreibungsrecht, das ich für falsch halte, nicht mit dem neuen Mechanismus bekämpfen können“, erklärt Hohlmeier. Für Fragen des Rechtsstaats ohne Bezug zum EU-Haushalt gebe es die Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag. Die müsse man klar trennen von dem neuen Verfahren zur Kontrolle der rechtsstaatlichen Verwendung von EU-Mitteln. Auch das bestätige das Urteil des EuGH.

Unterschiedliche Kritik an Ungarn, Tschechien, Griechenland

Verfahren unter Berufung auf die Haushaltskonditionalität „müssen mit EU-Finanzfragen verbunden sein“, stellt Hohlmeier klar. Sie seien gedacht für „schwerwiegende systemische Verstöße eines Landes gegen rechtsstaatliche Grundsätze, die Auswirkungen auf die Einnahmen oder Ausgaben von EU-Mitteln haben“.

Andrej Babis ist als Eigentümer von Agrarkonzernen Empfänger hoher EU-Landwirtschaftssubventionen. Als tschechischer Regierungschef bis 2021 konnte er Druck auf die Justiz in seinem Land ausüben.
Andrej Babis ist als Eigentümer von Agrarkonzernen Empfänger hoher EU-Landwirtschaftssubventionen. Als tschechischer Regierungschef bis 2021 konnte er Druck auf die Justiz in seinem Land ausüben.

© Yves Herman/REUTERS

In Ungarn falle die „Konzentration der EU-Mittel auf einen kleinen Kreis von Empfängern“ auf, die enge Beziehungen zu Ministerpräsident Viktor Orban haben. Ähnliche Beobachtungen würden bei Zypern und Malta derzeit geprüft.

In der Tschechischen Republik ging ein hoher Anteil der Agrarsubventionen an Landwirtschaftskonzerne im Besitz des inzwischen abgewählten Regierungschefs Andrej Babis. „Da stimmt es mich nachdenklich, wenn der Generalstaatsanwalt sinngemäß mit der Begründung zurücktritt, er werde bei der Einleitung von Ermittlungen gehindert.“

In Griechenland gebe es bisweilen Zweifel an der korrekten Berechnung der Mehrwertsteuer. Andere Staaten seien bekannt für Probleme mit der Korruption, Interessenskonflikten oder sogar Landraub, darunter die Slowakei, Bulgarien und Rumänien.

Polen steht wegen der Justizreform, nicht Finanzen am Pranger

Ein wieder anderer Fall sei Polen. Die Justizreform wecke erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit der Richter. Das habe auch Folgen für die Kontrolle der EU-Mittel dort. Richter, die gegen den Willen der Regierung Urteile fällen, müssen heftige Disziplinarstrafen fürchten“, kritisiert Hohlmeier.

Polens Premierminister Mateusz Morawiecki verteidigte im Oktober 2021 im Europaparlament in Straßburg die Justizreform. Sein Land fällt nicht durch systematische Verstöße bei der Verwendung von EU-Mitteln auf. Die Unabhängigkeit der Justiz steht im Zweifel. Und damit indirekt die gerichtliche Kontrolle der rechtmäßigen Verwendung von EU-Mitteln.
Polens Premierminister Mateusz Morawiecki verteidigte im Oktober 2021 im Europaparlament in Straßburg die Justizreform. Sein Land fällt nicht durch systematische Verstöße bei der Verwendung von EU-Mitteln auf. Die Unabhängigkeit der Justiz steht im Zweifel. Und damit indirekt die gerichtliche Kontrolle der rechtmäßigen Verwendung von EU-Mitteln.

© Ronald Wittek/Pool via REUTERS

„Wie auf Bestellung erklärt das Verfassungstribunal EU-Recht für nicht anwendbar, weil es angeblich nicht mit der polnischen Verfassung vereinbar sei.“ In der Summe gebe das Anlass zur „Sorge, ob die Regierung EU-Geld unparteiisch und im Sinne europäischer Rechtssetzung verausgabe“. Der detaillierte Nachweis sei sehr komplex.

Die EU-Kommission müsse die ersten Verfahren zur Haushaltskonditionalität nun „konsequent, aber auch mit großer Sorgfalt vorbereiten. Lieber ein paar Tage mehr, aber dafür rechtssicher und gut recherchiert“, sagt Hohlmeier.

Die Kommission muss sich dabei an der Urteilsbegründung des EuGH orientieren. „Die Länder, denen eine Sperrung von EU-Mitteln droht, werden dagegen klagen. Und dann geht der Fall wieder vor den EuGH.“

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