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CDU-Chef Friedrich Merz (l.) mit CSU-Chef Markus Söder.

© dpa/Sven Hoppe

Update

Flugblatt-Affäre in Bayern: Merz lobt „bravouröse“ Aufarbeitung – Aiwanger und Söder lassen Thema aus

CDU-Chef Merz stellt sich auf dem Volksfest Gillamoos hinter den bayrischen Ministerpräsidenten. Söder und sein Vize Aiwanger äußern sich in ihren langen Reden nicht zur Flugblatt-Affäre.

| Update:

Der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hat Bayerns Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) für die Aufarbeitung der Aiwanger-Affäre gelobt.

Söder habe in den vergangenen Tagen eine verdammt schwierige Aufgabe gehabt, und die habe er bravourös gelöst, sagte Merz am Montag beim gemeinsamen Bierzeltauftritt mit Söder am Montag auf dem Volksfest Gillamoos im niederbayerischen Abensberg (Landkreis Kelheim). „Sehr gut, genauso war’s richtig, das so zu machen“, sagte Merz.

Söder ging in seiner anschließenden Rede nicht darauf ein. Er spielte nur kurz auf seine Entscheidung vom Sonntag an, Aiwanger trotz allem im Amt zu belassen – als er sagte, am Ende komme es eben auf den Ministerpräsidenten an, dass aus einem „Durcheinander“ aus Meinungen und Stimmungen eine Handlung erfolge. 

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Auch Hubert Aiwanger, der bayrische Vize-Regierungschef und Parteichef der Freien Wähler, äußerte sich in seiner rund einstündigen Rede auf dem Volksfest anschließend nicht zur Flugblatt-Affäre. Aiwanger dankte den Besuchern lediglich für einen „wunderbaren Vertrauensbeweis, diese Rückenstärkung“ in den vergangenen Tagen. Vom Publikum erhielt er stehend Applaus und wurde mehrfach mit „Hubert, Hubert“-Sprechchören gefeiert.

Die Generalsekretärin der Freien Wähler, Susann Enders, hatte die Vorwürfe gegen Aiwanger zuvor als „Riesenkampagne“ bezeichnet. „Es ist eine Wahnsinnszeit im Moment“, sagte Enders auf dem Volksfest Gillamoos. „Eine Riesenkampagne hält uns seit über einer Woche in Atem.“

Ihre Partei und Aiwanger hätten aber angesichts der Vorwürfe in „unzähligen E-Mails, unzähligen Telefonaten“ viel Zuspruch erhalten. „Ihr habt uns als Freien Wählern so viel Rückhalt gegeben in den letzten Tagen“, sagte Enders.

Das immer Anfang September stattfindende Volksfest Gillamoos hat eine mehr als 700-jährige Tradition im Landkreis Kelheim in Niederbayern und ist gerade für die politischen Reden am letzten Festtag überregional bekannt. Parallel gibt es einen Bierzelt- und Volksfestbetrieb.

Bayerns SPD spricht Söder Führungskraft ab

Der bayerische SPD-Landeschef Florian von Brunn sprach Ministerpräsident Söder die Führungskraft ab. In der Flugblatt-Affäre habe sich gezeigt: „Söder hat keinen Einfluss“, sagte er am Montag. Söder habe sich an den Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger „gekettet, er ist auf ihn angewiesen“.

Von Brunn eröffnete auf dem Volksfest Gillamoos den politischen Frühschoppen der SPD. Dabei attackierte er Aiwanger erneut: Ein antisemitisches Flugblatt sei keine Jugendsünde - „nein, es ist eine Sauerei“. Er kenne viele, die Unsinn in der Jugend gemacht hätten. „Aber ich kenne niemanden, der so üble Flugblätter in der Tasche hatte. Das ist kein Dummer-Jungen-Streich. Das ist rechtsradikal und nichts anderes.“ 

Hubert Aiwanger und Markus Söder sind spätestens seit diesem Wochenende keine Vorbilder mehr für junge Menschen.

SPD-Chef Lars Klingbeil

SPD-Chef Lars Klingbeil warf Söder vor, in der Affäre vor Aiwanger eingeknickt zu sein. „Der hat den Buckel gemacht vor dem Aiwanger“, sagte Klingbeil am Montag auf dem Volksfest Gillamoos. „Wenn er hier in Bayern ein ernsthaftes Problem hat, dann schwimmt er, dann laviert er, dann duckt er sich weg“, sagte der SPD-Vorsitzende. „Der guckt nur auf sich selbst, aber nicht auf dieses Bundesland.“

Die Äußerungen Aiwangers zu der Affäre habe er nicht als ernsthafte Entschuldigung wahrgenommen, sagte Klingbeil. Stattdessen habe sich der Vizeregierungschef in Bierzelten als Opfer einer Medienkampagne dargestellt. „Das ist unanständig, da wird der politische Diskurs verschoben, da verschwindet Anstand aus der Politik, sagte Klingbeil. „Hubert Aiwanger und Markus Söder sind spätestens seit diesem Wochenende keine Vorbilder mehr für junge Menschen, die in der Politik was erreichen wollen.“

Scholz nimmt Söders Entscheidung „zur Kenntnis“

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nahm Söders Entscheidung, an Aiwanger festzuhalten, „zur Kenntnis“. Das sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag auf Nachfrage bei der Regierungspressekonferenz.

„Markus Söder ist offensichtlich der Ansicht, dass die Angaben von Herrn Aiwanger ausreichen und er möchte ungeachtet der erhobenen Vorwürfe der letzten Tage und Wochen weiterhin mit ihm zusammenarbeiten.“ Jetzt sei es an Aiwanger, das Vertrauen zurückzugewinnen, das durch seine Äußerungen und sein Handeln in den letzten Tagen und Wochen massive Erschütterungen erfahren habe.

Der Schaden für Bayern und für Deutschland ist immens.

SPD-Chefin Saskia Esken

Nach Ansicht der SPD-Chefin Saskia Esken schadet die Flugblatt-Affäre dem Ansehen ganz Deutschlands. „Der Schaden für Bayern und für Deutschland ist immens“, sagte sie am Montag auf einer Pressekonferenz. Das Ausland beobachte die Affäre um ein antisemitisches Flugblatt aus der Schulzeit Aiwangers sehr genau.

Söders Entscheidung, an Aiwanger festzuhalten, kritisierte Esken scharf. „Diese Entscheidung ist sehr offensichtlich wahlkampfstrategisch getragen und sie ist ein fatales Signal. Sie ist Wasser auf die Mühlen aller derjenigen, die die NS-Zeit, die den Antisemitismus, die Rassismus verharmlosen.“

Grüne und FDP kritisieren Söders Entscheidung

Der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour forderte eine stärkere Aufklärung. „Es geht darum, dass er sich lieber als Opfer inszeniert, als dass er Reue zeigt“, sagte Nouripour am Montag.

Es gehe nicht um den Hubert Aiwanger mit 17 Jahren, sondern darum, wie dieser heute damit umgehe. Söder habe diesen Umgang mit seiner Entscheidung nur bestärkt, und diese Entscheidung sei damit falsch, sagte der Grünen-Chef. Das sei für eine Partei, die trotz der Differenzen mit den Grünen dafür gestanden habe, dass sie die staatstragende Mitte sein wollte, „schlicht beschämend“. 

Die 25 Fragen waren eher dafür, die Position des bayerischen Ministerpräsidenten zu stärken.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai

Die Grünen-Fraktionschefin im Bundestag, Britta Haßelmann, kritisierte Söders Entscheidung. „Ich halte diese Entscheidung für falsch“, sagte Haßelmann vor einer Fraktionssitzung am Montag. Sie bedauere, dass Söder sich im Fall des Freie-Wähler-Chefs „für Taktik und nicht für Haltung entschieden hat“. Haßelmann fügte hinzu: „Ich glaube, das ist bitter für Bayern.“

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai kritisierte das Verhalten Aiwangers in der Flugblatt-Affäre als „nicht überzeugend“. „Es geht hier nicht um die Vergangenheit von Herrn Aiwanger, sondern es geht darum, wie er damit heute umgeht“, sagte Djir-Sarai am Montag. Er glaube auch nicht, dass die 25 Fragen, die ihm Söder gestellt habe, zur Aufklärung gedacht gewesen seien. „Die 25 Fragen waren eher dafür, die Position möglicherweise des bayerischen Ministerpräsidenten zu stärken.“

Zentralrat der Juden versteht Söders Entscheidung

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, bezeichnete das Festhalten am bayerischen Vize-Regierungschef Aiwanger unterdessen trotz der Affäre um ein antisemitisches Flugblatt als insgesamt nachvollziehbar. „In der Gesamtbetrachtung ist die Entscheidung des Ministerpräsidenten für mich nachvollziehbar“, sagte Schuster am Montag laut Mitteilung.

Der Umgang Aiwangers mit den Vorwürfen bleibe irritierend. „Immer wieder betonte er eine politische Kampagne gegen ihn als Person und konnte sich erst spät zu einer Entschuldigung durchringen. Ich vermisse bisher bei Hubert Aiwanger eine wirkliche innere Auseinandersetzung mit den Vorwürfen und seinem Verhalten zur Schulzeit.“

Söder hatte am Sonntag verkündet, Aiwanger trotz der Flugblatt-Affäre im Amt zu belassen und die Koalition mit den Freien Wählern auch nach der Landtagswahl am 8. Oktober fortsetzen zu wollen. Dafür gab es viel Kritik aus der Landes- und Bundespolitik. So wurde Söder unter anderem vorgeworfen, angesichts der bevorstehenden Wahl aus „politischem Kalkül“ agiert zu haben. (dpa, Tsp)

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