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Legt sich mit der Parteiführung an: Kai Wegner, Regierender Bürgermeister von Berlin.

© dpa/Fabian Sommer

Fünf Jahre keine Schuldenbremse?: Kai Wegner ohne Kredit in der CDU-Spitze

Der Vorstoß des Berliner Regierenden Bürgermeisters für mehr schuldenfinanzierte Investitionen stößt in seiner Partei vor allem auf Ablehnung. Und erinnert an einen früheren Fall.

War Kai Wegner mutig, vorwitzig oder dreist? Will er eine Revolution in der CDU? Oder hat er das nochmalige Aussetzen der Schuldenbremse im Grundgesetz für weitere fünf Jahre nur gefordert, weil seine Berliner Koalition gerade ein kreditfinanziertes Sondervermögen beschlossen hat, das möglicherweise vor dem Landesverfassungsgericht landet?

Schwarz-Rot in der Hauptstadt hat die Neuverschuldung von bis zu zehn Milliarden Euro mit der Doppelkrise von Klimawandel und Energiepreisschock begründet. Also mit einer Notlage, die Ausnahmen von der Schuldenregel erlauben würde. Die Ampel auf Bundesebene aber macht genau das nicht mehr.

Vor allem Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), bisher unterstützt von Kanzler Olaf Scholz (SPD), hat die Krise für beendet erklärt und schon mit dem Etat für 2023 die Schuldenbremse wieder wirken lassen.

Als CDU sollten wir den Mut haben, neu zu denken

Kai Wegner, Regierungschef in Berlin

Da käme es Wegner und seiner Regierung schon gelegen, wenn sich die Bundes-CDU dagegenstellen würde. Seine Partei solle „den Mut haben, neu zu denken“, fordert er. „Die Schuldenbremse darf keine Zukunftsbremse sein“, schreibt er auf Twitter unter großer Zustimmung bis weit nach links.

„Wir sollten auch den Ökonomen zuhören, die Kredite nicht per se verteufeln“, fährt Wegner recht ketzerisch fort. „Es geht um Investitionen in krisenhaften Zeiten.“

Und weiter: „Unser Land hat so viel aufzuholen. Wir können jetzt investieren oder der gesamten Infrastruktur weiter beim Bröckeln zuschauen.“ Auf fünf Jahre, hatte Wegner zuvor dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gesagt, solle die Schuldenbremse nochmals ausgesetzt werden. Was darauf hinausläuft, die kommenden fünf Jahre auch als Krisenzeit zu definieren.

Linnemanns Vollbremsung

Das war dann doch deutlich zu viel für Carsten Linnemann. „Die Schuldenbremse ist unverrückbar“, sagte der CDU-Generalsekretär der „Neuen Zürcher Zeitung“. Die CDU werde davon „keinen Millimeter abweichen“. So klingt eine Vollbremsung.

Thorsten Frei, der Parlamentarische Geschäftsführer der Unions-Fraktion im Bundestag, sagte dem Tagesspiegel: „Das Schuldenmachen heißt nichts anderes, als Probleme in die Zukunft zu verschieden. Aus gutem Grund steht die CDU/CSU-Bundestagsfraktion für die Einhaltung der Schuldenbremse.“ Wenn man über Nachhaltigkeit spreche, müsse man auch für einen ordentlichen Staatshaushalt einstehen.

Frei: Kein Einnahmeproblem

Kreditaufnahmen außerhalb des Haushaltsplanes müssten die Ausnahme bleiben, sagte Frei mit Blick auf das Berliner Sondervermögen. „Machen wir uns nichts vor: Der Staat verbucht Rekordsteuereinnahmen. Wir haben kein Einnahmeproblem, sondern ein Ausgabeproblem.“ 

Wer immer mehr Schulden macht, wird abgewertet. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist daher goldrichtig.

Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger

Der CDU-Wirtschaftspolitiker Yannick Bury sekundierte: „Wirtschafts- und finanzpolitisch muss es jetzt darum gehen, die Inflation zu bremsen und Strukturprobleme zu beseitigen. Für beide Ziele ist ein Konjunkturpaket nicht nur völliger Quatsch, sondern kontraproduktiv.“

Immerhin: Dennis Radtke, EU-Parlamentarier der CDU und auf dem Arbeitnehmerflügel der Partei angesiedelt, unterstützt Wegner. Er sieht eine doppelte Nachfrage- und Angebotskrise und fordert ebenfalls mehr Investitionen. „Wir werden uns aus dieser Krise nicht heraussparen“, lautet seine Meinung.

Der Zwist dürfte einem (ehemaligen) Prominenten in der CDU bekannt vorkommen. Helge Braun, damals Kanzleramtsminister unter Angela Merkel, hatte im Januar 2021 angeregt, die Schuldenregel im Grundgesetz wegen der Pandemiefolgen zu ändern und sie dadurch für einige Jahre praktisch auszusetzen. „Die Schuldenbremse ist in den kommenden Jahren auch bei ansonsten strenger Ausgabendisziplin nicht einzuhalten“, sagte er damals. Der Widerspruch in der Union war vehement.

Dass Wegner den Bundesfinanzminister wegen dessen restriktiver Schuldenpolitik als „Totengräber des Industriestandorts Deutschland“ bezeichnete, rief auch die FDP auf den Plan. Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger entgegnete dem Berliner Regierenden Bürgermeister: „Wer immer mehr Schulden macht, wird abgewertet. Die Einhaltung der Schuldenbremse ist daher goldrichtig.“

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