zum Hauptinhalt
Die Vertreter der Anklage sowie die Richter im Gerichtssaal des Kammergerichts Berlin.

© dpa/Bernd von Jutrczenka

„Gefährdung der Staatssicherheit“: Was die Öffentlichkeit im Prozess gegen den BND-Mann nicht hören darf

Vor dem Kammergericht Berlin muss sich ein leitender Mitarbeiter des BND wegen Landesverrats verantworten. Ärger gibt es wegen der Frage, was geheimgehalten werden muss.

Was darf die Öffentlichkeit erfahren in einem Prozess, in dem es um Staatsgeheimnisse gehen soll? Wie viel darf andererseits geheim gehalten werden, wenn Verhandlungen grundsätzlich öffentlich geführt werden müssen? Auch um diese Fragen geht es in dem Landesverrats-Prozess, der derzeit vor dem Berliner Kammergericht geführt wird.

Angeklagt sind ein leitender Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) und ein mutmaßlicher Mittäter. Sie sollen während des Ukraine-Krieges geheime Dokumente des BND an den russischen Geheimdienst weitergegeben haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihnen besonders schweren Landesverrat vor.

Am Donnerstag, dem zweiten Prozesstag, verkündete der Vorsitzende Richter Detlev Schmidt, dass die Öffentlichkeit für die Verlesung eines Teils der Anklageschrift ausgeschlossen werde. Medienvertreter und Zuschauer mussten den Saal zwischenzeitlich verlassen.

Am ersten Prozesstag war die Verlesung der Anklageschrift unterbrochen worden, weil drei Seiten als geheim eingestuft sind. Während die Bundesanwaltschaft diesen Teil unter Ausschluss der Öffentlichkeit verlesen wollte, trat die Verteidigung des BND-Manns Carsten L. dem Antrag entgegen. Der Rechtsanwalt Johannes Eisenberg kritisierte die Geheimhaltungspraxis in dem Verfahren scharf. Er argumentierte, dass auf diese Weise der Öffentlichkeit vorenthalten werde, was Carsten L. angeblich verraten haben soll.

Als Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit nannte Schmidt eine „Gefährdung der Staatssicherheit“. In dem Teil der Anklageschrift würden Staatsgeheimnisse erörtert. Zugleich sagte der Vorsitzende Richter, die betreffende Passage enthalte Konkretisierungen zu Projekten der Informationsgewinnung, und zwar bei „Kampfeinheiten, die der Russischen Föderation zugeordnet werden“.

„Die Wagner-Kommunikation wurde gehackt“

Damit wurden indirekt frühere Medienberichte bestätigt, wonach die von Carsten L. angeblich weitergegebenen Dokumente die Fähigkeit des BND betreffen, die Chats der russischen Söldnergruppe Wagner mitzulesen. Auch der Verteidiger Eisenberg sagte vor Gericht: „Die Wagner-Kommunikation wurde gehackt.“ Dabei berief er sich auf die Medienberichte, da die Verteidigung auch im Prozess nicht aus den als geheim eingestuften Teilen der Akten zitieren darf. Die Wagner-Söldner hatten in der fraglichen Zeit im vergangenen Jahr auf der Seite Russlands in der Ukraine gekämpft.

Der Landesverrats-Prozess findet unter erhöhten Sicherheitsvorkehrungen statt. Wenn in der Verhandlung Staatsgeheimnisse zur Sprache kommen, müssen die Verteidiger ihre Handys in Holzkisten verwahren, die das Abhören unmöglich machen sollen. Die umfangreichen Akten dürfen weder digitalisiert noch kopiert werden. Journalisten dürfen nicht einmal einen eigenen Kugelschreiber mit in den Gerichtssaal bringen.

Es gibt keinerlei objektiven Beweis dafür, dass es den anklagegegenständlichen Verrat gegeben hat.

Johannes Eisenberg, Verteidiger von Carsten L.

Die beiden Angeklagten Carsten L. und Arthur E. wollten sich am Donnerstag noch nicht zu den Vorwürfen gegen sie äußern. Arthur E., der als Kurier und Mittelsmann zwischen Carsten L. und dem russischen Geheimdienst FSB fungiert haben soll, wird aber voraussichtlich im Januar zu den Vorwürfen Stellung nehmen. Er hatte bereits in den USA und später in Deutschland umfangreich ausgesagt.

Eisenberg erhob in seiner Eröffnungserklärung am Donnerstag schwere Vorwürfe gegen die Bundesanwaltschaft, den BND, gegen das ermittelnde Bundeskriminalamt und gegen ausländische Geheimdienste. Er sprach von „Manipulationen des Mitangeklagten, der Bundesanwaltschaft, des BND, des BKA sowie der Souffleure von FBI und CIA“. Es gebe „keinerlei objektiven Beweis dafür, dass es den anklagegegenständlichen Verrat gegeben hat“. Die Anklage stütze sich im Wesentlichen auf die Aussagen des Mitangeklagten Arthur E., der „hoch manipulativ“ und ein „Hochstapler“ sei.

Will der Angeklagte einen Verdacht auf die Ukraine lenken?

Zugleich stellte Eisenberg die Vermutung an, dass es sich bei dem ausländischen Geheimdienst, der den BND über den angeblichen Verrat informiert haben soll, um den ukrainischen GUR handeln könnte. Der GUR sei ein „Militärgeheimdienst, der vor schwersten Straftaten nicht zurückschreckt, um die Ziele seiner Regierung durchzusetzen“. Dieser könne, so mutmaßte Eisenberg, das Material auch selbst hergestellt haben.

In der JVA Moabit, in der die beiden Angeklagten in Untersuchungshaft sitzen, war Ende November ein Kassiber sichergestellt worden, das von Carsten L. stammen soll. Darin versucht er offenbar Arthur E. zu überreden, seine Aussagen zurückzunehmen, und gibt ihm Hinweise, was er sagen soll.

Offenbar will der BND-Mitarbeiter, der den Brief mutmaßlich verfasste, den Verdacht auf die Geheimdienste der USA und der Ukraine lenken, die als Drahtzieher in dem Fall dargestellt werden sollen: Die CIA und der GUR hätten „zusammengearbeitet, um den BND zu diskreditieren“.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false