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Stefan Naas, FDP-Spitzenkandidat für die Landtagswahlen in Hessen

© dpa/Andreas Arnold

Hessischer FDP-Spitzenkandidat Stefan Naas: Der Marktschreier

Stefan Naas, FDP-Spitzenkandidat in Hessen, muss seine Partei zurück in den Landtag führen. Schafft er es nicht, wären die Auswirkungen auf die Ampelkoalition fatal. 

Stefan Naas hat sich in Rage geredet. „Der Kampf gegen das Auto muss aufhören!“, ruft er. Der hessische FDP-Spitzenkandidat steht auf der Bühne in einem Kongresszentrum in Wiesbaden, rund 700 Zuhörer sind in einem Saal, der wirkt, als würden locker doppelt so viele hineinpassen. „Weil wir Freie Demokraten, wir ringen um die hessische Innenstadt“, ruft Naas.

Von der bedrohten Innenstadt zum bedrohten Handwerk. „Wir brauchen den Zimmermann! Wir brauchen den Glaser!“ Naas brüllt, ballt die Fäuste. „Deswegen ist es auch eine Frage der Gerechtigkeit, dass der Meisterbrief kostenfrei wird!“ Seine Stimme überschlägt sich fast.

Am Sonntag ist Landtagswahl. Für die FDP ist Stefan Naas, 49, promovierter Jurist, die Haare nach hinten gegelt, deswegen zu einem der wichtigsten Politiker Deutschlands geworden. Obwohl ihn kaum jemand kennt. Obwohl er nicht nach Berlin will. Doch Hessen ist für die FDP kein beliebiges Bundesland. Hier gründete sich die Partei 1948.

Hessen darf aus FDP-Sicht nicht verloren gehen

Erst einmal flog die FDP aus dem Landesparlament, im Jahr 1982. Selbst 2013, an dem Tag, an dem die Partei an der Fünf-Prozent-Hürde auf Bundesebene scheiterte, schaffte sie den Wiedereinzug.

Spricht man FDP-Bundespolitiker darauf an, sagen sie, Hessen dürfe nicht verloren gehen. Passiert es doch, kann niemand die Auswirkungen auf die Bundespolitik voraussagen. Eins aber ist sicher: Sie wären fatal. Das Wohl der Ampelkoalition hängt nun also auch von Stefan Naas ab.

Im Wiesbadener Publikum lehnt ein Mann an einem Stehtisch. Er sagt, er finde Naas „unangenehm“.  „Er schreit mir zu viel“, „marktschreierisch“ nennt er es. Er fügt hinzu, dass er glaube, vielleicht müsse es so sein, weil die Menschen sonst nicht zuhörten. Er ist FDP-Mitglied, macht Wahlkampf für Naas.

Stefan Naas beim Bundesparteitag der FDP im April in Berlin.
Stefan Naas beim Bundesparteitag der FDP im April in Berlin.

© Imago/Future Image/J. MW

Es ist nicht nur Naas‘ Rhetorik, die ihn umstritten macht. Auf den Wahlkampfplakaten blickt er ernst in die Kamera. Die Sprüche: „Vom Gendern kommen auch keine neuen Lehrer-innen“, „Bürokratie ist therapierbar“, und „Freiheit fährt FDP“. Das letzte gefällt Naas besonders gut. „Geil. Bestes Plakat ever“, sagt er.

„Wir sind sehr zufrieden mit der Kampagne, weil sie auffällt“, sagt er. Naas erzählt von einem CDU-Politiker, der ihn darauf angesprochen habe, der empört gewesen sei, wie könne die FDP nur so etwas drucken? „Dann hab ich gesagt: Ja, aber Du redest drüber.“

Naas muss auffallen

Die Kampagne, der Kandidat, die Partei: Sie müssen auffallen, sonst hat Naas wenig Chancen, die FDP wieder in den Landtag zu führen. Naas war wirtschaftspolitischer Sprecher seiner Landtagsfraktion, vorher Bürgermeister seiner Heimatgemeinde Steinbach (Taunus), bevor er Spitzenkandidat wurde. Nicht die größte Bühne. In Umfragen liegt er bei fünf bis sechs Prozent.

Ein Gärtnereibesuch in Bad Homburg. In Deutschland ist das Pro-Kopf-Einkommen nirgendwo höher als hier. Der Gärtnereiverband hat eingeladen, es gibt Redebedarf. Klagen über strenge Vorgaben zum Einsatz chemischer Pestizide selbst für Zierpflanzen. Über überbordende Bürokratie. Darüber, dass der Betrieb zwar eine nachhaltige Holzhackschnitzelanlage betreibt, aber die Wärme, die entsteht, nicht in das Netz einspeisen dürfe. Über Waldbesitzer, die Holz nach Österreich verkaufen.

Hört man den Gärtnern eine Weile zu, gewinnt man den Eindruck, dass sehr viel sehr schlecht läuft im Land. Naas beklagt den Zustand der CDU in Bad Homburg, er beschwert sich über die SPD („Es geht der SPD nur um günstiges Wohnen! Nicht um den privaten Wohnungsbau!“), verteidigt die Marktwirtschaft (deswegen dürften Waldbesitzer durchaus Holz nach Österreich verkaufen) und inspiziert den Ofen für die Holzhackschnitzel.

Die Gärtner, so stellt sich später heraus, hadern vor allem mit der Ampelkoalition in Berlin. Viele sind CDU-nah. Naas sitzt zwischen Männern, die zwar unzufrieden sind, aber deswegen nicht unbedingt FDP wählen würden. Vor allem nicht diese FDP, die im Bund mitregiert. „Die sollen sich anstrengen“, sagt ein Unternehmer, „dann fliegen sie auch nicht raus“. Ob er selbst FDP wählen würde? Er blickt skeptisch. Die schwarz-grüne Landesregierung funktioniere, sagt er. „Da scheint die Chemie zu stimmen.“

Als sich die Landes-FDP für den Spitzenkandidaten Naas entschied, entschied sie sich für die konservative FDP. Eine Art Gegenentwurf zu den Ampel-Befürwortern, die es in der Bundes-FDP nach wie vor gibt. Mit dem hessischen FDP-Ehrenvorsitzenden Wolfgang Gerhardt hat er „Freiheit und Fairness – ein kleines Manifest“ geschrieben. Es seien „autoritäre Systeme im Vormarsch“, gleichzeitig gebe es eine „kulturelle Revolution“ gegen alles, „was für viele Menschen das Leben lebenswert macht“. Eine provokante Sprache. Naas würde sie wohl klar nennen.

Doch von der Ampelkoalition in Berlin kann er sich nicht freimachen. Er hat die Kraft dazu nicht. Genauso wenig wie die Bundes-FDP sich von ihm lösen kann. „Die Ampel im Bund hat Erfolge“, sagt er, „soll ich sie Ihnen aufzählen?“ Er klingt angestrengt.

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