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Die Bundeswehr fliegt ihre Einsätze in Syrien vom türkischen Stützpunkt Incirlik aus.

© Bundeswehr/Falk Bärwald/dpa

Update

Krieg in Syrien: Regierung prüfte Anti-IS-Einsatz zu wenig

Der Einsatz der Bundeswehr in Syrien gegen den IS ist umstritten. Jetzt wird klar: Die Regierung hat die rechtlichen Grundlagen offenbar nicht ausreichend geprüft.

Die Bundesregierung hat die rechtliche Legitimation des Bundeswehr-Einsatzes in Syrien zur Bekämpfung der Terrormiliz IS offenbar weniger intensiv geprüft, als sie offiziell bekannt gab. In einem Rechtsstreit mit dem Tagesspiegel um Offenlegung der betreffenden Dokumente teilte das Auswärtige Amt (AA) mit, dass die Regierung seinerzeit „die Frage des rechtlich zulässigen Handlungsrahmens von vornherein mit den von Frankreich erwarteten (…) militärischen Beistandsleistungen verband“.

Frankreich hatte nach den Terroranschlägen in Paris im November 2015 erstmals in der Geschichte der Europäischen Union Beistand nach Artikel 42 Absatz 7 des EU-Vertrags beantragt, der den „Fall eines bewaffneten Angriffs auf das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats“ voraussetzt. Der Bundestag hatte daraufhin im Dezember die Beteiligung der Bundeswehr am Kampfeinsatz gegen den „Islamischen Staat“ (IS) beschlossen.

In der Begründung zum Beschluss bezogen sich Regierung und Parlament ausdrücklich auch auf diese sogenannte Beistandsklausel. Das Auswärtige Amt erklärte, die völker- und verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Entsendung der Streitkräfte seien von den zuständigen Stellen der Bundesregierung „ausführlich und sorgfältig geprüft worden“.

Nunmehr teilt das Außenministerium in einem Schreiben an das Gericht mit, die Regierung habe damals „keine von den tatsächlichen Geschehnissen unabhängige Prüfung der rechtlichen Reichweite der Beistandsklausel vorgenommen“. Es habe auch „keine abstrakte Untersuchung“ zu den durch die Klausel begründeten Rechtspflichten gegeben.

Linkspartei: Einsatz beenden

Die Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag Sahra Wagenknecht wirft der Regierung Lüge vor: „Offenbar hat die Bundesregierung Parlament und Öffentlichkeit hinsichtlich der rechtlichen Prüfung der Beistandsklausel getäuscht“, sagte sie dem Tagesspiegel.

„Wir sehen uns in unserer Entscheidung bestärkt, Klage vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht zu haben.“ Der Einsatz der Bundeswehr sei nicht nur politisch falsch, sondern auch rechtswidrig und müsse umgehend beendet werden.

Grüne ärgern sich über "Hauruck-Verfahren" im Bundestag

Auch die Grünen übten heftige Kritik an der Vorgehensweise der schwarz-roten Koalition. Das Regierungsbündnis habe das Mandat dafür im Eiltempo „durch den Bundestag gepeitscht“, sagte die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünenfraktion im Bundestag, Britta Haßelmann, dem Tagesspiegel. „Wir haben davor gewarnt, dieses Mandat innerhalb von einer Woche im Hauruck-Verfahren zu beschließen. Massive inhaltliche Bedenken, drängende Fragen nach der Rechtsgrundlage und Kritik am unsäglichen Beratungsverfahren wurden von der großen Koalition einfach abgebügelt.“ Dies sei weder in der Sache noch gegenüber dem Parlament gerechtfertigt gewesen, sagte Haßelmann. „Bundeswehrmandate von solch einer Tragweite müssen sorgfältig und ausführlich beraten werden.“

Das Berliner Verwaltungsgericht hatte im Juli auf eine Tagesspiegel-Klage hin entschieden, das AA müsse die rechtlichen Grundlagen für den Anti-IS-Einsatz der Bundeswehr sowie für die Awacs-Mission in der Türkei ausführlicher als bisher öffentlich erklären und seine juristischen Prüfungen offenlegen (Az.: VG 27 L 497. 15). Bei der parallel laufenden Awacs-Mission ist umstritten, ob die Regierung die Zustimmung des Bundestags hätte einholen müssen. Das Auswärtige Amt erhob gegen den Beschluss Beschwerde am Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.

Ministerium sieht Öffentlichkeit ausreichend informiert

Das Ministerium steht auf dem Standpunkt, die Öffentlichkeit sei mit den Ausführungen im Bundestagsbeschluss und sonstigen öffentlichen Erklärungen ausreichend über die Legitimation der Einsätze informiert worden. Weitere Einzelheiten der verfassungs- und völkerrechtlichen Prüfung gehörten zum Kernbereich exekutiver Willensbildung und müssten dauerhaft geheim gehalten werden. Politische und juristische Fragen seien darin untrennbar miteinander verschränkt. Das Verwaltungsgericht hatte diese Darlegungen für „wenig nachvollziehbar und einleuchtend“ gehalten.

Auch die Grünen hatten den Einsatz kritisiert und mehrheitlich gegen ihn gestimmt. „Luftangriffe allein sind doch noch keine militärische Strategie“, sagte Fraktionschef Anton Hofreiter damals.

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