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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hält eine Rede während eines Abendessens zur Feier des 50-jährigen Bestehens der Sozialistischen Partei Portugals in Lissabon.

© dpa/Armando Franca

Mangelnde Machtperspektiven: Die Misere der SPD in den Ländern ist eine Last für Scholz

Mit der Wahl Kai Wegners an die Spitze Berlins verliert die SPD einen Ministerpräsidenten. In etlichen Bundesländern sieht es für die Genossen ähnlich düster aus.

Es klingt paradox, und entspricht doch der politischen Realität: Am Donnerstag wird sich die SPD in Berlin selbst abwählen - jedenfalls an der Spitze der Stadt. Kai Wegner (CDU), so ist der von den Genossen mitgetragene Plan, soll Franziska Giffey (SPD) ablösen. Damit verlieren die Sozialdemokraten nach gut 20 Jahren die Berliner Senatskanzlei und einen Platz in der Runde ihrer Ministerpräsidenten.

Bitter für Kanzler Olaf Scholz und die Bundes-SPD: Nicht nur in Berlin befinden sich die Sozialdemokraten in einer miserablen Lage. Düster sieht es für die Partei in diversen Ländern aus, unter anderem in ihren einstigen Hochburgen Hessen und Nordrhein-Westfalen.

„Hessen vorn“ – das war einmal

„Hessen vorn“ lautete einst das Motto der SPD. Nun liegen sie eher hinten. In weniger als einem halben Jahr, am 8. Oktober, wählt Hessen einen neuen Landtag. In der jüngsten Infratest Dimap Umfrage liegt die SPD bei nur 20 Prozent - und damit auf dem dritten Rang hinter CDU (32 Prozent) und Grünen (22 Prozent).

Das ist eine schwere Ausgangsbasis für SPD-Spitzenkandidatin Nancy Faeser. Die Bundesinnenministerin kandidiert in Hessen, will aber nur als Ministerpräsidentin zurück nach Wiesbaden gehen. Diese Strategie löst Kopfschütteln in der SPD aus. In der Bundes-SPD hatte man darauf gesetzt, Faeser werde vorbehaltlos in Hessen antreten.

Bitter für Faeser: Bei einer Direktwahl käme Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) einer Umfrage des Hessischen Rundfunks zufolge auf 32 Prozent, Vize-Ministerpräsident Tarek Al-Wazir (Grüne) auf 23 Prozent. Faeser hingegen schöpft nicht einmal das Potenzial ihrer Partei aus, dümpelt bei 17 Prozent auf Platz drei. Und: Gerade einmal 44 Prozent der SPD-Anhänger würden für Faeser stimmen. 

Auf Basis der gegenwärtigen Umfragen spricht daher wenig für eine Ministerpräsidentin Faeser. Dabei war Hessen einst ein Stammland der SPD, sie stellte in den ersten 50 Jahren seit Bestehen des Landes fast durchgehend den Regierungschef. Seit 1999 regiert die CDU Hessen, seit rund zehn Jahren in einer Koalition mit den Grünen.

Trümmer-SPD in Nordrhein-Westfalen

Einst holte die SPD in Nordrhein-Westfalen Wahlergebnisse von 50 Prozent und mehr. Hannelore Kraft verlor 2017 ihr Amt als Ministerpräsidentin, nachdem sie immerhin noch 31,2 Prozent geholt hatte. Fünf Jahre später kam Spitzenkandidat Thomas Kutschaty auf nur noch 26,7 Prozent, lag damit weiter hinter der CDU. Aufgearbeitet wurden die Schlappen nie, die SPD kreiste um sich selbst statt um ihre (einstigen) Wählerinnen und Wähler.

In der jüngsten Umfrage, von Forsa für die Mediengruppe Funke ermittelt, kommt die SPD auf nur noch 20 Prozent. Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) regiert derweil geräuschlos mit den Grünen, mancher sieht in ihm gar schon einen Unions-Kanzlerkandidaten 2025.

20
Prozent, das ist der aktuelle Umfragewert der SPD in NRW

Die NRW-SPD liegt auch personalpolitisch in Trümmern. Im März trat Kutschaty vom Landesvorsitz zurück, führt seither nicht einmal mehr die Geschäfte. Er war an der Nominierung eines Generalsekretärs gescheitert. Die Nachfolge? Offen. Orientierungslosigkeit herrscht in der Partei, wo einst Johannes Rau, Peer Steinbrück und Franz Müntefering Politik prägten.

Inhaltliche Impulse gibt sie schon lange nicht mehr. Vergangen sind die Zeiten, in denen in der SPD „ohne NRW nichts geht“. Am 26. August soll nun eine neue Parteispitze gewählt werden.

In Bayern bei zehn Prozent

Dem strukturell schwachen SPD-Landesverband Bayern steht bei der Landtagswahl am 8. Oktober ein weiterer Nackenschlag bevor. Zehn Prozent der Bayern würden derzeit SPD wählen, ermittelte Insa für die „Bild“-Zeitung. Die CSU liegt bei 40 Prozent, die Grünen bei 18 Prozent. Spitzenkandidat Florian von Brunn führt einen aussichtslosen Kampf, indem er sich an Ministerpräsident Markus Söder (CSU) abarbeitet.

In Bayern ist die SPD nahezu chancenlos, hier dominiert Markus Söder (CSU)
In Bayern ist die SPD nahezu chancenlos, hier dominiert Markus Söder (CSU)

© dpa/Sven Hoppe

Düstere Zeiten für die Ost-SPD

Vor wenigen Tagen trat Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst (SPD) zurück, weil sie in ihrer Schulpolitik keine Rückendeckung durch die eigene Fraktion sah. Das zeigt: Selbst in der einst erfolgreichen SPD in der Mark (Stolpe! Platzeck!) rumpelt es. Schon ist von einer Woidke-Dämmerung die Rede. Ministerpräsident Dietmar Woidke steht 2024 vor seiner wohl schwierigsten Wahl. Woidkes SPD rangiert derzeit bei 21 Prozent, wie es Insa für den „Nordkurier“ ermittelte. 2019 kam sie immerhin noch auf 26 Prozent.

Bei den Landtagswahlen im Osten im nächsten Jahr (Brandenburg, Sachsen, Thüringen) drohen der SPD diverse Debakel. Unter anderem der Verlust des Ministerpräsidenten in Potsdam - ein Amt, das die SPD durchgehend seit 1990 besetzt.

Für Olaf Scholz sind die düsteren Aussichte in den Ländern eine schwere Belastung. Jede SPD-Wahlniederlage nagt am Kanzler. Ohne eine funktionierende NRW-SPD wird Scholz kaum die Bundestagswahl 2025 gewinnen können. Mit der Europawahl im Mai 2024 droht eine weitere Klatsche. Die SPD schneidet bei Europawahlen stets unterdurchschnittlich ab. 2019 errang sie unter der Führung von Katarina Barley kümmerliche 15,8 Prozent. Mancher Genosse fürchtet schon jetzt ein neues Rekord-Tief.

Hoffnungsschimmer Bremen

Die SPD bemüht sich derweil um eine Mischung aus Optimismus und Verdrängung, indem sie nach Bremen blickt. Dort wird am 14. Mai gewählt, Bürgermeister Andreas Bovenschulte (SPD) steht recht gut da. Die jüngste Umfrage sieht seine Partei bei 31 Prozent. So ermittelte es Infratest Dimap für Radio Bremen und „Nordsee-Zeitung“. 2019 holte die SPD hier 26 Prozent. Gute Daten also. Andererseits: Bremens Rathaus liegt seit jeher in Händen der SPD, und im kleinsten Bundesland leben keine 700.000 Menschen - nicht einmal ein Prozent aller Einwohner Deutschlands.

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