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Olaf Scholz wandte sich in seiner Rede direkt an jene im Land, die Unterstützungsleistungen benötigen: „In Ihrem Alltag – hier und heute – ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts.“ 

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Merz nennt ihn „Klempner der Macht“ : Scholz bleibt mit seiner Regierungserklärung im Ungefähren

Der Bundeskanzler zeigt keinen Ausweg aus der Haushaltskrise auf, sondern versucht, Zuversicht auszustrahlen. Selbst in der eigenen Koalition ist Enttäuschung zu vernehmen.

Wer von Olaf Scholz eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede erwartet hat, sieht sich getäuscht an diesem Dienstagvormittag. Wohl kündigt der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung zum bahnbrechenden Karlsruher Finanzurteil an, „natürlich auch Ausgaben zu beschränken“ im nächsten Haushalt, weil die mit Vorratsschulden gefüllten Töpfe nun leer sind.

Wo er den Rotstift anzusetzen gedenkt, erfahren die Abgeordneten jedoch nicht. Die Koalition ist sich noch nicht einig – das zeigt sich schon allein daran, dass die FDP-Fraktion an dieser Stelle klatscht, des Kanzlers SPD-Fraktion aber ausdrücklich nicht.

So kann er an diesem Tag eigentlich wieder nur sagen, welche Prinzipien ihn bei der Etataufstellung für das nächste Jahr leiten wird. Der Sozialdemokrat erneuert die Zusage, dass er keinen sozialen Kahlschlag plant und den Menschen in dieser Krise weiter geholfen wird. „You’ll never walk alone – das habe ich im vergangenen Jahr versprochen“, sagt Scholz, Liverpools Fußballhymne wiederholend. „Und dabei bleibt es.“

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Ein Kümmerer ohne Konkretes

Scholz versucht, als Kümmerer aufzutreten. Als Fels in der finanzpolitischen Brandung – der Staat stehe auch weiter zu seiner Zahlungsverpflichtung jenen gegenüber, die Rente, Bafög oder Wohngeld auszubezahlen: „In Ihrem Alltag – hier und heute – ändert das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nichts.“

You’ll never walk alone – das habe ich im vergangenen Jahr versprochen. Und dabei bleibt es.“

Olaf Scholz, Bundeskanzler

Nichts soll sich auch daran ändern, dass die Unterstützung der Ukraine wichtig bleibt wie die Digitalisierung oder der Umbau Deutschlands zur klimaneutralen Industrienation. So wäre es für Scholz „ein unverzeihlicher Fehler, über die Bewältigung all dieser akuten Herausforderungen die Modernisierung unseres Landes zu vernachlässigen.“

Das soll Unternehmen oder Projekten, die noch auf entsprechende Förderbescheide warten, die Unsicherheit nehmen – konkrete Zusagen, welche grünen Stahlwerke, Batterie- oder Chipfabriken künftig noch bezuschusst werden, aber fehlen.

Auch die Hilfen für die Menschen im von der Flutkatastrophe gebeutelten Ahrtal sollen weiter fließen. Der Kanzler begründet auch mit ihrem Schicksal die Notwendigkeit eines Nachtragshaushaltes für das laufende Jahr, der schon diesen Freitag beschlossen werden soll.

Energiepreisbremse läuft aus

Da passt es nicht ins Bild, dass die einzig wirklich konkrete Ansage ein Sparbeschluss ist. Scholz bestätigt die von seinem Finanzminister Christian Lindner (FDP) schon Ende vergangener Woche gemachte Ansage, dass die eigentlich bis April geplanten Energiepreisbremsen zum Jahresende auslaufen werden – „können“, wie der Kanzler sagt, weil die Preise „spürbar“ gefallen seien.

Beseelt wirkt die eigene Koalition von diesem Auftritt nicht. Obwohl den Koalitionären schon vorab bedeutet wurde, dass wegen der innerhalb der Regierung noch ungeklärten Fragen keine machtvolle Rede zu erwarten sei, macht sich im Anschluss doch etwas Ratlosigkeit breit.

Als sehr deskriptiv werden Scholz‘ Worte bei den Grünen beschrieben, allzu erklärend, zu wenig entscheidungsfreudig – wenn auch das Bekenntnis zu den Klimainvestitionen Hoffnungen weckt. Der Liberale Christoph Hoffmann hat sich ebenfalls mehr erwartet: „Ich verhehle nicht eine gewisse Enttäuschung – ich hatte mir vom Kanzler eine Art Agenda-2030-Rede mit Bekenntnis zur Schuldenbremse erhofft.“

Ich bin entsetzt, das war die blanke Verweigerung, das Dilemma überhaupt anzuerkennen.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt über Scholz’ Regierungserklärung

Die Opposition langt, wenig überraschend, noch sehr viel härter hin. Für AfD-Chefin Alice Weidel steht Deutschland gar kurz vor der Zahlungsunfähigkeit. „Ich bin entsetzt“, sagt aber auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt dem Tagesspiegel, „das war die blanke Verweigerung, das Dilemma überhaupt anzuerkennen.“

Unionsfraktionschef Friedrich Merz, der am Vorabend eine zweite Zeitenwende-Rede hören wollte, vermisst in seiner Replik auf den Kanzler „ein Wort der Entschuldigung“ dafür, das Land in diese finanzpolitische Lage gebracht zu haben. Der Oppositionsführer, der nach den eher verhaltenen Reaktionen auf Scholz nun lautstarken Beifall wie Protest hervorruft, wirft Scholz vor, hochpolitische Fragen nur rein technisch beantwortet zu haben.

Ende der parteiübergreifenden Zusammenarbeit?

Das gipfelt in einer persönlichen Attacke. „Sie sind ein Klempner der Macht“, sagt Merz an Scholz gewandt: „Sie können es nicht.“ Es ist der Augenblick, in dem eine parteiübergreifende Zusammenarbeit in der Krisenbewältigung oder gar Gedankenspiele zum Eintritt der Union in eine Koalition unter Scholz in sehr weite Ferne gerückt zu sein scheinen.

Die Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge attestiert Merz denn auch gleich, die Chance verpasst zu haben, als jemand aufzutreten, der in Zukunft Verantwortung für Deutschland tragen will. „Ist mir doch egal, ob diese Investitionen noch möglich sind“ – so fasst Dröge Merz‘ Aussagen zur Schuldenbremse zusammen. „Zum Glück gibt es noch eine andere Union“, sagt sie unter Verweis auf einige Ministerpräsidenten der Länder, die im Sinne wichtiger Fördervorhaben eine Reform der Verschuldungsregeln nicht ganz ausschließen.

Vermutlich hat sich Merz innerparteilich keinen Gefallen getan, als er feststellte, die CDU-Position zur Schuldenbremse werde „nicht im Rathaus von Berlin“ festgelegt und damit ordentlich gegen den dort regierenden Parteifreund Kai Wegner austeilt.

Die Regierungserklärung des Regierungschefs im Bundestag wurde mit Spannung erwartet. Der Kanzler konnte die hohen Erwartungen an seinen Auftritt nach Ansicht der Opposition nicht erfüllen.
Die Regierungserklärung des Regierungschefs im Bundestag wurde mit Spannung erwartet. Der Kanzler konnte die hohen Erwartungen an seinen Auftritt nach Ansicht der Opposition nicht erfüllen.

© dpa/Michael Kappeler

Die Schuldenbremse als Spaßfaktor

Auch der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr legt – wenn auch als Fan der Schuldenbremse – den Finger genüsslich in die Wunde: „Der einzige Unions-Ministerpräsident, der die Schuldenbremse diese Woche noch nicht infrage gestellt hat, ist Markus Söder“, stellt der Liberale fest. Um dann seine Pointe zu setzen: „Aber es ist ja auch erst Dienstag.“

SPD-Chefin Saskia Esken kann darüber herzlich lachen – sonst aber ist die Anspannung in der Koalition deutlich spürbar an diesem Dienstagvormittag. So wirft SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich seinem Ampelminister Lindner vor, den entlassenen Finanzstaatssekretär Werner Gatzer zum „Sündenbock“ gemacht zu haben. Das ist dann gar nicht so weit weg von der Kritik des Linksfraktionschefs Dietmar Bartsch, der Deutschland „ein Fachkräfteproblem mindestens bei Finanzministern“ attestierte.

Olaf Scholz hört sich das alles an – und will nun „in der nötigen Ruhe und in Verantwortung für unser Land“ die notwendigen Entscheidungen vorbereiten, die viele von ihm schon an diesem Dienstag erwartet haben.

„Sie können es nicht.“ Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) attackierte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede hart.
„Sie können es nicht.“ Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) attackierte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Rede hart.

© dpa/Melissa Erichsen

Unterstützung erhält er dabei von seinem Agrarminister. „Klempner sind Schaffer“, schreibt der in Richtung Merz: „Die lösen Probleme, stehen nicht nur daneben, während andere arbeiten.“

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