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Der frühere Ostbeauftragte der Bundesregierung: Marco Wanderwitz (CDU).

© Tsp/Stefan Weger

„Rechtsradikaler geht’s nicht“: Ex-Ostbeauftragter Wanderwitz sieht gute Chancen für ein AfD-Verbot

Der sächsische CDU-Politiker tritt vehement dafür ein, die populistische Partei auf juristischem Weg aus dem Rennen zu nehmen. Dies brächte aus seiner Sicht eine Atempause.

Das Jahr 2024 könnte die politische Landschaft in Deutschland radikal verändern: Neben der Europawahl am 9. Juni wird auch in Sachsen, Thüringen und Brandenburg gewählt. In den letzten Umfragen des Jahres 2023 lag die AfD in allen drei ostdeutschen Bundesländern vorn. Zum ersten Mal seit ihrer Gründung könnte die populistische Partei als Siegerin aus einer oder gar mehreren Landtagswahlen hervorgehen. Bundesweit erzielt sie in Umfragen seit Monaten Werte deutlich über 20 Prozent.

In der Debatte, wie die rechtsextremistische Partei gestoppt werden kann, dringt der frühere Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, weiter auf ein AfD-Verbot – und gibt ihm gute Chancen. Man dürfe nicht die gescheiterten NPD-Verbotsverfahren am Bundesverfassungsgericht zum Maßstab nehmen, sagte der sächsische CDU-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Wanderwitz ist Jurist und Bundestagsabgeordneter.

Drei Landesverbände der AfD gelten „gesichert rechtsextremistisch“

„Man muss auf die AfD schauen, wie sie heute ist. Da geht es um die Frage: Sind sie rechtsradikal und bekämpfen sie aggressiv die freiheitlich-demokratische Grundordnung? Ich sage: Mittlerweile ist die AfD das, was die NPD gewesen ist. Rechtsradikaler geht's nicht. Weder ist aber die AfD von V-Leuten durchdrungen, noch unbedeutend. Ein AfD-Verbotsverfahren hätte aus meiner Sicht ausgezeichnete Chancen.“

Wanderwitz wies darauf hin, dass inzwischen die drei Landesverbände in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft seien. „Ich gehe auch davon aus, dass die Hochstufung der Gesamtpartei als gesichert rechtsextrem eine Frage der Zeit ist“, sagte Wanderwitz.

Wenn wir eine Partei verbieten, die uns nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu einer noch größeren Solidarisierung mit ihr.

Carsten Schneider, derzeitiger Ostbeauftragter der Bundesregierung (SPD)

Um ein Verbotsfahren in Karlsruhe in Gang zu bringen, muss es entweder vom Bundestag, Bundesrat oder von der Bundesregierung beantragt werden.

Der derzeitige Ostbeauftragte der Bundesregierung, Carsten Schneider (SPD), hatte sich gerade gegen ein AfD-Verbotsverfahren ausgesprochen – und seiner Parteichefin Saskia Esken damit deutlich widersprochen. Davon halte er gar nichts, sagte Schneider Mitte der Woche der „Süddeutschen Zeitung“.

Ein Parteiverbot sei sehr schwer durchzusetzen und die juristischen Erfolgschancen betrachte er als gering. Entscheidend sei aber die politische Dimension. „Wenn wir eine Partei verbieten, die uns nicht passt, die in Umfragen aber stabil vorne liegt, dann führt das zu einer noch größeren Solidarisierung mit ihr“, sagte Schneider. „Und das selbst von Leuten, die gar keine AfD-Sympathisanten oder -Wähler sind. Die Kollateralschäden wären sehr hoch.“ 

Wanderwitz sagte, er könnte Schneiders Argumentation verstehen, wenn es nicht gerade große internationale Krisen und eine handwerklich besser agierende Bundesregierung gäbe. „Aber er steht in einem brennenden Haus und sagt: Wir bleiben im Gespräch. Ich halte das für fatal. Die Zeit arbeitet für die AfD. Das ist aus meiner Sicht auch der Versuch, diesem gesellschaftlichen Konflikt aus dem Weg zu gehen.“

Ihm sei klar, dass er mit seiner Position in der CDU in der Minderheit sei. „Das ist noch eine Mindermeinung. Ich arbeite dafür, dass das in meiner Partei und in der Politik insgesamt zur Mehrheitsmeinung wird, weil ich es dezidiert für dringend geboten halte. Und Gott sei Dank bin ich nicht allein.“  CDU-Chef Friedrich Merz hatte ein Verbotsverfahren gerade strikt abgelehnt und von „Scheindebatten“ gesprochen.

Wanderwitz will AfD-Wähler aus Blase herausholen

Auch Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hatte vor einem Verbotsverfahren gegen die AfD gewarnt. „Die Hürden für ein Parteiverbot hat das Bundesverfassungsgericht sehr hoch gesetzt“, sagte er der „Welt am Sonntag“. „Ein Verbotsverfahren wäre aus meiner Sicht mit großen Risiken verbunden.“

Wanderwitz sagte, ein AfD-Verbot brächte aus seiner Sicht eine Atempause. „Es bleibt mühselig. Ich glaube, einen Teil der AfD-Wähler, die Protestwähler sind, erreichen wir erst wieder, wenn wir die AfD mal zurücksetzen. Die allermeisten Leute, die momentan AfD wählen, sind in einer Blase, aus der wir sie nicht mehr schaffen herauszuholen, und diese Blase muss erstmal platzen.“ Erst dann könne man beispielsweise mit politischer Bildung wieder mehr erreichen.

SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Katja Mast sprach sich genau dafür aus – einen Schwerpunkt auf die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD zu setzen. „Es ist völlig richtig, ein Verbot der AfD zu prüfen, die in weiten Teilen erwiesen rechtsextremistisch ist“, sagte Mast dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. „Damit ist aber politisch noch nichts geklärt. Wichtiger ist eine Auseinandersetzung in der Sache.“

Die AfD ziele darauf ab, die Demokratie zu vernichten und Arbeitnehmer zu benachteiligen. Schon jetzt gefährde sie den Wohlstand in Deutschland. Spitzenverdiener sollten nach Vorstellung der AfD „besser gestellt werden auf Kosten der arbeitenden Mitte“, sagte Mast. „AfD-Politiker gefährden zudem den Wirtschaftsstandort Deutschland mit ihrer ständigen Hetze gegen Ausländer“. (lem)

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