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Wirtschaftsminister Robert Habeck im Bundestag

© Imago/Emmanuele Contini

Rezession und leere Pflegekassen: Das reformmüde Deutschland sollte von seinen Nachbarn lernen

In fast ganz Europa wächst die Wirtschaft, in Deutschland schrumpft sie. Mit 32-Stunden-Woche und Bürgergeld wird dieses Land keine Dynamik entfalten, um den Wohlstand zu wahren.

Daniel Friedrich Sturm
Ein Kommentar von Daniel Friedrich Sturm

Stand:

Es ist ein Offenbarungseid für die Bundesregierung und erst recht für den Wirtschaftsminister, der künftig dieses Land als Kanzler führen will. Auch 2024, im zweiten Jahr in Folge, schrumpft die deutsche Wirtschaft. Abermals muss sich Robert Habeck berichtigen: Das Bruttoinlandsprodukt sinkt – statt, wie von Habeck vorhergesagt, zu steigen. Deutschland steckt in einer Rezession.

Das allein wäre schon schlechte Nachricht genug. Noch bitterer aber: Deutschland ist abgehängt; die Wirtschaft in Frankreich und Italien wächst mäßig, in Spanien und Polen beachtlich. So ist die Lage im Herbst 2024: Polen ist dynamisch, Deutschland wirkt wie erstarrt.

Allein 30 Milliarden Euro fürs Bürgergeld

Woran liegt das? Gewiss, Deutschland hat infolge von Russlands Krieg gegen die Ukraine mehr zu schultern als andere Volkswirtschaften. Die Deutschen zahlen teuer für das einstmals billige Gas, das sie jahrzehntelang aus Russland bezogen haben.

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Billige Energie von Putin, Sicherheit durch die USA – mit dieser bequemen Strategie hat Deutschland seinen Sozialstaat jedes Jahr aufgebläht, immer neue Leistungen erfunden und erhöht. Dieses Jahr gibt Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) rund 30 Milliarden Euro allein für das Bürgergeld aus.

Dass Langzeitarbeitslose nun gar noch eine 1000-Euro-Prämie bekommen sollen, sofern sie wieder eine Arbeit aufnehmen, kann man im besten Falle als Witz, im schlechteren Falle als Schlag ins Gesicht aller fleißigen Menschen verstehen, die Steuern und saftige Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Zur Erinnerung: Das Bürgergeld soll in der Not helfen. Es soll ein Sprungbrett zurück in Arbeit sein, keine Hängematte, die die Solidargemeinschaft finanzieren muss.

Schon heute sind die Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland hoch. Mit dem Rentenpaket II werden sie abermals steigen. Und nun droht noch eine überplanmäßige Beitragserhöhung in der gesetzlichen Pflegeversicherung. Das wird teuer, und es wird die Laune im Land gewiss nicht heben.

Deutschland ist nahe der roten Laterne

Wirtschaft ist immer auch Psychologie. Natürlich hatten die Ampel und Kanzler Olaf Scholz (SPD) auf eine Belebung vor der Bundestagswahl 2025 gehofft. Noch im letzten Jahr beschwor Scholz ein neues „Wirtschaftswunder“, sah sein Land Scholz vor Wachstumsraten „wie zuletzt in den 1950er und 1960er Jahren“. In den Fünfzigerjahren wuchs die westdeutsche Wirtschaft im Schnitt um gut acht Prozent pro Jahr, im folgenden Jahrzehnt noch um gut vier Prozent. Nun ist Deutschland nahe an der roten Laterne in Europa. Kanzler und Wirtschaftsminister sind Minus-Männer.

Wie will Robert Habeck, von Beruf Wirtschaftsminister, mit dieser Bilanz, mit diesen Aussichten Bundeskanzler werden? Schon vor Monaten diagnostizierte Habeck, die Steuern für Unternehmen seien in Deutschland international nicht mehr wettbewerbsfähig. Das ist eine deutliche, geradezu krasse Feststellung. Aber was hat Habeck bisher getan, um die Misere zu lindern? Optimisten rechnen mit einem halben Prozent Wachstum infolge der „Wachstumsinitiative“ der Ampel. Deutschland ist genügsam geworden.

Robert Habeck wird nicht drumherum kommen, seiner Partei noch ein paar bittere Pillen zu verpassen. Eine „allgemeine Arbeitszeitverkürzung“ verlangt das Grünen-Grundsatzprogramm. Ist das angesichts von Fachkräftemangel und Rezession noch angemessen?

Seit Jahren lähmt sich Deutschland mit den Wünschen nach 32-Stunden-Wochen mit vollem Lohnausgleich und dergleichen. Es geht nicht darum, mit China um Löhne zu konkurrieren. Aber es wäre schon wünschenswert, könnte Deutschland mit den Niederlanden, der Schweiz oder Griechenland wetteifern.

Dabei soll niemand behaupten, einzelne Reformen führten zu einem „sozialen Kahlschlag“. Deutschland gibt jedes Jahr 1,2 Billionen Euro für Soziales aus. Allein im Bundeshaushalt macht der Sozialetat 40 Prozent aus. Nicht einmal Friedrich Merz will das gesetzliche Renteneintrittsalter erhöhen.

Deutschland braucht dringend eine breite Debatte über die Frage, wie das hohe Wohlstandsniveau bewahrt werden kann. Wie können wir wieder dynamisch werden? Fast alle Länder um uns herum geben sich mit der bürokratisch ausgefeilten Verwaltung des Status quo nicht zufrieden. Unsere Nachbarn wollen mehr. Deutschland sollte von ihnen lernen.

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