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Gregor Gysi

© Lukas Schulze/dpa

Update

Rot-Rot-Grün im Bund: SPD weist Vorstoß von Gysi als "absurd" zurück

Linksfraktionschef Gregor Gysi fordert ernsthafte Gespräche über Rot-Rot-Grün im Bund. Die SPD nennt das "absurd", bei den Grünen löst der Vorstoß eine lebhafte Debatte aus.

Von Matthias Meisner

Die SPD hat abweisend auf die Forderung von Linksfraktionschef Gregor Gysi reagiert, zeitnah Gespräche über die Bildung einer rot-rot-grünen Bundesregierung zu führen. "Gysis Idee ist absurd. Die SPD klärt ihre Koalitionsentscheidungen nicht in Arbeitsgruppen", sagte SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Montag auf Tagesspiegel-Anfrage. "Alle Spekulationen über die nächste Bundesregierung sind knapp drei Jahre vor der Wahl völlig aberwitzig."

Bei den Grünen dagegen löste der Gysis Vorstoß unterschiedliche Reaktionen aus. Parteichef Cem Özdemir sagte der "Rheinischen Post": "Das Ausloten einer Regierungsperspektive sollte nicht mit einem Talkshow-Auftritt verwechselt werden." Eine Annäherung an die bundesdeutsche Wirklichkeit könne er bei der Linkspartei bisher nicht erkennen. "Weder ein Anti-Euro-Kurs noch ein Anti-Israel-Kurs noch ein Pro-Putin-Kurs oder ein Pro-Schulden-Kurs ist mit uns machbar." Die Grünen stünden zwar mit allen im Parlament vertretenen Parteien regelmäßig im Austausch. Für Sondierungsgespräche sei es aber "drei Jahre vor der Bundestagswahl noch ein bisschen früh".

Offener zeigte sich Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner: "Natürlich werden wir ausloten, was geht und was nicht geht. Da sehe ich gar kein Problem", sagte er dem Tagesspiegel. Kellner sieht die Linkspartei "zerrissen zwischen Leuten, die gerne regieren wollen und Leuten, die das scheuen wie der Teufel das Weihwasser". Der Parteimanager fügte hinzu: "Offen und interessant wird sein, ob nach Bildung der rot-rot-grünen Regierung in Thüringen diejenigen in der Linkspartei stärkeren Einfluss bekommen, die offen für Regierungsbeteiligungen sind." Dabei geht Kellner davon aus, dass Gysis Vorstoß vor allem ein Signal an die eigenen Leute ist: "Gysi will weniger mit uns reden als mit den Hardcore-Kritikern in den eigenen Reihen, die strikt gegen eine Regierungsbeteiligung der Linken sind."

Der Offenbacher Grünen-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Strengmann-Kuhn, der sich seit längerem für einen "r2g"-Dialog einsetzt, sagte, er halte die ablehnende Reaktion von Özdemir auf das Angebot von Gysi für "völlig falsch". Auf Facebook schrieb Strengmann-Kuhn: "Wir sollten vielmehr den Vorschlag nach ernsthaften Gesprächen aufnehmen und Linke und SPD auffordern, zusammen mit uns über mögliche Perspektiven für 2017 zu reden. Auch der Vorschlag von Gysi, dabei alle Flügel der Parteien zu beteiligen ist sehr gut und absolut notwendig." Dazu gehören aus Sicht des Grünen-Bundestagsabgeordneten dann sowohl die "Wir-fühlen-uns-in-der-großen-Koalition-eigentlich-ganz-wohl"-Sozialdemokraten als auch die "Wir-wollen-gar-nicht-regieren"-Fundamentalisten der Linkspartei.

Grüne Jugend: Nicht Steigbügelhalter der CDU werden

Ähnlich wie Strengmann-Kuhn äußerte sich die Grüne Jugend. Deren Bundessprecherin Theresa Kalmer sagte: "Ich kritisiere die Aussagen von Cem Özdemir scharf. Es ist falsch, Gesprächsangebote der Linken auszuschlagen." Wer laufende Gespräche mit der CDU in der "Pizzaconnection" akzeptiere, aber Gesprächsangebote für Rot-Grün-Rot zurückweise, mache die Grünen zum Steigbügelhalter der CDU. "Die Unterstützung konservativer Machtpolitik darf nicht grüne Strategie sein. Gerade in Zeiten eines sichtbaren Rechtsrucks der CSU ist es wichtig, sich neue linke Bündnispartner zu erschließen." Ihr Ko-Sprecher Erik Marquardt gab zugleich aber zu, dass es "deutliche inhaltliche Differenzen" mit der Linkspartei gebe.

Gysi hatte am Wochenende im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) vorgeschlagen, die Parteivorsitzenden von SPD, Grünen und Linken sollten für gemeinsame Gespräche Personen benennen, die das gesamte politische Spektrum ihrer Parteien repräsentierten. "Wir müssen ausloten, wo wir uns inhaltlich annähern können." Auf Bundesebene gibt es bisher nur einen informellen Kreis aus Hinterbänklern im Bundestag, der nach Schnittmengen zwischen den drei Parteien sucht. "Es wird Zeit, dass wir ernsthafte Gespräche führen, um zu sehen, was geht." Der Fraktionsvorsitzende legt Wert darauf, dass alle Parteiströmungen in die Diskussion über Rot-Rot-Grün eingebunden werden. "Man muss letztlich jeweils die ganze Partei dafür gewinnen."

In der SPD gibt es vor allem beim linken Flügel Sympathien für Rot-Rot-Grün, während die Parteiführung skeptisch ist. Bei der Linken wollen die überwiegend ostdeutschen Pragmatiker auf eine Regierungsbeteiligung hinarbeiten. Die Ultralinken setzen dagegen auf einen Oppositionskurs. Gysis Stellvertreterin Sahra Wagenknecht, die gemeinsam mit dem Reformer Dietmar Bartsch die Nachfolge von Gysi als Fraktionschef anstrebt, wirbt dafür, dass sich die Linke im Bundestag zunächst in der Opposition profilieren müsse. Bisher ist unklar, ob Gysi bei der Bundestagswahl 2017 wieder als Linken-Spitzenkandidat ins Rennen gehen will.

Mehrheit hat kein Problem mit Regierungschef Ramelow

In Thüringen regiert seit Anfang Dezember die erste rot-rot-grüne Koalition auf Landesebene. Einen Monat nach der Wahl von Bodo Ramelow zum Regierungschef sieht eine Mehrheit der Deutschen darin kein Problem. 54
Prozent äußerten in einer Umfrage des Instituts Uniqma für die "Leipziger Volkszeitung" die Ansicht, als Teil des demokratischen Parteienspektrums könne die Linke auch einen Ministerpräsidenten stellen. In Ostdeutschland antworteten sogar 65 Prozent in diesem Sinn. Die gegenteilige Ansicht äußerten bundesweit 44 Prozent. Sie gaben zu bedenken, die Linkspartei solle erst ihre Vergangenheit zu DDR-Zeiten richtig aufarbeiten, ehe sie in vorderster Front Regierungsverantwortung übernehmen könne. Im Osten waren 37 Prozent dieser Ansicht.

Immerhin 37 Prozent der Befragten bundesweit gaben sogar an, sie hätten kein grundsätzliches Problem damit, wenn ein Politiker der Linkspartei zum Bundeskanzler gewählt werden würde. In Ostdeutschland sagten dies sogar 47 Prozent. Eine Mehrheit im Bundestag dafür ist allerdings nicht in Sicht.

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