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In einer Bar in Kiew wird bei Kerzenlicht serviert.

© Foto: AFP/Sergei Supinsky

„In der Wohnung sind es nur noch 15 Grad“: So trotzen die Menschen in Kiew Putins Angriffen auf die Energiesysteme

Russland will die Ukrainer in der Hauptstadt mit Dunkelheit und Kälte zermürben. Evakuierungen sind unrealistisch. Die Menschen stellen sich auf den Winter ein.

| Update:

Stundenlang ohne Strom, manchmal ohne Wasser und mit kalten Radiatoren. Das ist Alltag in Kiew, seit Russland vor einem Monat erstmals das Stromnetz der Stadt angegriffen hat. Dabei handelte es sich zunächst noch um geplante Abschaltungen. Doch am vergangenen Wochenende konnte das Kiewer Stromnetz der Belastung nicht mehr standhalten, es musste notabgeschaltet werden. Jetzt gibt es keinen Zeitplan mehr, die Lichter können jeden Moment ausgehen.

„Am Sonntag hatten wir elf Stunden lang kein Licht“, klagt ein Bewohner. „Aber das ist nicht das Schlimmste. In der Wohnung sind es nur noch 15 Grad. Von Zeit zu Zeit schalten wir den Gasbrenner ein, um unsere Hände zu wärmen.“

Wärmflaschen sind eine weitere gute Hilfe – aber ebenso wie Campingkocher und Kerzen inzwischen ein knappes Gut. Und was wird passieren, wenn die Außentemperatur unter Null sinkt? Die Zentralheizung in der Hauptstadt hängt direkt von der Stromversorgung ab.

Campingkocher, Kerzen, Wärmflaschen sind Mangelware

Angesichts der derzeitigen Belastung des beschädigten Stromnetzes ist äußerst fraglich, wann die Heizperiode beginnen kann. In ukrainischen Medien und sozialen Netzwerken wird der Mangel an Licht und Wärme von morgens bis abends diskutiert. Die Kiewer versuchen sogar, über die Romantik von Abenden bei Kerzenlicht zu scherzen.

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Der Tenor der Veröffentlichungen ist jedoch nach wie vor sehr besorgt. Nachdem nun die „New York Times“ (NYT) berichtete, Kiew bereite sich auf eine vollständige Evakuierung vor, bemühen sich die Behörden darum, die Einwohner der Hauptstadt zu beruhigen.

Aus dem Büro des Kiewer Bürgermeisters Vitali Klitschko ist zu hören, die Schlagzeile sei falsch. Der Leiter der städtischen Sicherheitsabteilung, Roman Tkachuk, der von der NYT interviewt wurde, sei falsch verstanden worden. Am Montag wurde auf der Webseite der Stadt eine Klarstellung in ukrainischer und englischer Sprache veröffentlicht.

Tkachuk erklärt darin, dass die städtischen Behörden zwar alle möglichen Optionen für den Notfall in Betracht zögen: „Das Zivilschutzsystem muss auf verschiedene Optionen vorbereitet sein, aber das bedeutet nicht, dass wir uns jetzt auf eine Evakuierung vorbereiten.“

Bisher gibt es keine Anzeichen für Vorbereitungen von Massenevakuierungen in Kiew. Außerdem bezweifeln Experten, dass das in der Drei-Millionen-Stadt überhaupt möglich ist. Es erscheint realistischer, sich auf die Eigeninitiative der Menschen zu verlassen.

Klitschko hat offen an die Einwohner:innen der Stadt appelliert, eine solche Möglichkeit in Betracht zu ziehen: „Im Falle eines schlechten Szenarios, wenn wir kein Licht oder keine Wasserversorgung haben und Sie Verwandte und Freunde in den Kiewer Vororten mit Wasserversorgung, Herd, Heizung – bitte bereiten Sie sich darauf vor, einige Zeit mit ihnen zu verbringen.“

Wir gehen nirgendwo hin. Wir werden diesen Winter irgendwie überleben.

Ljudmila Mustafina, Rentnerin in Kiew

Weniger Menschen in Kiew, das würde auch das Energiesystem entlasten. „Ich würde auf die Empfehlungen der Kiewer Behörden hören“, sagt der politische Analyst Oleksiy Golobutskiy. „Das pessimistische Szenario eines vollständigen Stromausfalls ist sehr real. Es sieht so aus, als wolle Putin Kiew wirklich mit Kälte und Dunkelheit zermürben.“

Die meisten Bewohner haben es jedoch nicht eilig, die Stadt zu verlassen. In der Region Kiew ist die Lage der Stromversorgung nicht viel besser. Und nicht alle Vorstadthäuser haben Öfen. „Wir gehen nirgendwo hin“, sagt Ljudmila Mustafina, eine Rentnerin. „Notfalls werden wir uns mit unseren Nachbarn zusammentun, um in den Höfen Feuer zu machen. Dort können wir das Wasser erhitzen und uns aufwärmen. Wir werden diesen Winter irgendwie überleben.“

Kiew plant zudem, mehr als 1000 öffentliche Heizstellen einzurichten. Plätze für 528 solcher Stellen seien bereits ausgewiesen, berichtet RBC-Ukraine unter Berufung auf den Leiter der Kiewer Militärverwaltung, Serhiy Popko.

Man sei bereits dabei, die Heizstellen einzurichten, so Popko. „Sie werden über autonome Stromquellen verfügen und mit speziellen Heizkesseln ausgestattet sein.“

So wurden elektrische Heizgeräte für die Heizstellen angeschafft; es wurden unter anderem Wasservorräte angelegt. Die Menschen sollen sich dort wärmen, Tee trinken, ihre Telefone aufladen können und bei Bedarf weitere Hilfe bekommen.

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