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An der Fassade der Frauenkirche in Dresden hängt ein Banner mit der Botschaft „Wir haben die Wahl – Für Demokratie gegen Rechtspopulismus“.

© dpa/Robert Michael

Standortnachteil Rechtspopulismus: Studie zeigt Auswirkungen auf Zuzug von Fachkräften und Firmen

Jährlich könnten einer Großstadt tausende Arbeitskräfte fehlen, wenn die Region einen Ruf als rechtsextreme Hochburg hat. Ein Wirtschaftsforscher hat das Thema am Beispiel von Dresden untersucht.

Seit dem Aufstieg der AfD in den Umfragen und den Enthüllungen des Netzwerks Correctiv über Treffen von Rechtsextremen warnen Wirtschaftsvertreter aus Deutschland davor, dass Rechtspopulismus dem Wirtschaftsstandort schaden. „Das AfD-Programm würde einen massiven Wohlstandverlust bedeuten – für jeden Einzelnen. Rund 2,2 Millionen Arbeitsplätze wären gefährdet“, warnte beispielsweise Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Autoindustrie.

Ein Wirtschaftsforscher aus Mannheim wollte herausfinden, wie sich eine große Unterstützung für rechtsextreme Parteien und Gruppen tatsächlich auf die Entscheidungen von Unternehmen und Arbeitnehmern auswirkt. Das Ergebnis: „Städte und Regionen, in denen rechtspopulistische Parteien und Bewegungen breite Unterstützung erfahren, haben einen Nachteil bei der Anwerbung von in- und ausländischen Fachkräften“, sagt Tommy Krieger vom Leibniz-Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) dem Tagesspiegel. Das liege zum einen daran, dass es aufgrund politischer Entscheidungen wie der Begrenzung der Zuwanderung an Arbeitskräften mangele und zum anderen, dass solche Gegenden generell in Verruf kämen.

Junge Deutsche und Studenten aus dem Ausland meiden solche Regionen

In betroffenen Regionen habe es weniger Zuzug gegeben, und zwar anders, als man es erwarten würde und auch nicht nur von ausländischen Personen, hat Krieger herausgefunden. Auch Deutsche zieht es nicht länger in solche Regionen. „Die Menschen meiden diese Regionen aus Sicherheitsbedenken und dem Wunsch, in einem Umfeld zu leben, in dem Menschen mit ähnlichen Ansichten und Interessen leben“, sagt der Ökonom.

Die Menschen meiden diese Regionen aus Sicherheitsbedenken.

Ökonom Tommy Krieger vom Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung

Am Beispiel Dresden, wo es ab 2014 Demonstrationen der ausländerfeindlichen Pegida-Organisation gab, hat der Wirtschaftsforscher genauer untersucht, wie viele Menschen wegblieben. Besonders junge Deutsche unter 30 Jahren und ausländische Studenten mieden die Stadt. Im ersten Jahr nach Beginn der Proteste war die Lücke mit etwa 500 Personen noch relativ klein. Kriegers Studie zufolge wuchs sie in den Folgejahren auf bis zu 1000 Personen, die sich gegen Dresden als Wohnort entschieden, an. Zum Vergleich: Dresden hat etwa 570.000 Einwohner.

Die Entscheidungen der Unternehmen nachzuvollziehen, war für den Ökonomen Krieger die größere Herausforderung. Wenn Firmen ihren Standort verlagern, nennen sie zurzeit eher die hohen Energie- und Lohnkosten als Begründung. „Bisher gibt es keine Hinweise darauf, dass Unternehmen ihre Standortentscheidungen aufgrund von Rechtspopulismus ändern“, sagte Krieger dem Tagesspiegel. So verkündete zum Beispiel der taiwanesische Chipkonzern TSMC im Vorjahr, dass er ein Halbleiterwerk in Dresden errichten will.

Zudem hätten die Aktienmärkte bei Wahlerfolgen von rechtspopulistischen Parteien auf nationaler Ebene positiv reagiert. „Das heißt aber nicht, dass es in diesen Regionen keine wirtschaftlichen Schäden gibt“, so der Mannheimer Ökonom. Mittelfristig bilanziert er ein geringeres Wirtschaftswachstum. Die Forschungslage in anderen Ländern zeige, dass Erfinder seltener in ein Land einwandern, wenn dieses rechtspopulistisch regiert wird. Es gibt weniger Start-up-Gründungen. Für ein Land wie Deutschland, das sich ob seiner klugen Köpfe und dem Erfindergeist rühmt, wäre das eine sehr bedenkliche Folge.

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