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Russland und USA: Verbale Abrüstung

Europa hofft auf einen Neuanfang zwischen Washington und Moskau – doch die Probleme bleiben. Kanzlerin Angela Merkel geht derweil auf Russland zu.

Mit einem Knopfdruck wollte Hillary Clinton den Neuanfang im Verhältnis zu Russland einleiten: Als die US-Außenministerin ihren russischen Kollegen Sergej Lawrow kürzlich zum ersten Mal traf, hatte sie einen roten Knopf aus Plastik mit der Aufschrift „Reset“ dabei, den beide dann gemeinsam drückten. Der einzige Schönheitsfehler der Inszenierung: Leider stand auf dem Knopf auf Russisch nicht „Reset“, sondern „Überlastung“ - ein Zeichen dafür, dass es zum gegenseitigen Verständnis noch ein weiter Weg ist.

Das erste Treffen der Präsidenten Dmitri Medwedew und Barack Obama an diesem Mittwoch in London wird vor allem in Europa mit Spannung erwartet. Unter der Ägide der Präsidenten George W. Bush und Wladimir Putin waren die Beziehungen zwischen Moskau und Washington so schlecht wie nie seit dem Ende des Kalten Krieges: Die von den USA geplante Raketenabwehr und das Beitrittsversprechen der Nato an die Ukraine und Georgien waren aus russischer Sicht vollkommen inakzeptabel. Ein neuer Tiefpunkt in den Beziehungen war der Krieg in Georgien. Die Gespräche im Nato-Russland-Rat wurden vorübergehend eingestellt. Das Wort vom neuen kalten Krieg machte die Runde. Auch wenn dieser Vergleich nicht passt, zeigt er doch, wie stark sich das Verhältnis abgekühlt hat.

Russlandexperten warnen nun davor, das Treffen von Obama und Medwedew überzubewerten: „Die strukturellen Probleme sind nach wie vor da“, betont Hans-Henning Schröder, Forschungsgruppenleiter bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Jetzt gebe es aber die Chance, die Probleme im Gespräch zu lösen. Schließlich beharrt die neue US-Regierung nicht unbedingt auf der Raketenabwehr und forciert auch die Einbindung der Ukraine und Georgiens in die Nato nicht mehr. „Die USA haben einen großen Schritt auf Russland zu gemacht“, sagt Schröder. „Der Rest muss verhandelt werden.“ Doch diese Verhandlungen haben es in sich. Auf der Tagesordnung der kommenden Monate stehen die Reduzierung strategischer Atomwaffen, der sogenannte Start-Vertrag, und das weitere Vorgehen bei der Abrüstung konventioneller Streitkräfte. Russland hatte das KSE-Abkommen Ende 2007 ausgesetzt. Aus westlicher Sicht hat außerdem das Thema Iran hohe Priorität. Die USA wollen Moskau verpflichten, auf Teheran Druck zu auszuüben, damit das Regime sein Atomprogramm aufgibt.

Noch vor seiner Begegnung mit Obama traf sich Medwedew am Dienstag in Berlin mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Berlin ist innerhalb der EU  der wichtigste Partner für Russland, und mehr noch: „Deutschland spielt in Europa die Rolle eines Paten Russlands“, sagt Schröder. Merkel und Medwedew zeigten denn auch im Vorfeld des G20-Gipfels Geschlossenheit: „Wir fahren mit sehr ähnlichen Positionen und Erwartungen nach London“, sagte die Kanzlerin. So viel demonstrative Einigkeit zwischen Deutschland und Russland gab es lange nicht. Der Krieg in Georgien und der Gasstreit zwischen Moskau und Kiew hatten das Verhältnis stark belastet. Merkel gab sich am Dienstag betont pragmatisch: Die deutsch-russischen Beziehungen seien „bei allen Problemen darauf gerichtet, dass wir diese Probleme lösen“.

Einer der Streitpunkte kam umgehend zur Sprache: Moskau ist verstimmt darüber, dass sich die EU mit der Ukraine auf eine Modernisierung des ukrainischen Gaspipelinenetzes verständigt hat. Es sei „unmöglich“, dass Russland nicht beteiligt worden sei, kritisierte Medwedew. Der Ukraine drohte er gar mit finanziellen Konsequenzen. Die Kanzlerin bot ihm nun an, mit der EU-Kommission zu reden, damit Russland einbezogen werden kann. Zugleich erinnerte sie aber daran, dass die Ukraine ein souveräner Staat sei. Moskau sieht das Land als Teil seiner Einflusssphäre; der russische Konzern Gasprom strebt die Kontrolle über das ukrainische Pipelinenetz an.

Auch auf dem Gebiet der Sicherheitspolitik bemühte sich Merkel um eine Annäherung. Bei seinem letzten Besuch in Berlin hatte Medwedew sich für eine neue Sicherheitsarchitektur in Europa ausgesprochen – ein Vorschlag, der als Gegenkonzept zu Nato und OSZE verstanden wurde und deshalb kaum Chancen auf Zustimmung hat. Die Kanzlerin schlug Russland am Dienstag einen „ständigen Dialog“ mit der EU im Rahmen der europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik vor. Dies könne den Nato-Russland-Rat ergänzen. Merkel kündigte an, auch dies mit den Partnern in Europa zu besprechen.

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