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Ein Boot mit Flüchtlingen erreicht die Kanaren-Insel El Hierro.

© AFP/stringer

Verhandlungen in Brüssel: Wann gelingt der Durchbruch bei der EU-Asylreform?

In der Nacht zum Dienstag blieb eine Einigung über die EU-Asylreform aus. Nun werden die Verhandlungen fortgesetzt. Worum gestritten wird.

Fest stand am Dienstagabend nur: EU-Parlament, die Mitgliedstaaten und die Kommission arbeiten fieberhaft an einer Einigung zur Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS). Kommt es in Brüssel nach jahrelangen Verhandlungen zum Durchbruch bei der Reform des EU-Asylsystems? Die Bundesregierung und insbesondere Innenministerin Nancy Faeser (SPD) bräuchten einen solchen Erfolg dringend.

Konkret geht es beim sogenannten Trilog zwischen den drei EU-Institutionen um fünf Verordnungen, über die im Verlauf des Tages noch einmal parallel verhandelt wurde. „Am sensibelsten sind dabei die Frage der Grenzverfahren und die Verordnung für das Asyl- und Migrationsmanagement“, sagte die CDU-Europaabgeordnete Lena Düpont dem Tagesspiegel.

Bei den Grenzverfahren, die in der Asylverfahrensverordnung niedergelegt sind, geht es darum, Asylbewerber mit einer geringen Bleibeperspektive an den EU-Außengrenzen in Lagern festzuhalten und gegebenenfalls schnell abzuschieben. Die EU-Mitgliedstaaten und das EU-Parlament konnten sich bisher nicht auf die Details der Grenzverfahren einigen. Nach dem letzten Stand wollten die EU-Mitgliedstaaten in erster Linie unbegleitete minderjährige Flüchtlinge von den Grenzverfahren ausnehmen.

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Freikauf für 20.000 Euro pro Flüchtling?

Das Europaparlament drang in den Verhandlungen derweil auf humanitäre Zugeständnisse. So wurde in den Verhandlungen weiter an Schutzmechanismen für Familien mit Kindern bei den umstrittenen Grenzverfahren gearbeitet, hieß es aus dem Europaparlament.

Die Verordnung für das Asyl- und Migrationsmanagement, der zweite strittige Punkt, regelt unter anderem die geplante Verteilung eines Teils der Schutzsuchenden unter den EU-Ländern. Die Mitgliedstaaten wollen allerdings keine verpflichtende Verteilung. Vielmehr sehen sie die Möglichkeit vor, dass sich die Regierungen mit einer Summe von 20.000 Euro pro Flüchtling vom geplanten Solidaritätsmechanismus freikaufen können. Umstritten war allerdings bis zuletzt, inwieweit im Krisenfall strengere Regeln zur Verteilung der Migranten gelten sollen.

Schwierig sind die Trilog-Verhandlungen vor allem deshalb, weil die 27 Mitgliedstaaten nur wenig Spielraum haben. Es war für Faeser und ihre 26 Amtskollegen im Juni schon schwer genug, eine Einigung im Kreis der EU-Innenminister zu finden. Und weil die Mitgliedstaaten bei den Trilog-Verhandlungen kaum Zugeständnisse machen, gibt es vor allem von Sozialdemokraten, Grünen und Linken Kritik am Verlauf der Gespräche.

Es ist traurig, dass es kaum noch darum geht, worauf wir uns inhaltlich einigen.

Erik Marquardt, Grünen-Europaabgeordneter

Der Grünen-Abgeordnete Erik Marquardt sagte, er gehe davon aus, dass bei den Trilog-Verhandlungen ein Ergebnis erzielt werde, „weil der politische Druck sehr hoch ist“. Er fügte allerdings hinzu: „Es ist traurig, dass es kaum noch darum geht, worauf wir uns inhaltlich einigen.“

Experten bezweifeln Effekt der Reform

Faeser wiederum hat wiederholt erklärt, dass ein Abschluss der GEAS-Reform vor der Europawahl im kommenden Juni entscheidend sei. Die Bundesregierung sieht in der Reform eine Stellschraube, um die irreguläre Migration zu begrenzen – und so auch den politischen Höhenflug der AfD zu beenden.

Experten wie der Migrationsforscher Gerald Knaus bezweifeln den praktischen Wert der Reform des EU-Asylsystems.
Experten wie der Migrationsforscher Gerald Knaus bezweifeln den praktischen Wert der Reform des EU-Asylsystems.

© dpa/Francesco Scarpa

Allerdings bezweifeln Experten wie der Migrationsforscher Gerald Knaus, dass die Reform des EU-Asylsystems tatsächlich zu einer Verringerung bei den Ankunftszahlen von Migranten in der EU führen wird. Inzwischen suchen einzelne Mitgliedstaaten auch nach Lösungen abseits der GEAS-Reform. Am Dienstag unterzeichneten Faeser und ihr georgischer Amtskollege Wachtang Gomelauri in Tiflis eine Vereinbarung, die unter anderem Informationskampagnen „über geringe Erfolgsaussichten von Asylanträgen georgischer Staatsangehöriger in Deutschland“ vorsieht.

Innenministerin Nancy Faeser und ihr georgischer Amtskollege Wachtang Gomelauri unterzeichneten am Dienstag eine migrationspolitische Vereinbarung.
Innenministerin Nancy Faeser und ihr georgischer Amtskollege Wachtang Gomelauri unterzeichneten am Dienstag eine migrationspolitische Vereinbarung.

© REUTERS/IRAKLI GEDENIDZE

Neben den besonders strittigen Dossiers wurde am Dienstag in Brüssel auch über drei weitere Verordnungen verhandelt. Die Krisenverordnung sieht vor, dass gegebenenfalls der Zeitraum verlängert werden kann, in dem Migranten unter haftähnlichen Bedingungen festgehalten werden können. Mit der Eurodac-Verordnung soll leichter nachzuvollziehen sein, wo sich ein Asylbewerber, der beispielsweise in Deutschland ankommt, vorher in Europa aufgehalten hat.

Im Streit um die Screening-Verordnung, mit der Identitätskontrollen bei Migranten verstärkt werden sollen, ging es zuletzt noch um die Frage, wo diese Kontrollen stattfinden können. Die Mitgliedstaaten pochen darauf, dass eine Überprüfung auch im Landesinneren sämtlicher Mitgliedstaaten möglich sein müsse.

Trotz der zahlreichen offenen Fragen ist der Einigungsdruck in Brüssel hoch. Die gegenwärtige spanische EU-Präsidentschaft, die noch bis Ende Dezember die Geschäfte führt, wünscht jedenfalls noch in diesem Jahr eine Trilog-Einigung. Eventuell, so heißt es im Europaparlament, sei eine Lösung auch erst nach Weihnachten möglich, falls in der Nacht zum Mittwoch kein Durchbruch gelingt.

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