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Eine Aktivistin der Bewegung Fridays for Future spricht während einer Sitzblockade in Madrid.

© dpa/Ricardo Rubio/Europa Press

Update

Zähe Verhandlungen in Madrid: Vier Staaten bremsen Klimaschutz aus – Abschluss verzögert sich

Die Fronten auf der Klimakonferenz verhärten sich. Klimaschützer kritisieren den Verhandlungsstand als eine „Katastrophe“ – und befürchten ein Scheitern.

Als Teresa Ribera auf der Klimakonferenz in Madrid vor die Mikrofone trat, sah sie sehr besorgt aus. Die Staatengemeinschaft sei in den Verhandlungen „tief gespalten“, sagte die spanische Umweltministerin.

Es gebe eine Kluft zwischen den Nationen, die beim Klimaschutz mehr Tempo verlangten, und solchen, die den Zeitplan des Pariser Klimaabkommens einhalten wollten, so Ribera, die in den Verhandlungen auch deshalb eine wichtige Rolle spielt, weil ihre Amtskollegin aus Chile, Carolina Schmidt, die COP25-Präsidentin, kaum Präsenz zeigt.

Das alles sagte Ribera bereits am Donnerstag. Doch eine Einigung gab es auch bis zum Samstagmorgen noch nicht. Die zähen Verhandlungen ziehen die Konferenz in Madrid in die Länge. Nach Plan hätte die 25. UN-Klimakonferenz am Freitag um 18 Uhr nach fast zwei Wochen enden sollen – die Abschlusssitzung im Plenum wurde dann jedoch für 21 Uhr angesetzt und schließlich in der Nacht immer weiter nach hinten verschoben. Sie sollte schließlich um 9 Uhr am Samstag beginnen – und wurde dann erneut vertagt.

Die Staaten können theoretisch auch noch am Sonntag und am Montag verhandeln. Eine offizielle Deadline gibt es laut der chilenischen Präsidentschaft nicht.

Immerhin wurden am Samstagmorgen neue Textentwürfe veröffentlicht, an denen Verhandler die Nacht über gearbeitet hatten. Zuletzt waren noch alle zentralen Streitpunkte ungelöst: die Formulierung der Abschlusserklärung, Geld für Klimaschäden in ärmeren Ländern und Regeln für den Handel mit Klimaschutz-Gutschriften und die internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz.

Klima-Aktivisten, die sich ein "wachsames" Auge auf die Handfläche gemalt haben, protestieren in Madrid.
Klima-Aktivisten, die sich ein "wachsames" Auge auf die Handfläche gemalt haben, protestieren in Madrid.

© dpa/Manu Fernandez

Bei einem informellen Austausch äußerten sich diverse Delegierte sehr unzufrieden mit den Entwürfen der Beschlusstexte. Die EU sowie Vertreter von Entwicklungs- und Schwellenländern kritisierten, dass in den Texten nicht deutlich gemacht werde, dass die nationalen Klimaschutzziele zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens deutlich angehoben werden müssten. "Für die EU ist es unmöglich, diese COP zu verlassen ohne eine Botschaft für starke Ambition", sagte eine Vertreterin der EU-Delegation. Ähnlich äußerten sich das Bündnis der kleinen Inselstaaten (Aosis), die Gruppe der am wenigsten entwickelten Länder (LDC), die Lateinamerika-Karibik-Gruppe Ailac sowie China.

"Betrug an den Menschen in aller Welt"

Der Chef der Initiative Power Shift Africa, Mohamed Adow, bezeichnete die Beschlusstexte als "katastrophal" – "die schlimmsten, die ich je gesehen habe". Alden Meyer von der Wissenschaftlerorganisation Union of Concerned Scientists forderte, der Graben zwischen den Verhandlungsführern und wissenschaftlich fundierten Forderungen von Aktivisten sei "noch nie" so tief gewesen.

Greenpeace-Chefin Jennifer Morgan sprach von einem "Betrug an den Menschen in aller Welt", Christoph Bals von Germanwatch schloss nicht aus, dass eine Einigung in Madrid scheitert und die Welt 2020 "einen neuen, ambitionierteren Anlauf" nehmen müsse.

Deutschland und andere Staaten erhöhen den Druck

Um in den UN-Klimaverhandlungen Druck zu machen, haben Deutschland und andere Staaten gemeinsam Mindeststandards für den internationalen Handel mit Klimaschutz-Gutschriften verlangt. Im Schlussspurt der Verhandlungen veröffentlichten sie ihre Forderungen. Unter anderem heißt es darin, dass der Schutz der Umwelt gewährleistet sein müsse und der Handel auch wirklich dazu führen müsse, dass der weltweite Treibhausgas-Ausstoß zurückgehe. Zudem fordern sie ein Verbot, alte Gutschriften aus der Zeit vor dem Pariser Klimaabkommen weiterhin zu nutzen.

Zunächst 17 Staaten hatten sich dafür zusammengetan, neben Deutschland andere europäische Länder wie die Schweiz und Luxemburg, Schweden, Österreich und Dänemark. Mit dabei waren außerdem besonders von den Folgen des Klimawandels bedrohte Länder wie der südpazifische Inselstaat Vanuatu und die Marshallinseln. Angeführt wurde die Liste von Costa Rica, wo die Gruppe sich im Vorfeld des diesjährigen Klimagipfels erstmals zusammengetan hatte. Im Laufe des Samstags schlossen sich weitere Staaten den Forderungen an.

Die USA, Brasilien und Saudi-Arabien, die die Klimaschutzbemühungen ausbremsen wollen, forderten ihrerseits Änderungen an den Beschlusstexten. Die US-Vertreterin etwa wandte sich gegen die Formulierungen zum Finanzbedarf der Entwicklungsländer für eine Anpassung an den Klimawandel, Saudi-Arabien stört sich an Verweisen auf Menschenrechte. Dass es in Madrid so schleppend vorangeht, liegt auch an vier Staaten, die die Verhandlungen hartnäckig blockieren. Ein Überblick:

Brasilien

„Göre“ nannte brasilianische Staatschefs Jair Bolsonaro die schwedische Aktivistin Greta Thunberg jüngst, als sie Menschenrechtsverletzungen und Abholzung im Amazonas anprangerte. Wen wundert es da, dass Brasilien in Madrid als schwieriger Verhandlungspartner gilt.

Das südamerikanische Land will zahlreiche billige Emissionsgutschriften aus dem alten Kyoto-Protokoll mit in die neue Welt des Pariser Klimaabkommens nehmen. Aus Sicht der Europäischen Union geht das nicht. Denn in vielen Fällen haben diese Gutschriften in Brasilien nicht für mehr Klimaschutz gesorgt. 

Eine weitere Klimafalle, die es zu verhindern gilt: Brasilien will Emissionseinsparungen aus Aufforstungsprojekten verkaufen. Theoretisch wäre es so möglich, dass Brasilien Regenwald extra abholzt und dann wieder Bäume anpflanzt. Damit Brasilien am Ende doch noch einlenkt, muss die Europäische Union womöglich von sich aus jede Menge Geld für die Erhaltung des Amazonas auf den Tisch legen.

Zusätzlich, versteht sich. Denn es gibt ja schon den Amazonas-Fonds unter der Leitung Norwegens, in den auch Deutschland einzahlt. Wenn allerdings Brasiliens Umweltminister Ricardo Salles über den Fonds spreche, bringe er oft Dinge durcheinander, berichten europäische Delegierte. Das Thema scheine ihn nicht wirklich zu interessieren.

USA

Seit Donald Trump das Ausscheiden der USA aus dem Pariser Klimaabkommen angekündigt hat, wird die US-amerikanische Regierung nicht mehr mit Klimaschutz in Verbindung gebracht. Es könnte den USA also eigentlich egal sein, worüber in Madrid verhandelt wird.

Die US-amerikanische Delegation verhält sich aber überraschend konstruktiv. Denn es besteht die Möglichkeit, dass der nächste Präsident nicht Trump heißt. Dann blieben die USA wahrscheinlich doch im Abkommen und spielten besser nach Klima-Regeln, die sie selbst ausgehandelt haben.

Deshalb fürchtet das amerikanische Delegationsteam auch nichts so sehr wie einen bösen „Trump-Tweet“ zu den Verhandlungen. Ein solcher könnte ihre diplomatischen Bemühungen auf einen Schlag zunichte machen. Trumps Attacken gegen Greta Thunberg sind sie hingegen gewohnt. Erst am Donnerstag riet er via Twitter, „mal zu chillen“.

Dass die USA in Madrid dennoch als Blockierer gelten, liegt an ihrer Position zur Klimafinanzierung. Sie wollen den Entwicklungsländern keine neue Hilfe bieten, wenn sie Schäden wegen des Klimawandels erleiden. Dabei sind die USA nach China zweitgrößter CO2-Emittent. Viele Jahrzehnte lang lagen sie auf Platz eins.

Die USA lehnen zudem die Forderung der Entwicklungsländer ab, dass bei Transaktionen über Emissionsmengen zwischen Staaten eine Abgabe anfällt, die in den Anpassungsfonds wandern soll. 

Wenn es immer wieder Staaten gibt, denen das Weltklima sonst wo hingeht, können nur die Bürger ihre Empörung über dieses Verhalten bei den Wahlen zum Ausdruck bringen. Die Staatsführer sollten die Macht der kommenden Generation nicht unterschätzen. Es sind die Wähler von morgen.

schreibt NutzerIn carnet

Australien

Australien gilt als heimlicher Bösewicht der Klimakonferenz. Ähnlich wie Brasilien will das Land alte Emissionsgutschriften aus dem Kyoto-Protokoll mitnehmen: Knapp 400 Millionen Stück hat es noch übrig. Klimaschützer warnen, dass die meisten dieser Gutschriften – von der Regierung als „Überleistung“ bezeichnet – eine direkte Folge der erheblichen Entwaldung des Landes 1990 waren. Das machte damals 30 Prozent seiner Treibhausgasemissionen aus.

Australien pflanzte dann einfach wieder Bäume und verbuchte das unter Klimaschutzmaßnahme im Rahmen des dann in Kraft getretenen Kyoto-Protokolls, obwohl sie ihre Wälder ohnehin aufgeforstet hätten. 

Umweltschützer wundern sich über die Sturheit Australiens in Madrid. Denn das Land ist wirtschaftlich gut aufgestellt. Für die Regierung wäre es ein Leichtes, Erneuerbare-Energien-Projekte auf den Weg zu bringen. Windkraftanlagen würden sich auszahlen, denn Australien hat an seinen Küsten beste Windbedingungen. Lieber jedoch verlässt sich die Regierung auf Kohlekraftwerke. 2016 lieferten diese 100 Prozent des australischen Stroms.

Saudi-Arabien

Saudi-Arabien beabsichtigt, in Zukunft nicht mehr nur auf Öl zu setzen. Dafür verlangt das Land finanzielle Unterstützung der Vereinten Nationen – eine beinah groteske Forderung, denn der Börsengang des Ölkonzerns Saudi-Aramco bringt dem Staat Milliardeneinnahmen. In Madrid sorgt die Delegation für Ärger, weil sie die Hinweise auf Menschenrechte in den Abschlussdokumenten zu verhindern versucht.

Außerdem will Saudi-Arabien nicht über höhere Klimaziele sprechen. Denn die müssen Staaten offiziell erst nächstes Jahr abgeben, so die Argumentation der saudischen Delegierten. „Wenn wir zum Ende der COP25 einen guten Artikel sechs haben, wäre das doch schon ein Verhandlungserfolg“, soll der saudische Chefverhandlers gesagt haben.

Das Zitat wurde von internationalen NGOs kolportiert. Dabei weiß Saudi-Arabien sehr genau, dass „Ambition“ schon heute ein Thema sein muss, damit es neue Ziele bis zur Klimakonferenz nächstes Jahr in Glasgow auch tatsächlich geben wird. (mit dpa, AFP, epd)

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